Pfingsten – nicht alles im Griff: Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Pfingsten – nicht alles im Griff – Das Wort zum Wort zum Sonntag, gesprochen von Dr. Wolfgang Beck (kath.), veröffentlicht am 20.5.2018 von ARD/daserste.de

In seinem heutigen Wort-zum-Sonntag versucht Dr. Beck einmal mehr, seine biblisch-christliche Mythologie irgendwie in der Diskussion zu einem aktuellen Thema unterzubringen. Konkret: Pfingsten und das neue Polizeigesetz in Bayern.

Ergänzend zu seinen kritischen Überlegungen darüber, wie weit die polizeilichen Befugnisse reichen sollten, stellt er einen Zusammenhang zum Pfingstfest her:

[…] Als Christen feiern wir an diesem Wochenende das Pfingstfest. Und das geht gerade auf eine Situation zurück, wo Menschen eben nicht alles im Griff hatten. Der Hoffnungsträger für diese Menschen, Jesus, tot am Kreuz, unerklärliche Erscheinungen im Anschluss, verstörende Berichte, er sei auferstandenen. Seine bisherigen Begleiter, Frauen und Männer, nicht mehr begeistert, sondern völlig verunsichert. Sie hocken hinter verschlossenen Türen und müssen all das klarkriegen. Und dann das Pfingstwunder: Der Heilige Geist bewegt die ängstlichen Menschen. Zuerst entsteht noch mehr Durcheinander. Aber genau da fassen sie Mut und gehen in die Öffentlichkeit. Sie haben wirklich gar nichts mehr im Griff und gehen trotzdem raus vor die Türen – ohne abschätzen zu können, was passiert.

In der biblischen Legende ist es also der ¨Heilige Geist¨, der bewirkt, dass Menschen ihr Ohnmachtsgefühl überwinden. Beziehungsweise ignorieren. Laut biblischer Aussage hat ihnen  der ¨Heilige Geist¨ diesem Mut verliehen. Sie verlassen sich nicht auf sich, sondern auf die von ihnen geglaubte höhere Macht.

Keine Geister, auch keine ¨heiligen¨

Geht man davon aus, dass es in der Welt ¨mit rechten Dingen¨ zugeht, also dass keine Geister, Götter oder Gottessöhne ins Geschehen eingreifen, dann fällt auch der hier genannte ¨Heilige Geist¨ als aktiver Verursacher weg.

Demzufolge war es kein Geist, sondern höchstens die Einbildung eines Solchen, der den Anhängern der christlichen Endzeitsekte dazu verhalf, trotz verständlicher Ungewissheit weiter an der Mission ihres Anführers festzuhalten.

Wobei einmal mehr darauf hingewiesen werden muss, dass es sich bei diesen Geschichten um Mythen und Legenden ohne verlässliche Quellen handelt. Genauso könnte man in jeder beliebigen anderen Sagensammlung nach Stellen suchen, die zufällig irgendwelche Wörter enthalten, die einem passend erscheinen.

Pfingsten: Eine Zumutung

[…] Das Pfingstfest erinnert an die Gabe des Heiligen Geistes. Damit ist nicht nur ausgedrückt, dass Gott den Menschen auf besondere Weise nahe ist. Mit dem Pfingstfest ist auch die Zumutung ausgedrückt, die sagt: Du wirst nicht alles im Griff haben!

Hier haben wir ein weiteres Beispiel dafür, wie Religionsverkünder es schaffen, quasi jedes beliebige Thema praktisch beliebig so hinzubiegen, wie es ihnen in den Kram passt. Dies ist nur möglich, weil die biblischen Mythen und Legenden äußerst schwammig und diffus sind. Und weil heute niemand mehr sagen kann, was denn nun tatsächlich konkret wie gemeint sein soll.

Sehr zur Freude von Theologen und Apologeten, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen, immer und immer wieder vermeintlich neue Erkenntnisse aus den vermeintlich geoffenbarten Texten zu gewinnen.

So kann, wie in diesem Beispiel, Pfingsten eben mal nicht nur als Lobpreis des ¨Heiligen Geistes¨, sondern gleichzeitig auch als ¨Zumutung¨ verkauft werden.

Die eigentliche Aussage: Zu absurd

Den eigentlichen Schluss, den die Pfingstlegende nahe legt, nämlich dass sich die Menschen auf den ¨Heiligen Geist¨ verlassen sollten, wenn sie unsicher sind, vernebelt Herr Dr. Beck. Es scheint ihm zumindest zu dämmern, dass er mit einer solchen Empfehlung heutzutage in einer Diskussion um das bayerische Polizeigesetz kaum noch ernst genommen werden würde.

Egal wie verlockend die Vorstellung ist, alles was eventuell passieren könnte, zu regeln. Mit dem Heiligen Geist ist also auch die Gabe verbunden, die Grenzen der eigenen Möglichkeiten auszuhalten.

Wie Herr Dr. Beck zu dieser Interpretation kommt, ist für mich nicht nachvollziehbar. In der biblischen Legende wird ja gerade dargelegt, dass die übriggebliebenen Jesusfans ihre Grenzen nicht aushielten, sondern, mit freundlicher Unterstützung des ¨Heiligen Geistes¨ trotzdem weitermachten.

Wieviel Leid und Elend die Welt erleben musste, weil Menschen sich von diesem Heiligen Geist unterstützt fühlten, ist in der 5000 Seiten starken ¨Kriminalgeschichte des Christentums¨ nachzulesen.

Der Heilige Geist und die Wirklichkeit

Die Grenzen der eigenen Möglichkeiten müssen auch Menschen aushalten können, die an keine Geister glauben. Also Menschen, die sich nicht einbilden, von Geistern beschenkt zu werden.

Und umgekehrt gibt es natürlich auch gläubige Christen, die die Grenzen der eigenen Möglichkeiten nicht aushalten. Owohl sie ja annehmen könnten, mit dieser Gabe beschenkt worden zu sein.

Kurz: Die ganze Geschichte ist bei Licht betrachtet für die Katz. Weil eben nun mal alles darauf hindeutet, dass Gaben von Geistern nicht mehr als nur Einbildungen sind, die mit der irdischen natürlichen Wirklichkeit nichts zu tun haben.

Danke für nichts

[…] Das Pfingstfest zu feiern, bedeutet, sich sagen zu lassen: Ich habe nicht alles im Griff. Gott sei Dank! Ein schönes Pfingstfest!

Auch hier lässt Herr Dr. Beck wieder die eigentliche Kernaussage weg: Auch wenn ich nicht alles im Griff habe, kann und soll ich mich (erst recht) auf das Wirken des ¨Heiligen Geistes¨ verlassen. Dann erst ergäbe das ¨Gott sei Dank!¨ zumindest theoretisch einen Sinn.

Einem allgütigen Gott dafür zu danken, dass Menschen Unwägbarkeiten und Gefahren ausgesetzt sind, erscheint mir reichlich absurd. Wobei es per se schon widersinnig ist, einem Allmächtigen überhaupt für etwas zu danken.

Gäbe es tatsächlich ein allmächtiges allwissendes Wesen, dann wären Ungewissheit, Leid und Scheitern Teil seines Allmachtsplanes. Es würde Menschen mit Absicht Gefahren und Leid aussetzen. Was wiederum die Frage nach der Allgüte dieses Wesens aufwerfen würde, die es ja ebenfalls besitzen soll.

Biblische Mythen sind heute irrelevant

Wie man es auch dreht und wendet: Objektiv betrachtet sind die biblischen Mythen und Legenden für die heutige Lebenswirklichkeit genauso bedeutungslos wie alle anderen Göttersagen auch. Was Herr Dr. Beck mit seinem heutigen ¨Wort zum Sonntag¨ einmal mehr bewiesen hat.

Immer, wenn Geister, Götter oder sonstige ¨übernatürliche¨Wesen ihre Finger (oder was auch immer) im Spiel haben, scheidet die Geschichte als Grundlage für eine sinnvolle Diskussion zum Beispiel um ethische, politische oder gesellschaftliche Themen aus. ¨Weil das und das in der Bibel steht, sollten wir uns so und so verhalten¨ ist argumentativ wertlos.

Für mich wirkt deshalb auch dieses ¨Wort zum Sonntag¨ wie ein weiterer verzweifelter Versuch, den biblischen Mythen und Legenden irgendwie doch noch eine Relevanz zu verleihen.

Dass die Kernaussage einer biblischen Geschichte (¨verlasst euch auf den Heiligen Geist¨) in ihr Gegenteil verkehrt wird (¨haltet eure eigenen Grenzen aus¨), dürfte Herrn Dr. Beck genausowenig stören wie die meisten seiner Zuschauer. Weil es heute einfach egal geworden ist.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

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