Im Youtubekanal mitdenkend.de stellt ein evangelikaler Youtuber die an sich recht triviale Frage „Kann es etwas geben, das sich nicht naturwissenschaftlich nachweisen lässt?“
Einige Anmerkungen zu diesen „Argument“ hat Jori Wehner** zusammengefasst:
„Alle diese Physiker sind Christen – und haben deshalb kein Problem, auch von Dingen auszugehen, die man nicht naturwissenschaftlich nachweisen kann.“
Au backe.
Dieses Autoritäten-Argument ist so dermaßen schlecht. Kaum zu glauben, dass es hier ohne satirische Absicht vorgebracht wird. Glaube und Wissenschaft sind tatsächlich vollkommen unvereinbar.
Es sind gegensätzliche, antithetische, sich gegenseitig ausschließende Methoden, um Überzeugungen zu gewinnen.
„Es gibt aber auch gläubige Wissenschaftler!“ Wenn DAS ein Argument für eine Vereinbarkeit von Glaube und Wissenschaft sein soll – dann ist „Es gibt aber auch pädosexuelle Priester“ ebenso ein Argument für die Vereinbarkeit von Kindermissbrauch und christlicher Nächstenliebe.
Ja, es gibt gläubige Wissenschaftler. Ja, es gibt pädosexuelle Priester. Menschen können inkohärent handeln. Ja sogar vollkommen selbstwidersprüchlich und gegen ihre erklärten Prinzipien.
„Es ist sinnvoll, auch von solchen Dingen auszugehen, die venünftig begründbar sind – auch wenn sie nicht naturwissenschaftlich nachweisbar sind.“ Die letzten 200 Jahre Philosophie zeigen das Gegenteil. Seit Kants „Kritik der reinen Vernunft“ wissen wir, dass genau diese Methode falsch ist.
Es lassen sich beliebig viele, gut begründbare Annahmen über diese Welt ausfstellen. Davon sind fast alle unwahr.
Naturwissenschaftlich nachweisen: Evidenz
Nochmal: Beinahe ausnahmlos alle gut begründbaren Annahmen über diese Welt sind dennoch falsch. Die einzige Möglichkeit, die Wahrheit einer realitätsbeschreibenden Behauptung zu ermitteln, ist die Evidenz. Das ist sogar den Autoren der Bibel klar. Deshalb erfinden sie lauter hübsche Geschichten, in denen sie „Evidenz“ für Gott liefern.
Ihnen ist völlig klar: nur Evidenz (nur Beweise) können eine realitätsbeschreibende Behauptung sinnvoll stützen. Die gesamte „Argumentation“ in diesem Video zielt auf die Übertölpelung von Menschen, die kein kritisches Denken gelernt haben.
„Was die Naturwissenschaften nicht greifen können, das existiert nicht!“ – Da werde ich skeptisch. Natürlich. Da wird jeder vernünftig denkende Mensch skeptisch.
Elektrizität, Neutrinos, Gravitationswellen – das alles hat auch schon existiert, als die Naturwissenschaften es noch nicht „greifen konnten“.
- Freilich existieren real auch Dinge, die aktuell nicht naturwissenschaftlich greifbar sind.
- Außerdem schwirren eine Menge leere Behauptungen durch den Raum. (Behauptungen über kalte Fusion, über den luminiferosen Äther – oder Behauptungen über angeblich reale übernatürliche Wesen.)
Der Skeptiker sagt tatsächlich:
„Ich passe den Grad meiner Überzeugung an den Grad der vorliegenden Evidenz an. Möglicherweise gibt es kalte Fusion – oder Allah – oder Ganesha. Oder es gibt sie nicht. Solange es keine Evidenz für diese Thesen gibt, bleibe ich skeptisch. Nur so lassen sich reale Phänomene von leeren Behauptungen unterscheiden.
Vielleicht unterläuft mir dabei ein Fehler 2. Grades (Ich übersehe ein Phänomen, das dennoch real existiert). Aber das nehme ich in Kauf, um den viel wahrscheinlicheren Fehler 1. Grades zu vermeiden (Ich betrachte eine leere Behauptung, eine Unwahrheit als wahr).“
Und wenn wir ehrlich sind, machen es Gläubige genau so. Auch sie passen ihre Überzeugungen an den Grad der vorliegenden Evidenz an. Außer bei ihrer persönlichen Lieblingshypothese. Allah ist real! Krishna beschützt mich! Engel begleiten meinen Weg!
Da werfen sie alle epistemische Vorsicht über Bord und glauben naiv die fantastischsten Dinge. Weil es sich so schön anfühlt.
Gläubige weigern sich einfach, die denkbare Alternativhypothese in Betracht zu ziehen: Es gibt gar keinen Gott.
Der Skeptiker tut das. Gibt es einen Gott – oder nicht? Welche der beiden Thesen wird besser durch eine ergbnisoffene Betrachtung der Welt gestützt? Nur so lassen sich realitätsbeschreibende Fragen ehrlich und zutreffend beantworten. Das aber kommt für Gläubige gar nicht in Frage. Sie setzen einfach dogmatisch voraus, dass ihr Urteil unfehlbar ist.
*Quelle des Videos „Kann es etwas geben, dass sich nicht naturwissenschaftlich nachweisen lässt?“: Stephan Lange via Youtube
**Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Bitte beachte beim Kommentieren: