Josef von Nazaret – der neue Mann? – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 6 Min.

Josef von Nazaret – der neue Mann? – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht von ARD/daserste.de am 26.12.2020

Darum geht es

Diesmal bemüht sich Frau Eichert, der biblischen Gestalt des Josef irgendetwas Sinnvolles oder Erbauliches abzuringen. Mit mäßigem Erfolg.

Josef im Abseits

Nach etwas Plauderei über ihre Kindheitserinnerungen an eine Krippe mit einem etwas im Abseits stehenden Josef fasst Frau Eichert die biblische Geburtslegende zusammen:

[…] Eigentlich wollte der Zimmermann Josef mit seiner Verlobten eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Eigentlich… Dann wurde Maria plötzlich schwanger – allerdings nicht von ihm. Josef will sich von ihr trennen. Doch da hat er einen Traum mit einer Botschaft: Er soll sich nicht trennen, weil da Gott im Spiel ist. Josef folgt seinem inneren Eindruck. Bleibt mit Maria zusammen, übernimmt Verantwortung, auch für das Kind. Er wird dem Kind zum sozialen Vater, würde man heute sagen. Er hat sich gekümmert.

Kurz nach der Geburt muss die junge Familie fliehen. Der machtgeile König Herodes will Jesus umbringen lassen. Im Traum wird Josef vorgewarnt – und so schafft er mit seiner Familie gerade noch rechtzeitig die Flucht ins Nachbarland.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Josef von Nazaret – der neue Mann? – Wort zum Sonntag, verkündigt von Lissy Eichert, veröffentlicht von ARD/daserste.de am 26.12.2020)

Vorab: In der wissenschaftlich betriebenen Bibelforschung herrscht praktisch kein Zweifel darüber, dass es sich bei den beiden biblischen Geburtsschilderungen um zweckmäßig zurechtkonstruierte Legenden handelt. Zu groß und zu zahlreich die Widersprüche und die Parallelen zu Geburtsmythen anderer angeblicher Göttersöhne. Und zu offensichtlich die Versuche, die Geschichte auf Biegen und Brechen wie eine Erfüllung früherer Prophezeiungen aussehen zu lassen.

Geburtslegende – oder historische Schilderung?

Magnificat
Quelle: quickmeme.com

Natürlich finden sich auch religiös ambitionierte Theologen, die sich für ihre Wunschvorstellung, die biblischen Geschichten seien plausible Schilderungen von tatsächlichen Ereignissen allerlei Bewältigungsstrategien ausgedacht haben.

Dabei verweisen sie gerne auf die teilweise erstaunlich detaillierten Beschreibungen von historisch belegbaren Orten, Personen oder Ereignissen.

Gleichzeitig erklären sie die zahllosen Widersprüche zwischen den Evangelien zum Beleg dafür, dass hier ja offenbar keine Absprachen stattgefunden hätten.

Dass allerdings detaillierte Angaben (historisch oder erfunden) auch gerade eben deshalb eingefügt worden sein könnten, um den Anschein zu erwecken, es handle sich auch bei den offensichtlich mythologischen und damit frei erfundenen Erzählungen um belegte oder belegbare Ereignisse, scheint sie nicht ins Grübeln zu bringen.

Aber zurück zur biblischen Binnenlogik und zu Josef.

Josef von Nazaret, Zimmermann und Traumfänger

Laut biblischer Legende hatte Gott Josef also im Traum über seine Funktion aufgeklärt.

Welche Option erscheint plausibler:

Dass Josef, von dem nicht mal in der Bibel auch nur ein einziges Wort überliefert wurde irgendwem von seinem Traum erzählt hatte, der dann diese Information für so bedeutsam gehalten hatte, dass sie über Jahrzehnte mündlich weitergegeben worden war, bis sie schließlich im Evangelium landete?

Oder aber, dass sich die anonymen Bibelschreiber das alles einfach nur ausgedacht hatten? Weil ihnen schon dämmerte, dass ohne eine solche göttliche Traum-Eingebung das Verhalten des Josef schwer erklärbar wäre?

Aus heutiger Sicht erscheint schon allein dieser Kommunikationsweg freilich völlig absurd und hanebüchen. Zu dieser Zeit gehörte magisches Denken aber noch als fester Bestandteil zur Weltanschauung dieser Menschen. Ah, der allmächtige Gott hats ihm im Traum gesagt. Alles klar, klingt plausibel.

Unabhängig von der offensichtlichen Legendenhaftigkeit dieser Geschichte stellt sich die Frage, wie das Verhalten eines solchen Gottes ethisch zu bewerten wäre, wenn es ihn gäbe:

Maria und Josef hatten keine Wahl

Tischlerei Josef von Nazareth. Quelle: motivated.de
Quelle: Motivated* | Fb | Insta | Twitter

Mit welchem Recht darf ein Gott eine Frau (bzw. im Falle von Maria: eher ein Mädchen) „erwählen“, um sie ungefragt zu schwängern, um sich so von ihr einen Sohn zeugen zu lassen?

Maria war ja nicht etwa gefragt worden, ob sie von einem Geist befruchtet werden möchte. Das Ereignis heißt in der Bibel „Mariä Verkündigung“ und nicht „Mariä Befragung.“

Denn dass sie göttliche Leihmutter werden würde, war ihr laut biblischer Legende keineswegs als Option angeboten worden. Und auch Josef hatte offenbar keine andere Wahl, als die göttliche Anweisung widerspruchslos hinzunehmen.

Spätere Bibelstellen berichten davon, dass die Familienverhältnisse wohl nicht wirklich einfach waren: Seine eigenen Angehörigen hielten Jesus für verrückt. Und dieser hatte für Familie auch nicht viel übrig, wollte nichts mit seinen Angehörigen zu tun haben, verleugnete sie und schickte sie weg.

Kein Wunder: Er kündigte ja selbst an, keinen Frieden, sondern Streit und Spaltung in Familien bringen zu wollen.

…und dann nahm die Unheilsgeschichte ihren Lauf

Josef, der Handwerker, hat Geschichte geschrieben. Heilsgeschichte.

Ob die Figur des Josef tatsächlich einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschichte hatte, halte ich für fragwürdig. Fest steht, dass diese Geschichte bis zum heutigen Tage sicher keine Heils-, sondern in erster Linie eine Unheilsgeschichte ist.

Nach wie vor warte ich auf eine schlüssige, unter Christen allgemein anerkannte Erklärung dafür, worin konkret dieses immer wieder beschworene Heil bestehen soll, wie es sich äußert und wer (außer den Kirchenkonzernen) davon profitiert.

Fest steht: Es war nicht Josef, der diese Geschichte geschrieben hatte. Er war in die Geschichte hineingeschrieben worden.

Empfindsam – oder einfach nur gehorsam?

Hätte der Mann aufgegeben nach der geheimnisvollen Schwangerschaft seiner Liebsten, nach Herbergssuche, Flucht und Exil: Die Jesus-Geschichte wäre zumindest so nicht weitergegangen. Aber er ist drangeblieben – das fasziniert mich. Gott spricht, und Josef lässt sich darauf ein. Er stellt sich zur Verfügung. Ist empfindsam seinem Gewissen gegenüber, das ihn – wie eine Nabelschnur – mit Gott verbindet.

Empfindsam seinem Gewissen gegenüber? Wohl eher gehorsam seinem Gott gegenüber…

Wer an einen allmächtigen, eifersüchtigen Rachegott wie Jahwe glaubt tut gut daran, dessen Anordnungen nicht in Frage zu stellen.

Hier scheint es sich um eine wunschgemäße Interpretation von Frau Eichert zu handeln. Die sich offenbar einen Stiefvater für ihren Gottessohn wünscht, der aus eigenen Stücken empfindsam und verantwortungsbewusst ist.

Aber wie schon geschrieben: Laut biblischer Mythologie war seine Rolle Josef nicht angeboten, sondern nur mitgeteilt, auferlegt worden.

Josef, eine verhinderte „Rampensau“?

Ein interessanter Mann, der es nicht nötig hatte, im Rampenlicht zu stehen.

Woher wissen Sie das, Frau Eichert? Können Sie ausschließen, dass Josef vielleicht sehr gerne im Rampenlicht gestanden hätte? Und dass die Darstellung seines Verhaltens und Auftretens nicht einfach nur der Rolle entspricht, die sich die Bibelschreiber für ihn ausgedacht hatten?

Was hat wohl ihm Zuversicht, innere Gewissheit gegeben? Ist es, weil Josef seiner Bestimmung gefolgt ist? Er hat Gott seine Mitarbeit angeboten.

Es war ihm ja wohl auch nichts anderes übrig geblieben…

Deshalb konnte Gott durch ihn wirken – inmitten aller Widrigkeiten. Vielleicht war ja auch „heiliger Trotz“ dabei, jene Bockigkeit, wie sie in der Bibel steht: „Mag Krieg gegen mich toben, ich bleibe dennoch voll Zuversicht.“

Wie wir dem hier zitierten Psalm 27 entnehmen können, gründet diese Zuversicht auf dem Vertrauen auf das göttliche Versprechen, alle Feinde des Betenden gnadenlos zu vernichten. Wenn dieser nur fest an ihn, den lieben Gott glaubt.

So wirkt Gott – inmitten aller Widrigkeiten. Und noch schlimmer (und im Vergleich zu einer göttlichen Wirkung leider auch real) ist die Wirkung auf (und in der Folge auch die Wirkung der) Menschen, die sowas glauben.

Zusammenspiel von Gott und Mensch?

Dennoch dranbleiben. Josef hatte begriffen, dass Gott ihn genau in dieser Situation brauchte.

Hatte er das? Oder war ihm, wie schon geschrieben, einfach gar nichts anderes übrig geblieben, als sich seinem Schicksal auf göttliche Anordnung hin zu fügen?

Wie so ein Zusammenspiel zwischen Gott und Mensch funktioniert? Ich denke, dabei kommt es auf die Offenheit an: dass ich mich in aller Zwiespältigkeit des Lebens offen halte für die Anwesenheit Gottes. Im Horchen auf die Stimme Gottes verliere ich mich nicht im Chaos, sondern finde Halt in Krisen – denn Gott ist mit im Spiel.

Quelle: Netzfund
Quelle: Netzfund

Wenn ein Gott allmächtig ist, dann ist er nicht „mit im Spiel.“ Denn dann wäre er selbst das „Spiel.“ Wenn es ihn gäbe.

Die Aufgabe des Gläubigen besteht darin, den chronischen Bestätigungsfehler der Religion ihrer Eltern (sehr viel seltener: der Religion ihrer Wahl) zu übernehmen, ihn zu trainieren und zu kultivieren, irdische Geschehnisse stünden in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem in seiner Religion festgelegten magischen Götterwesen.

Wie ein erwachsener, geistig gesunder Mensch im 21. Jahrhundert in einem Land mit Schulpflicht so etwas als probates Mittel zur Krisenbewältigung empfinden kann, erschließt sich mir nicht. Und trotzdem sei es natürlich allen Leuten selbst überlassen, was sie für sich als hilfreich, stabilisierend und tröstlich empfinden. Selbst dann, wenn es so etwas Absurdes wie die biblische Mythologie ist.

…und was hat das mit dem biblischen Josef zu tun!?

Damit könnten vielleicht auch Väter von heute etwas anfangen, die – ähnlich dem biblischen Josef – überrascht oder ratlos oder frustriert sind: Geduld und Umsicht sowohl mit der Partnerin als auch mit dem Kind tun sicher allen gut.

Was hat das denn mit der biblischen Josef-Legende zu tun? Nüscht, wie es ein Josef aus Berlin sagen würde. (Spoiler: Frau Eichert wird diese Formulierung gleich auch noch verwenden! So funktionieren biblische Prophezeiungen!).

Dieser Satz von Frau Eichert belegt, dass die biblische Mythologie auch in diesem Fall für die Gegenwart völlig irrelevant, ja sogar widersprüchlich ist. Denn Väter sollten ja auch ohne irgendwelche angeblich göttlichen Einflüsterungen Geduld und Umsicht üben.

Hier geht es um rein menschliche Eigenschaften wie Empathie und Verantwortungsbewusstsein. Das hat mit fiktiven Kriegsgöttern aus dem Orient nichts zu tun.

Väter sollen sich nicht irgendwelcher Götter, sondern ihrer Kinder und ihrer Partnerin oder ihres Partners wegen ordentlich verhalten.

Und dem Leben trauen, weil Gott „mittenmang“ ist, wie es ein Josef aus Berlin sagen würde.

Diesem Satz kann ich zustimmen, wenn ich das „…weil Gott ‚mittenmang ist’…“ ersetze durch „…weil kein einziger Gott ‚mittenmang‘ ist…“.

 

*Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Motivated auch auf Facebook , Twitter und Instagram

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2 Gedanken zu „Josef von Nazaret – der neue Mann? – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Der interessante Teil an dieser Story ist immer noch der:

    Warum wusste Herodes von der Geburt, des „Heilands“, der ja angeblich so heimlich und verborgen geboren wurde?
    Hat „Yahweh“ der „allmächtige“ ihm vielleicht auch ne Nachricht im Traum zukommen lassen, nur um die Spannung des Märchens aufrecht zu erhalten?!

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  2. Was für ein fürsorglicher Mann. Schleppt seine hochschwangere Verlobte durch halb Palästina zu einer Volkszählung, die nie stattgefunden hat und wo Frauen sowieso nichts verloren hatten. Auch noch ohne vorher ein Zimmer zu reservieren und eine Hebamme mitzunehmen. MEINE Schwiegermutter hätte mich dafür gesteinigt. Wahrscheinlich hat er gehofft, dass sie das Kind dadurch verliert. Oder der schlaue Josef hat sich gedacht, wenn sie das Kind verliert, dann war es mit Sicherheit nicht von Gott, wenn nicht, dann vielleicht doch ! klingt doch recht plausibel, odr ? (wenn wir schon am Spekulieren sind).

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