Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Patronin und Gebet der Radfahrer

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Gedanken zu: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Patronin und Gebet der Radfahrer, veröffentlicht am 01.09.21 von osthessennews.de

Darum geht es

Bei seiner morgendlichen Radtour sinniert Stadtpfarrer Buß über die Patronin der Radfahrer. Mit seinem Bittgebet speziell für Radfahrer wendet er sich dann aber doch lieber direkt an seinen Gott persönlich.

Schutzheilige sind die Halbgötter der katholischen Mythologie

Wenn ich hier so auf dem Fahrrad sitze, kommt mir der Gedanke: Wer ist eigentlich der Schutzpatron der Radfahrer. Manche meinen es wäre der heilige Christopherus. Wer allerdings ein wenig recherchiert, wird sehr schnell den Namen „Madonna del Ghisallo“ finden. 1949 hat Papst Pius XII. jene Madonna del Ghisallo zur Schutzheiligen für Radfahrer ernannt.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Impulse von Stadtpfarrer Stefan Buß: Patronin und Gebet der Radfahrer, veröffentlicht am 01.09.21 von osthessennews.de)

In nicht-monotheistischen Religionen sind die „Zuständigkeiten“ auf mehrere Götter verteilt. Entweder direkt auf „oberster Ebene.“ Oder in Form einer „mittleren Führungsebene“, wo zahllose Halbgötter jeweils für bestimmte Bereiche des täglichen Lebens erfunden worden waren.

Schutzheilige: Wichtig für die Volksfrömmigkeit

Durch die Erfindung von „Schutzheiligen“ war es der katholischen Kirche möglich geworden, das Bedürfnis ihrer Schäfchen nach einer solchen Art zweckgebundener „Zwischengötter“ zu befriedigen, wie sie im Monotheismus ja eigentlich ausdrücklich nicht vorgesehen sind.

Auch war es mit Heiligenfiguren möglich, das biblische Verbot von Gottesdarstellungen zu umgehen. Endlich hatten die Gläubigen Figuren, Statuen, Bilder oder Reliquien aller Art, zu denen sie pilgern und die sie verehren konnten.

Sogar weibliche Halbgottheiten konnten so ins patriarchialische Glaubenskonstrukt hineingeschmuggelt werden, ohne dass der liebe Gott jemals Anstoß daran genommen hätte.

Besonders zur Festigung der Volksfrömmigkeit konnten die Heiligen sicher einen noch größeren Beitrag leisten als die sonst üblichen Darstellungen von Lämmern, Tauben, Augen oder eines sterbenden Menschen im Todeskampf.

Mit diesem Trick überlisten Sie jeden Monogott!

Damit ihr eifersüchtiger Gott nicht gleich wieder seinen nächsten Tobsuchtsanfall wegen Missachtung seines Exklusiv-Anspruches auf Verehrung bekommt, hat man sich den Trick der „Fürbitte“ einfallen lassen:

Man erzählt den Gläubigen einfach, dass sie ihre Anrufung von Halbgöttern so formulieren sollen, dass sie nicht diese direkt um irgendetwas bitten. Sondern darum, dass die Heiligen den dauerbeleidigten Oberboss im Namen und Interesse der Bittenden um Schutz, Heilung oder was auch immer anflehen mögen. Klar, die sind ja auch einfach näher dran am Chef…

Geht der Wunsch in Erfüllung, dann wird das als untrügliches Zeichen für die Wirksamkeit dieser Fürbitte gewertet. Dann hat zum Beispiel die „Madonna del Ghisallo“ geholfen, Gott davon zu überzeugen, dass ein verunfallter Radfahrer „auf wundersame Weise“ seinen Unfall doch noch überlebt hat. Wer will schon das Gegenteil beweisen können?

Und die vielen Fälle, in denen das nicht wie erbeten oder erhofft geklappt hatte, ignoriert man entweder. Oder man schreibt sie dem mangelnden Glauben der Betroffenen oder Bittenden zu.

Wenn man das über einen längeren Zeitraum so betreibt, dann sammeln sich immer mehr vermeintliche Beweise für die Wirksamkeit der Fürbitte. Und der oder die Heilige steigt immer weiter im Wert.

Ich habe jedenfalls noch niemals auf einer Votiv-Tafel gelesen: „Die Hl. Maria von Schmerlenbach hat trotz inständiger und aufrichtiger Anrufung nicht geholfen.“

Außerhalb ihrer eigenen Mythologie können auch Christen solche offensichtlichen kognitive Verzerrungen oft erstaunlich gut als solche identifizieren. Nur innerhalb ihres eigenen Glaubenskonstruktes tun sie sich mitunter sehr schwer.

Wallfahrtsorte: Religiöse Profitcenter

Ein weiterer, ganz profaner, aber umso bedeutsamer Effekt der Heiligenverehrung ist der Umstand, dass sich damit eine äußerst lukrative Einnahmequelle erschließen lässt: Lourdes, Medjugorje, Fátima, Walldürn: Ihre Bekanntheit haben diese Orte einzig der Heiligen- bzw. Reliquienverehrung zu verdanken.

Man muss nur genügend Leute dazu bringen, an die jeweilige Legende oder zumindest die angebliche „Wunderkraft“ des jeweiligen Ortes zu glauben. Das kann dann dazu führen, dass irgendein kleines Provinznest von riesigen Umsätzen profitiert, die mit dem Verkauf einer Fiktion generiert werden.

Und dazu braucht es gar kein aufwändiges „Disneyland.“ Manchmal genügt ein ungewaschenes Bettlaken, ein paar Knochen oder eine Heiligenstatue.

Wie sowas in der Praxis funktioniert (oder auch nicht), zeigt der sehenswerte Film „Wer’s glaubt wird selig.“

Wunder als Beweis für Heiligkeit

Die Kriterien für eine Heiligsprechung in der katholischen Kirche sind genau festgelegt: Mindestens zwei „Wunder“ müssen dokumentiert sein, damit ein Papst irgendwen heiligsprechen kann.

Naturgemäß liegt die Messlatte, was denn als „Wunder“ ankerkannt werden kann äußerst niedrig.

So auch im von Radpfarrer Buß erzählten Beispiel:

Einer Legende nach reiste Graf Ghisallo durch den Ort Magreglio in der Lombardei. Von einem Moment zum anderen wurde er von Räubern überrascht. In seiner Verzweiflung entdeckte er das Bild der Jungfrau Maria in einem Strassenschrein und versteckte sich vor den Räubern dahinter. Und während er betete, gingen die Angreifer auf wunderbare Art und Weise vorüber und so konnte der Graf letztendlich entkommen.

Eine Einschätzung dieser Schilderung und vorallem eine Bewertung der Beweiskraft dafür, dass hier der allmächtige allwissende Schöpfer des Universums seine Finger im Spiel gehabt haben muss, weil jemand ein Heiligenbild beauftragt hatte, diesen um Schutz zu bitten, überlasse ich der geschätzten Leserschaft.

Wenn mein Sportidol daran glaubt, glaube ich es natürlich auch!

Nach dem Zweiten Weltkrieg schon wurde sie immer öfter Halt- und Raststätte für Radfahrer. Seit der offiziellen Ernennung von Madonna del Ghisallo zur Schutzpatronin pilgern auch große Stars des Radsports dorthin.

Wenn Leute mit großer Reichweite, wie hier „große Stars des Radsports“ solche Verehrungsstätten aufsuchen, dann steigert das die Bekanntheit natürlich noch zusätzlich.

Und Gläubige „einfachen Geistes“ bestärkt es sicher auch in ihrem Glauben, wenn ihre Sportidole ihre eigene Realitätsflucht teilen. Plausibilität spielt dabei keine Rolle.

„Radfahrer-Gebet“

Ich möchte meinen Weg heute Morgen hier weiter fortsetzen, aber ich möchte noch das Gebet der Radfahrer beten. Gott, wir sind auf dem Weg. Wir wollen diesen Weg zurücklegen. Schenke uns gute Begegnungen mit anderen Menschen. Lass uns Ort der Ruhe finden. Bewahre uns vor Unfällen und sei bei uns, wenn wir eine Panne haben. Sei bei uns, wenn es regnet und wenn die Sonne scheint. Lass uns offene Menschen treffen. Lass uns so auch immer wieder einander begegnen mit Offenheit. Lass uns unser Ziel nicht verlieren, weder das heutige noch das Ziel unseres Lebens. Guter Gott, sei bei uns an diesem Morgen, begleite uns heute an diesem Tag und lass uns den Abend als neue Menschen erleben. Amen.

Gegen all diese Wünsche ist grundsätzlich freilich nichts einzuwenden.

Die Frage ist nur, wie bei jedem Bittgebet, wie sinnvoll es sein kann, sich mit diesen Bitten an einen Gott zu wenden, der sowieso schon allmächtig, allwissend und allgütig sein soll.

Bis jetzt konnte mir noch kein Gläubiger schlüssig und verständlich erklären, wie er sich die Funktionsweise eines Bittgebetes konkret vorstellt.

Absurde Annahmen

Wer diesen Gott zum Beispiel darum bittet, ihn vor Unfällen zu bewahren und bei Bedarf als Pannendienst zu fungieren, der muss ja von mehreren Annahmen ausgehen:

Der jeweils geglaubte Gott existiert. Außerdem registriert er ständig sämtliche Bitten an ihn, die weltweit ausgesprochen oder auch nur gedacht werden.

Desweiteren hat er irgendeine Logik, nach der er entscheidet, welche Bitten er „erhört“ und welche nicht. Und wenn er sich dazu entschließen sollte, einer Bitte Folge zu leisten, müsste er seinen ewigen göttlichen Allmachtsplan ändern und im Interesse des Bittenden aktiv (direkt oder zumindest indirekt) ins irdische Geschehen eingreifen.

Sollte er sein Eingreifen davon abhängig machen, ob er erst ausreichend unterwürfig darum gebeten wurde, zum Beispiel einen eigentlich göttlich geplanten Unfall zu verhindern, dann wäre dieser Gott nichts anderes als ein selbstsüchtiger Sadist. Ein solcher Gott wäre nicht allgütig, sondern egomanisch.

Wie stellen Sie sich das konkret vor, Herr Buß?

Fragt man bei Gläubigen diesbezüglich nach, bekommt man oft zur Antwort, dass ihr Gott doch keine „Wunschmaschine“ sei, bei der man sich irgendwas wünschen könne. Das sei ja eine typisch atheistische, kindlich-naive Vorstellung.

Aber genau das tun sie dann ja doch, wenn sie ihrem Gott mit ihren Banalitäten die Ohren vollheulen: Sie verzwecken ihren Götterglauben für ihre eigenen Belange.

Dabei wenden sie sich ausgerechnet an den Gott, der trotz Allmacht und Allgüte nicht in der Lage oder Willens ist, zum Beispiel Kinder vor der Vergewaltigung durch pädokriminelle Priester zu beschützen. Oder sonst irgendein Leid auch nur eines einzigen emfpindungsfähigen Lebewesens zu lindern oder gar zu verhindern.

Radfahrer-Gedanken

In diesem Sinne wünsche ich allen einen gesegneten Tag. Ich werde jetzt meine Fahrt fortsetzen und mit den Eindrücken dieses Morgens dann in diesen Tag starten.

Vielleicht tragen ja die Bewegung an der frischen Luft, der Fahrtwind und die hier dargelegten Gedanken dazu bei, die Sinnhaftigkeit des heutigen Impulses nochmal kritisch zu überdenken und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen.

Konsequenzen, die für einen, der mit der Verbreitung dieses Glaubenskonstruktes sein Geld verdient freilich gravierender ausfallen als bei einem Gläubigen, der halt einfach irgendwann mal aufhört, unsinnigen Quatsch zu glauben.

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