Fragt sie doch! – Das Wort zum Wort zum Sonntag zum Thema Gottvertrauen

Lesezeit: ~ 4 Min.

Fragt sie doch! – Das Wort zum Wort zum Sonntag von Christian Rommert zum Thema Gottvertrauen, veröffentlicht am 24.11.2018 von ARD/daserste.de

In seinem heutigen „Wort zum Sonntag“ berichtet Christian Rommert von seinem Opa. Der war während des 2. Weltkriegs in Russland. Und hatte die Familie per Feldpost darüber informiert, dass ihm sein Glaube trotz der unmenschlichen Situation Kraft gegeben habe:

[…] „Hier bei diesen Verhältnissen kann einem keine Macht der Welt helfen und trösten! Aber ich bin froh, dass ich Einen über mir habe, an den ich mich wenden kann und der einem Kraft gibt.“*

Je schlechter es Menschen geht, je auswegloser ihnen ihre Situation erscheint, desto eher sind sie bereit, auch auf Hoffnungen zu setzen, die lediglich hoffnungsvolle Illusionen sind.

Eine hoffnungsvolle Illusion – besser als nichts?

So in dem Sinne:

Bevor ich ganz verzweifle, bilde ich mir lieber ein, dass es wenigstens das von mir geglaubte magische Himmelswesen gut mit mir meint. Wenn mir dann doch mal irgendwas Positives widerfährt, werte ich das als Bestätigung, dass meine Hoffnung nicht nur Einbildung ist. Und für den Fall, dass es unausweichlich bergab geht, tröste ich mich mit der „Unergründlichkeit“ der Wege meines Herren. Oder damit, dass ich ihm ja nach meinem Tod gegenübertreten werde.

In solchen Momenten dürfte es für einen Christen dann auch ziemlich egal sein, dass sein Gott ja allmächtig, allwissend und allgütig sein soll. Abgesehen davon, dass sich diese Eigenschaften logisch ausschließen, würde das ja bedeuten, dass alles, was geschieht, genau so und nicht anders Teil des göttlichen Allmachtsplans sein muss. Ein Heilsplan, der offensichtlich auch Leid und Elend in allen erdenklichen Formen enthält.

Auch der Umstand, dass möglicherweise jemand auf der anderen Seite der Frontlinie (oder in der gegnerischen Hälfte des Fussballplatzes etc.) auf Unterstützung des nämlichen Gottes hofft, lässt Christen meist nicht ins Grübeln kommen.

In Schützengräben gibt es keine Atheisten?

Als Beleg für die positive Wirkung ihres Götterglaubens behaupten Christen gerne, dass es in Schützengräben keine Atheisten gäbe. Will heißen: In einer lebensbedrohlichen Situation (manchmal ist auch von einem abstürzenden Flugzeug oder einem sinkenden Schiff die Rede) klammert sich jeder Mensch an seine jeweilige Gottesvorstellung. Quasi als letzten Strohhalm. So das Argument.

Aber stimmt das wirklich? Nein. Wie die Webseite der Military Associacion of Atheists and Freethinkers zeigt.

Die Menschen, die auf dieser Webseite vorgestellt werden beweisen exemplarisch, dass Menschen auch (bzw. erst recht) ohne eine magisch-religiöse Wirklichkeitserweiterung in der Lage sind, auch extreme bzw. existentielle Krisensituationen zu bewältigen.

Herrn Rommerts Erkenntnisse

[…] Aber was ich jetzt schon bei meiner Suche gefunden habe, das ist mir sehr wertvoll. Erstens: Frage deine Eltern, solange sie leben. Frage sie, verpass nicht diese Chance! Und zweitens: Gott ist da. Auch in den schlimmsten Umständen. Für meinem Opa war diese Hoffnung eine Kraftquelle. Das kann ich auch als sein Enkel: mich in schwierigen Situationen an Gott wenden und bei ihm Kraft und Trost suchen.

Hier bedient sich Herr Rommert einmal mehr der altbekannten Masche: Hole dir erst die Zustimmung zu einer banalen Aussage. Und schiebe das, was aus rationaler Sicht keine Zustimmung bekommen würde, hinterher.

Natürlich ist es sinnvoll und sicher auch interessant, sich mit seinen noch lebenden Vorfahren zu unterhalten. Je mehr jemand über deren Lebensumstände und Erfahrungen weiß, desto besser kann er womöglich auch deren Verhalten einem selbst gegenüber nachvollziehen. Hier dürfte wohl jeder zustimmen.

Wer zum Beispiel erfährt, dass seine Vorfahren einer frühkindlichen religiösen Indoktrination ausgesetzt waren, kann besser verstehen, warum die Altvorderen es womöglich ein Leben lang nicht schafften, sich davon wieder zu befreien.

Gott ist da? Ja. Aber nur in der menschlichen Phantasie.

Anders sieht es mit der zweiten Behauptung aus. Nein, Gott ist nicht da. Jedenfalls nicht in der Form, wie Christen das behaupten. Voraussetzung, dass man bei etwas oder jemand von „da sein“ sprechen könnte, wäre zunächst mal dessen Existenz.

Oder zumindest etwas, das damit unzweifelhaft und nachprüfbar in einen ursächlichen Zusammenhang gebracht werden kann. Und selbst dann hätten wir es bis zum Beweis nur mit einer hypothetischen Idee zu tun. Nicht gerade das, was Gläubige unter ihren Göttern verstehen.

Solange das nicht der Fall ist, ist die Behauptung „Gott ist da“ das, was landläufig als Lüge bezeichnet wird. Sowas kann man natürlich behaupten. Denn behaupten kann man alles Beliebige. Aber dann sollte man nicht erwarten, von irgendwem ernst genommen zu werden.

Gott als mythologisches Phänomen

Was freilich sehr wohl da sein kann, ist die Vorstellung eines Gottes. Oder genauer: Die Einbildung eines Gottes. Für das Gottesvertrauen macht es keinen Unterschied, ob der jeweilige Gott überhaupt existiert bzw. ins Geschehen eingreift oder nicht.

Für Gläubige spielt es keine Rolle, dass sie bis zum Beweis des Gegenteils einem Bestätigungsfehler aufsitzen, wenn sie meinen, in ihrer Wahrnehmung das Wirken ihres jeweiligen Gottes erkennen zu können. Oder zumindest dessen wohlmeinende Absicht.

Sollte man sich also wie Herr Rommert in schwierigen Situationen an Gott wenden und bei ihm Kraft und Trost suchen?

Ich meine: Nein. Denn so grausam die Wirklichkeit mitunter auch sein mag: Gottvertrauen funktioniert höchstens so, wie die Droge für den Süchtigen funktioniert. Es verschafft dem Gläubigen eine bestenfalls hoffnungsvoll erscheinende Illusion. Diese hält so lange an, wie die Flucht aus der Realität in die – wodurch auch immer – vernebelte Scheinwirklichkeit andauert.

Gottvertrauen – eine Einbildung mit Risiken und Nebenwirkungen

Bei Licht betrachtet bedeutet Gottvertrauen, in einer schwierigen oder gar lebensbedrohlichen Situation auf etwas zu hoffen, das bis zum Beweis des Gegenteils nur in der menschlichen Phantasie existiert.

Wer das als tröstlich empfindet, mag sich göttliche Unterstützung natürlich gerne einbilden. Die Gedanken sind dank Aufklärung und Säkularisierung frei.

Problematisch kann es allerdings werden, wenn jemand auf Gottvertrauen setzt, statt sich mit den tatsächlichen Ursachen, Konsequenzen und Optionen auseinanderzusetzen.

Oder auch dann, wenn jemand meint, im vermeintlichen Auftrag und Namen seines Gottes andere Menschen bekehren oder töten zu müssen. Im vollen Vertrauen darauf, im Sinne seines Gottes zu handeln.

Ebenfalls fragwürdig finde ich es, wenn jemand Menschen dazu animiert, unbewiesene (und unbeweisbare) Behauptungen für wahr zu halten. „Gott ist da.“ ist zum Beispiel eine solche Behauptung.

Unkritische oder leichtgläubige Menschen könnten ihm auf den Leim gehen. Und auf die Idee kommen, dass diese, aber eben auch andere unbewiesene Behauptungen tatsächlich wahr sind.

Die Scheinerklärung „Gott ist da“ kann Menschen davon abhalten, Dingen auf den Grund zu gehen und zu versuchen, die tatsächlichen Zusammenhänge zu erforschen.

Wie unbrauchbar Gottvertrauen tatsächlich ist, kann man leicht daran erkennen, dass auch tief gläubige Christen für gewöhnlich nach links und rechts schauen, bevor sie eine viel befahrene Straße zu Fuß überqueren. Oder auch an den Blitzableitern auf Kirchendächern.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag zum Thema Gottvertrauen.

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