Anpfiff für einen Traum – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Geduld

Lesezeit: ~ 5 Min.

Anpfiff für einen Traum – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Geduld, gesprochen von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht am 16.06.2018 von ARD/daserste.de

[…] Ich liebe es, wenn ich die verschiedenen Menschen auf dem Platz sehe, die alle zusammen ein Ziel haben. Verschieden – und doch zusammen. Das ist für mich ein Bild dafür: So hat Gott diesen Planeten geschaffen: bunt, farbenfroh, vielfältig, sehr vielfältig. Sieben Milliarden Menschen und keiner gleicht dem anderen. Das ist Gottes Programm für diesen Planeten, das ist extra, das ist keine Panne.*

Herr Rommert, ob wirklich ein göttlicher Plan dahintersteckt, dass kein Mensch dem anderen gleicht (wobei sich Menschen natürlich schon gleichen, auch wenn es freilich keine zwei identischen Lebewesen gibt), lässt sich redlicherweise nicht sagen. Nur behaupten.

Welchen Gott bzw. welches andere beliebige Phantasiewesen man dabei als „Programmierer“ annimmt, spielt keine Rolle. Weil es sich dabei wie gesagt lediglich um eine Behauptung handelt. Und behaupten kann man alles Beliebige, genauso wie das genaue Gegenteil.

Genauso sinnvoll und mindestens genauso plausibel könnte ich auch behaupten: „Das ist das Programm des Fliegenden Spaghettimonsters für diesen Planeten…“

Woher beziehen Sie eigentlich Ihr Wissen über göttliche Absichten, Herr Rommert? In Ihrem Fall basiert die unbewiesene (und wohl auch bis auf Weiteres unbeweisbare) Behauptung vermutlich auf ihrer religiös induzierten Wunschvorstellung eines übernatürlichen Wesens, das uns erschaffen hat. Und das es irgendwie gut mit uns meint.

Schöpfung: Fiktion oder voll Panne

Wenn Ihr Gott unseren Planeten und dessen Bewohner „extra“ so geschaffen haben soll, dann müssen Leid, Schmerz und Elend genauso Teil dieses Programmes sein. Und in Anbetracht der irdischen Wirklichkeit halte ich die Bezeichnung „Panne“ dann als eine schamlose Untertreibung.

Sollte das Leben tatsächlich das Werk eines Schöpfers sein, dann ist dieser Schöpfer entweder ein unfähiger Flickschuster, ein gleichgültiger Despot oder ein psychopathischer Sadist.

Herr Rommert, wie wärs, wenn Sie sich, bevor Sie sich vor eine Fernsehkamera stellen, erstmal mit dem heute verfügbaren Wissensstand über die Beschaffenheit und Entstehung der Erde und des Lebens darauf befassen würden?

Wodurch Sie sicher selbst innerhalb kurzer Zeit feststellen könnten, dass die Annahme eines Schöpfergottes genauso unsinnig ist wie die Annahme einer „Panne“?

Die Vielfalt von Gottes Welt?

Die Vielfalt von Gottes Welt – so toll sie ist – sie ist eine Herausforderung. In der Nationalmannschaft und zum Beispiel auch in meinem Stadtteil.

Herr Rommert, wenn Sie sich öffentlich Gedanken um die Herausforderungen machen möchten, die das Zusammenleben der Menschen mit sich bringt, dann verabschieden Sie sich doch erstmal von Ihrer biblisch-mythologisch vernebelten Weltsicht.

Rationales Denken und eine möglichst wirklichkeitskompatible Weltsicht sind Voraussetzungen für die Teilnahme an einer ernsthaften Diskussion um reale Themen.

Natürlich sei es Ihnen unbenommen, es sich auch weiter in Ihrer religiös erweiterten Scheinwirklichkeit bequem zu machen. Auf postmortale Belohnung zu hoffen oder sich vor ebendortiger Bestrafung zu fürchten. In einer offenen und freien Gesellschaft sind auch die Gedanken frei.

Als zahlender Teilnehmer am öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe ich allerdings kein bisschen Interesse daran, dass Sie mich an Ihren Illusionen, Fiktionen und Einbildungen teilhaben lassen.

So wie Jogi die Mannschaft jetzt zusammenhalten muss, […]

Hauptsache, irgendein aktuelles Stichwort untergebracht. In der Hoffnung, dass irgendwer vielleicht doch noch beim Kirchenfunk hinhört, wenn da ein paar entsprechende Keywords vorkommen…

Hinweis aus der Bibel: Nutzlos

Die spannende Frage für uns in den nächsten Jahren lautet: Stellen wir uns der Aufgabe, Vielfalt zu gestalten und sagen „jetzt erst recht!“ oder denken wir still: Vielleicht doch besser Schluss mit Multikulti? In dieser Frage könnte uns ein Hinweis aus der Bibel helfen. Paulus schreibt: „Wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden.“

Herr Rommert, wie geht es Ihnen eigentlich dabei, wenn Sie aus Bibeltexten die (Halb-)sätze herauspicken, die Ihnen in den Kram passen und den Rest einfach weglassen? Stichwort Redlichkeit und so? Denn den (Halb-)satz, in dem erklärt wird, worauf die Hoffnung begründet sein soll, fehlt in Ihrem Zitat (Hervorhebung von mir):

  • Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist. Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. (Röm 5, 5-6 LUT)

Wieso lassen Sie die eigentliche Aussage einfach weg? Zu absurd? Welchen Wert hat diese Bibelstelle für Überlegungen, wie die Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert am besten miteinander umgehen sollte?

Halten Sie es allen Ernstes für sinnvoll, Ihre Hoffnung auf einen Gott zu setzen, den sich ein kleines Wüstenvolk in der Bronzezeit ausgedacht hatte? Offenbar nicht, sonst hätten Sie die biblische Grundlage der Hoffnung ja nicht weglassen müssen.

Sie gehen aber noch weiter und deuten die Bibelstelle einfach mal so um, wie es Ihnen gefällt. Und plötzlich entsteht die Hoffnung nicht mehr durch Gottvertrauen, wie der biblische Text es nahe legt. Sondern durch Geduld und Ausdauer:

Wunschgemäße Umdeutung

Herausforderungen meistert man mit Geduld und Ausdauer. Und wenn wir erleben, dass Geduld und Ausdauer sich lohnen, dann macht das Mut. Und dann entsteht Hoffnung.

Abgesehen davon, dass dieser Schluss eben nicht aus der Bibelstelle hervorgeht: Geduld und Ausdauer sind nicht unbedingt immer und schon gar nicht pauschal der richtige Weg, um Herausforderungen zu meistern.

Es gibt durchaus auch Herausforderungen, die schnelles oder zumindest zeitnahes Handeln erforderlich machen. Während falsche vorschnelle Entscheidungen oft direkt fatale Folgen haben können, kann „Geduld und Ausdauer“ besonders mittel- und langfristig zu Problemen führen.

Oder, um auch mal Ihren Bezug zum Fussball aufzunehmen: Der Trainer muss je nach Spielverlauf entscheiden, ob bzw. wann er einen Spielerwechsel vornimmt. Oder eben nicht. Ein pauschales „Abwarten und Tee trinken“ hilft da herzlich wenig. Ebenso wie Gottvertrauen. Besonders absurd wird es, wenn in beiden gegnerischen Mannschaften Spieler oder Trainer auf göttliche Unterstützung vertrauen oder ihren Göttern für Erfolge danken…

Paulus empfiehlt: Geduld dank Gottvertrauen

[…] Herausforderungen mit Geduld begegnen – das empfiehlt Paulus.

Das empfiehlt Paulus, weil er sich und die Seinen als von seinem Gott bevorzugt wähnt. Seine Hoffnung gründet eben nicht auf Geduld und Ausdauer. Sondern auf dem Vertrauen auf göttlichen Support.

Ausdauer haben und herausfinden, was sich bewährt, auch wenn Multikulti anstrengend ist. Aus den Erfahrungen, die wir sammeln, wenn wir geduldig weitergehen, entsteht Hoffnung. Und diese Hoffnung geht nicht ins Leere. Sie ist die stärkste Kraft und die stärkste Motivation.

Diese Schlussfolgerungen erscheinen mir reichlich naiv. Dass „geduldig weitergehen“ nicht zwangsläufig die beste Lösung für alle Probleme sein muss, zeigt die heutige Weltlage.

Wer freilich davon ausgeht, dass das irdische Geschehen von einer überirdischen (wo auch immer das sein soll) Macht gelenkt wird, der hat strenggenommen gar keinen Grund, nicht einfach alles geduldig so hinzunehmen, wie es ist.

Ich stimme zu, dass Hoffnung eine starke Kraft und Motivation sein kann. Auch ich hoffe. Allerdings nicht auf Götter. Sondern auf die Entwicklungsfähigkeit der Menschheit.

Gottes Planet?

[…] Und noch viel mehr wünsche ich der Vielfalt hier auf Gottes Planeten Erfolg. Und ich wünsche, dass wir auf diesem Weg geduldig bleiben.

Nachdem Sie in Ihrem „Wort zum Sonntag“ Gott (besonders als Hoffnungsquelle) weitestgehend ausgespart haben, sprechen Sie jetzt plötzlich wieder von „Gottes Planeten“?

Welche Konsequenzen es hätte, wenn dieser Planet und das Leben darauf tatsächlich das Werk eines Schöpfers wäre, hatte ich oben schon kurz beschrieben.

Der allmächtige Allgütige wäre sofort wegen unterlassener Hilfeleistung zu verklagen, sollte er jemals in Erscheinung treten. Seine einzige Entschuldigung kann sein, dass er nicht existiert.

Wie erfolgreich die Menschheit dabei sein wird, die Erde zur Heimat einer friedlichen und fairen Bevölkerung weiterzuentwickeln, ist Sache der Menschheit selbst. Menschen müssen selbst abwägen, ob Geduld oder Handeln angesagt ist. Vorstellungen von Göttern, Geistern und Gottessöhnen sind dabei eher hinderlich als förderlich. Die Ziele, die die Menschen dabei verfolgen, müssen sie genauso selbst definieren wie die Wege, die zu diesen Zielen führen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag zum Thema Geduld, kaschiert mit ein paar Keywords zum Thema Fussball-WM.

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