Warten auf …? Gedanken zu Sonntagsgedanken (Nachgedacht 293) von Christina Lander

Lesezeit: ~ 4 Min.

Auf den ersten Blick erscheint der heutige Beitrag „Warten auf …?“ genauso belanglos und trivial wie die letzten Nachgedacht-Artikel auch.

Die Autorin erklärt dem Publikum, dass man manchmal auf etwas warten muss. Und dass einem die Wartezeit mal kürzer und mal länger vorkommen kann.

Interessant wirds erst im letzten Absatz:

[…] Am treffendsten ist der Sinn des Weihnachtsfestes und warum wir es jedes Jahre aufs Neue feiern, worauf wir uns vorbereiten und warten sollten, wohl in diesem einen Satz von dem Lyriker Angelus Silesius ausgesagt: „Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren/ Und nicht in dir, du bleibst doch ewiglich verloren.“*

Ewiglich verloren

Sinngemäß lässt sich der hier zitierte Satz etwa wie folgt entnebeln und übersetzen:

  • Wenn du nicht bereit bist, den in der biblisch-christlichen Mythologie beschriebenen Gottessohn anzuerkennen, wird er dich deswegen mit zeitlich unbegrenzten physischen und psychischen Höllenqualen bei vollem Bewusstsein dauerfoltern.

Als „verloren“ gelten in den biblischen Mythen und Legenden stets die, die keine oder die „falschen“ Götter verehren.

Wie wichtig die Kundenaquise für den Erhalt der Herde ist, ließen die anonymen Bibelschreiber ihren Romanheld Jesus in Gleichnissen erklären. So freut sich da zum Beispiel ein Hirte über das eine „verlorene Schaf“, das wieder zurück zur Herde gefunden hatte mehr als über die restlichen 99 Schafe der Herde, die sich nicht „verirrt“ hatten.

Warten – worauf eigentlich?

Nun könnte man sagen: „Was kümmert es mich, ob mich irgendein Wüstengott (oder dessen zweites Drittel) für verloren hält?“  Klar: Faktisch ist das völlig irrelevant. Die Bestrafung durch ewige Höllenqualen für Nicht- oder Andersglauben ist bis zum Beweis des Gegenteils rein fiktiv. Genauso wie die für Gläubige in Aussicht gestellte angebliche Dauerbelohnung.

Allerdings gibt es ja auch Menschen, die diese Mythen tatsächlich für wahr halten. Und dann können auch noch so absurde Mythen durchaus das Denken und Handeln beeinflussen. Denn wer wirklich glaubt, dass Menschen verloren seien, wenn sie eine bestimmte Gottheit nicht anerkennen, der wird sich diesen Menschen gegenüber womöglich auch anders verhalten.

Das Kriterium, ob bzw. welche Götter jemand verehrt, mag vielleicht für den eifersüchtigen Bibelgott von Belang sein. Aus irdisch-menschlicher Sicht kommt es jedoch nur darauf an, wie sich jemand zu Lebzeiten seinen Mitlebewesen und seiner Umwelt gegenüber verhalten hat.

Subtile Angstgefühle

Und was die Gläubigen selbst angeht: Eine dauerhafte, mehr oder weniger subtil wahrgenommene Angst, selbst „verloren“ gehen zu können, wirkt sich sicher ebenfalls nicht gerade positiv auf die eigene Psyche aus. Gleiches gilt für die diesbezügliche Sorge um (verstorbene) Angehörige. Stichwort: Fegefeuer.

Die Spaltung der Menschheit in Gut (wir, die, die erlöst werden, weil wir an den „richtigen“ Gott glauben) und Böse (die, die durch Höllenqualen bestraft werden, weil sie nicht an den „richtigen“ Gott glauben, also die, die „verloren“ sind) ist ein, wenn nicht der grundlegende sozio-kulturelle Aspekt (monotheistischer) Religionen.

Diese Spaltung hatte und hat immer wieder direkt und indirekt negativen Einfluss auf das friedliche Zusammenleben der Weltbevölkerung.  Wie nicht nur ein Blick in die 10bändige Kriminalgeschichte des Christentums erschreckend eindrucksvoll beweist.

Die Geburtslegende ist irrelevant

Sollte der Mensch, dessen Biographie den Bibelschreibern als Vorlage für ihre Jesusmythen gedient hatte, tatsächlich irgendwann in Betlehem geboren worden sein, dann war das ein einmaliges Ereignis. Wie jede andere Geburt auch.

Auch wenn die Christenschar diese Geburt inzwischen nicht nur tausend- sondern schon fast zweitausend Mal gefeiert hat, wird aus diesem Jesus noch lange nicht der Gottessohn, als der er dargestellt wird.

Für die Beantwortung der Frage, wer sich heute zum biblisch-christlichen Gott bekennt und wer nicht, spielt diese Geburtslegende ohnehin keine Rolle. Eine bestimmte Religion verbreitet sich nicht, weil sie wahrer oder besser ist als Konkurrenzprodukte. Sondern in erster Linie durch Kriege und Landnahme.

In wessen Herzen heute welche Gottessöhne „geboren“ werden, ist in erster Linie eine geographische, zeitliche und politische Frage.

Worauf warten Christen eigentlich?

Warten auf ...?Bis heute warten Christen darauf, dass ihr Gott wieder auf die Erde zurückkehrt. Der biblische Jesus hatte dieses Ereignis ja als unmittelbar bevorstehend angekündigt.

Die Frage, wie sich ein allmächtiger allwissender Gott so gründlich irren konnte, stellen sich Christen zumeist nicht. Und verweisen, wenn man sie danach fragt, einmal mehr auf die Unergründlichkeit der Wege ihres magischen Himmelwesens.

Liest man die Schilderungen in der biblischen Offenbarung ohne religiös-nebulöse Immunisierung und Einbildung („mich betriffts nicht, ich gehöre ja zu den Guten…“), dann ist dieses, als „Jüngstes Gericht“ angekündigte Ereignis keineswegs etwas, was man mit Freude erwarten sollte.

Warten – auf den Weltuntergang

Vielen Christen scheint nicht bewusst zu sein, dass diese gnadenlose Endabrechnung gleichzeitig auch als das qualvolle Ende des Lebens auf der Erde beschrieben wird.

In einer unvorstellbar grausamen Gewaltphantasie beschreibt der offenbar geisteskranke und/oder drogenberauschte Autor in der „Offenbarung„, wie sich die Menschheit zunächst gegenseitig abschlachtet, nachdem ihr vom göttlichen Reiter der Friede genommen worden war. Es folgt eine seitenlange, detaillierte Beschreibung, wie Gott die Menschheit nach und nach zu Tode quält.

Der christlichen Mythologie zufolge gehen alle Menschen dann schließlich in einen bizarren Dauerzustand über. Ob sie diesen als angenehm oder als quälend empfinden, hängt davon ab, ob sich jemand zu Lebzeiten dem „richtigen“ Gott unterworfen hatte (vgl. Mk 16,16).

…und was wird aus den „Verlorenen“?

Was dabei mit den Menschen geschieht, die zeitlebens nie von diesem Gott gehört hatten, ist unklar. Oder auch mit denen, die vor Erfindung der abrahamitischen Mythologie geboren worden waren. Genauso wie die Antwort auf die Frage, was Neandertaler oder Vorgänger des Homo sapiens beim göttlichen Gericht erwartet.

Ob Gläubige nun auf die Rückkehr ihres Gottessohns, auf göttlich veranlasste Befriedigung ihres (männlichen) Sexualtriebes oder auf die Erfüllung sonstiger Heilsversprechen warten: Die einzig tatsächlich relevante Frage ist, ob und wenn ja, wie sich eine solche künstlich geschaffene Erwartenshaltung auf ihr Verhalten auswirkt. Im Diesseits.

Schon unzählige Menschen haben von sich behauptet, der zurückgekehrte Gottessohn zu sein. Bis jetzt ist es noch keinem gelungen, diese Behauptung zweifelsfrei zu belegen. Und so wird das Warten wohl noch eine Weile andauern…

*Der als Zitat gekennzeichnete Abschnitt stammt aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag „Warten auf …?“.

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