Die Bedeutung von „Umständlich“ – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 10 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Die Bedeutung von „Umständlich“, verkündigt von Benedikt Welter, veröffentlicht am 25.2.23 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Mit dem Begriff "Umständlich" aus einer Bach-Kantate als Strohmann breitet Pfarrer Welter umständlich vernebelte Gottesphantasien aus.

Künstlerische Freiheit – des Publikums

„Kein Tach ohne Bach“. Also: Kein Tag ohne Bach, den großen Komponisten Johann Sebastian. Seine Musik spricht an, und seine Texte haben was zu sagen; auch heute noch.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wort zum Sonntag: Die Bedeutung von „Umständlich“, verkündigt von Benedikt Welter, veröffentlicht am 25.2.23 von ARD/daserste.de)

Ob eine Bach-Kantate, Cocaine oder Highway to Hell: Musikgenuss ist auch völlig unabhängig davon möglich, mit welcher Intention ein Komponist sein Werk erschaffen oder er seine Texte ursprünglich verfasst hatte.

Umständlich: Bach-Kantaten
Bach-Denkmal

Diese Freiheit halte ich, ebenso wie die Freiheit des Künstlers, für einen wichtigen Aspekt der Kunstfreiheit. Sie gilt genauso auch zum Beispiel für Menschen, die sich für Sakralarchitektur begeistern, obwohl sie Glaube, Religion und Kirche womöglich sogar verachten.

Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich jedenfalls bestätigen, dass man sich auch als Glaubens-, Religions- und Kirchenkritiker zum Beispiel für Bachs Brandenburgische Konzerte begeistern kann, wenn einem gerade der Sinn nach zweifellos beeindruckender (wenn auch mitunter enervierender) barocken Virtuosität steht.

Ja, sogar dieses Glaubens- Religions- und Kirchenkritische „Wort zum Wort zum Sonntag“ entsteht gerade mit Inspiration und Begleitung durch eben diese Konzerte!

Musikalische Risiken und Nebenwirkungen

Und genauso wenig, wie man durch den Genuss von „Satanischer Rockmusik“ unweigerlich auf die schiefe Bahn gerät (wovor wir als Schüler früher noch von einem eigens zu diesem Thema zum Vortrag eingeladenen evangelischen Vollhonk[1]Die beim abendlichen Vortrag anwesenden Eltern hatten den Ausführungen des selbst ernannten Rock-Experten („…und jetzt hören wir uns das mal rückwärts an…!“) bis zum … Continue reading eindringlich gewarnt worden waren), besteht beim Hören von Bach-Kantaten die Gefahr, plötzlich doch (wieder) mit dem Glauben zu beginnen.

Zurück zu Herrn Welter: Wenn Herr Welter gern Bach hört, wieso dann nicht auch jeden Tach.

Weil das „Wort zum Sonntag“ keine Kunst-, sondern eine Kirchensendung ist, geht es natürlich auch diesmal nicht primär um Musik. Sondern um den Glaubensinhalt.

Umständlich angesehen

Letzten Samstag habe ich in Berlin einen Kantatengottesdienst mitgefeiert. Ein Satz in der Kantate vom Sonntag hat es mir angetan: „Der du von Ewigkeit in der Entfernung schon mein Herzeleid und meine Leibespein umständlich angesehn …“ Das singen zwei Frauenstimmen. Ein mehrstimmiges ICH also.

Ob die Interpretation von Herrn Welter tatsächlich der Intention von Bach entspricht, diese Zeilen zweistimmig singen zu lassen, konnte ich nicht herausfinden.

Bei Herrn Welter jedenfalls wird aus zweistimmig gleich mal mehrstimmig, aus den zwei „ichs“ werden „ungezählte ‚Ich‘ Stimmen.“

Kurz noch die Ukraine…

Da es ja um „Herzeleid und Leibespein“ geht und weil es gerade zum ersten unrühmlichen Jahrestag des Krieges in der Ukraine passt, gehen Herrn Welters Gedanken „auch Richtung Ukraine“:

Ich kann darin Menschen hören, denen eigentlich kaum nach Singen zu Mute ist, die aber „Herzeleid und Leibespein“ nur zu gut kennen. Ja, klar, da gehen meine Gedanken auch Richtung Ukraine. Da rufen ungezählte „Ich“ Stimmen; deren Namen sind mir unbekannt; Menschen, die mit einem Leid und einer Pein geschlagen sind, die ich kaum ermessen kann – die ich bestenfalls erahne.

Was will uns Herr Welter damit sagen? Dass auch kollektiv erlittenes Leid immer auch ganz persönliches, individuelles Leid für alle Einzelnen bedeutet? Ach was.

Dass die unter dem Krieg leidenden Ukrainer im heutigen „Wort zum Sonntag“ eher nur Mittel zum Zweck sind, wird aus den weiteren Ausführungen Welters deutlich.

Denn hier geht es jetzt vorrangig gar nicht mehr um leidende Menschen. Sondern um eine Reihe von Einbildungen und Fiktionen darüber, wie sich der Gott der biblisch-christlichen Mythologie Leidenden gegenüber angeblich verhält:

Eine Bachkantate als Strohmann

Der Clou dieses Textes [gemeint ist Bach-Kantate BWV 23: Du wahrer Gott und Davids Sohn, Anm. v. mir]: Er traut Gott zu, dass er die vielen ICHS schon von Ewigkeit anschaut – und zwar: UMSTÄNDLICH!

…und der Clou dieser Formulierung: So traut nicht Herr Welter persönlich Gott irgendetwas zu. Sondern eben nur „dieser Text.“

Solche kleinen sprachlichen Kniffe wenden Religionsverkünder gerne an, wenn sie vermeiden möchten, persönlich beim Wort genommen werden zu können.

Denn mit dieser Einleitung kann Herr Welter jetzt alles Beliebige behaupten – und bei Rückfragen, die er im Fernsehstudio freilich sowieso nicht zu befürchten hat, braucht er nur darauf zu verweisen, dass er ja nur den Inhalt des Liedtextes – eben in der ich-Form – wiedergegeben habe.

Dreifach umständlich

Statt nun zum Beispiel darauf einzugehen, in wieweit die Vorstellung von einem wohlmeinenden und beschützend ins irdische Geschehen eingreifenden Gottes mit der Wirklichkeit, basierend auf unserem heutigen Wissens- und Erkenntnisstand in Einklang zu bringen ist, hängt sich Herr Welter lieber an dem Begriff „umständlich“ auf:

Dieses „Umständlich“ hat drei Bedeutungen: es traut Gott zu, dass er die Not sieht – sogar aus seiner gefühlt unendlich großen Ferne. Aber wie er das tut, macht es für den Betroffenen oft umständlich und ziemlich schwer.

Womit könnte es wohl zusammenhängen, dass Götter dem ICH so weit weg und unbeeindruckt vorkommen? Zumindest in dem Moment, in dem die gottgläubgien ICHs mal wenigstens kurz ehrlich zu sich selbst sind?

Wieso fühlt sich die Distanz zum angeblich doch omnipräsenten Gott wohl wie eine unendlich große Ferne an?

Merken wir uns mal die bis hierher aufgestellten Behauptungen:

Gott (gemeint ist der aus der biblisch-christlichen Mythologie) existiert nicht nur, er tut auch etwas: leidende Menschen beobachten.

Allerdings scheint er sich dabei nicht allzu geschickt anzustellen. Jedenfalls aus Sicht von „Betroffenen.“ Wobei unklar ist, ob Herr Welter „betroffen von Leid“ oder „betroffen von Götterglaube“ meint.

Fragwürdiger und unbeeindruckter Retard-Gott

Worum es genau geht, erfahren wir jetzt:

Gott wirkt nicht sofort; ruft mehr Fragen hervor als Antworten; kommt dem ICH so weit weg und unbeeindruckt vor.

Gott wirkt nicht sofort? Sondern wartet erstmal, das Leid sehr wohl ganz genau beobachtend, ansonsten aber tatenlos ab, bis zum Beispiel alle pädokriminellen Priester seiner Kirche alle ihre minderjährigen Opfer fertig vergewaltigt haben?

Ist das eine der Fragen, die das bei Ihnen hervorruft, Herr Welter? Und auf die Sie, wie Sie vorsorglich schon mal freimütig einräumen, keine Antworten haben? Und das, obwohl die Antwort doch so einfach wie offensichtlich ist: Diesen Gott gibts nicht.

Die Welt ist exakt so, wie sie ohne Götter wäre. Ihr Gott, sollte es ihn geben, verhält sich exakt so, als gäbe es ihn nicht.

Wie müsste sich Ihr Gott denn Ihrer Meinung nach verhalten, damit er Ihrem ICH nicht so weit weg und unbeeindruckt vorkommen würde? Und ist für alles, was Sie jetzt vorbringen, „Gott“ tatsächlich die plausibelste Begründung und Erklärung?

Gott „wirkt“ nur rückblickend – und wenn alles gut gegangen ist

Nüchtern, also ohne religiöse Benebelung betrachtet ist es sehr einfach nachzuvollziehen, warum „Gott“ nicht sofort wirken kann:

Weil das mit der Prophetie in Zeiten, in denen die meisten Weltanschauungen nicht mehr auf magisch-esoterischen Phantasievorstellungen, sondern auf Vernunft und kritischem Denken beruhen nicht mehr so gut funktioniert, schreibt man passend ausgewählte Ereignisse einfach erst im Nachhinein ursächlich einer göttlichen Wirkung zu.

Die Vorgehensweise, sich diesen sich selbst verstärkenden, chronischen Bestätigungsfehler anzutrainieren, ist immer die gleiche:

Wenden sich die Dinge aus Sicht des Gläubigen zum Guten, hat Gott „gewirkt“, die Bittgebete wurden (endlich doch noch) erhört. Oder zumindest wurde es nicht noch schlimmer. Halleluja.

Und sollte es nicht besser, sondern sogar noch schlimmer werden, dann wirkt Gott eben nicht sofort, ruft mehr Fragen hervor als Antworten; kommt dem ICH so weit weg und unbeeindruckt vor.

Man beachte auch hier wieder den theologisch-rhetorischen Trick, wie die Schuld für die göttliche Abwesenheit dem Menschen zugeschustert wird. Nicht: Gott ist weit weg und unbeeindruckt, sondern das kommt dem zweifelnden, glaubensschwachen ICH nur so vor.

Je nach Grad der religiösen Verstrahlung kommen als weitere Optionen zur Erklärung göttlicher Untätigkeit noch die Prüfung und natürlich die Strafe dazu. Aspekte, die zwar unzweifelhaft integraler Bestandteil des biblisch-christlichen Belohnungs-Bestrafungskonzeptes sind. Und die aber im christlichen Mainstream inzwischen einfach komplett verschwiegen werden.

Passt nicht zum Wohlfühl-Wischiwaschi-Glauben, mit dem sich Mainstream-Verkündiger heute nur noch in die Öffentlichkeit trauen. Dem zornigen, eifersüchtigen und allmächtigen Gott scheints egal zu sein.

Den Umständen entsprechend

„Umständlich“ heißt aber auch: Gott schaut mich so an, wie es meinen Umständen entspricht. Gott schaut, was ich brauche, er weiß, worin ich mich bewege mitten in einem Leben, das so oft verworren und undurchsichtig ist. Aus göttlicher Entfernung blickt Gott mitten in das hinein, was für mich undurchschaubar bleibt.

Dafür, dass sich Gott angeblich der menschlichen Erkenntnis entzieht, gibt Herr Welter vor, erstaunlich viele Details über seinen Gott zu wissen. Pardon – Herr Welter trägt ja nur in der Ich-Form aus dem Text einer Bachkantate vor.

Denn testen wir doch mal den Zynismusfaktor der Aussagen von Herrn Welter über seinen umständlichen Gott, indem wir nochmal den oben schon mal durchgeführten Perspektivwechsel vornehmen:

Dieser Gott schaut also den Jungen, der gerade von einem Priester vergewaltigt wird so an, wie es den Umständen des Jungen entspricht. Gott schaut, was er braucht, er weiß, worin er sich bewegt mitten in einem Leben, das so oft verworren und undurchsichtig ist. Aus göttlicher Entfernung blickt Gott mitten in das hinein, was für den Jungen undurchschaubar bleibt.

Während Gott also aus göttlicher Entfernung ansonsten tatenlos mitten in das hineinschaut, ganz genau und ausdrücklich bei ALLEN ICHs hinschaut!, würde zum Beispiel ich praktisch alles versuchen, um dem Opfer aus seiner Lage zu helfen und den Täter bis zur Verhaftung unschädlich zu machen.

Jeder, der sich so verhält, steht ethisch haushoch über dem untätigen Spannergott. Der trotz angeblicher Allmacht und Allgüte laut Herrn Welter jar von jeglichem Leid aller Menschen schon immer gewusst hat. Und der aber trotzdem genau nichts unternimmt, um dieses Leid zu mindern oder ganz zu verhindern.

Umständlich herumstehende Schutzgötter

Und schließlich: „umständlich“ heißt auch: Ich erfahre, dass Gott um mich herum steht – mich tröstet und schützt von allen Seiten. So will Gott mich bergen und Unheil abwenden.

…sagt auch hier natürlich wieder nicht Herr Welter himself. Sondern die altertümliche Verwendung des Wortes „umständlich“ in einer Bach-Kantate.

Des Kaisers neue Kleider

Und so braucht Herr Welter auch hier wieder nicht zu erklären, was seine Behauptungen von einem Hirngespinst, einer rein menschlichen Wunschvorstellung und/oder potentiell gefährlichen Einbildung[2]Gefährlich dann, wenn sich jemand in Gefahr tatsächlich auf göttlichen Schutz verlässt unterscheidet.

Auch diese Definition erscheint wieder in einem ganz anderen Licht, wenn wir die Perspektive vom eigenen ICH nochmal auf den oben schon exemplarisch beschriebenen Jungen wechseln:

Der Junge erfährt, dass Gott um ihn herum steht – ihn tröstet und schützt von allen Seiten, während Herr Pfarrer ihn vergewaltigt. So will Gott den Jungen bergen und Unheil abwenden.

Will er das wirklich? Warum tut er es dann nicht? Mit seiner Allgüte müsste er wollen. Und mit seiner Allmacht müsste er auch können.

Kein einziger der vielen tausend Götter, die sich die Menschen schon ausgedacht haben, hat auch nur ein einziges Mal auch nur ein einziges Unheil nachweislich abgewendet.

Es sind ausnahmslos immer gottgläubige Menschen, die sowas von ihren jeweils geglaubten Göttern im Nachhinein behaupten.

Die altertümliche Bedeutung von „umständlich“

Aber was hat es jetzt eigentlich tatsächlich mit dem Begriff „umständlich“ in diesem Kontext auf sich?

ChatGPT beantwortet diese Frage so:

Im Kontext dieses Textes hat „umständlich“ die Bedeutung von „genau“ oder „aufmerksam“. Die Zeile „Der du von Ewigkeit in der Entfernung schon mein Herzeleid und meine Leibespein umständlich angesehn“ bedeutet daher, dass Gott das Leiden und den Schmerz des Sängers genau betrachtet und wahrnimmt, obwohl er aus großer Entfernung scheint. Die Zeilen drücken daher das Vertrauen aus, dass Gott das Leiden des Sängers bemerkt und ihm Trost und Hilfe gewähren wird.

(Quelle: ChatGPT auf die Frage, was „umständlich“ im Kontext des zitierten Textes bedeutet)

Auch das „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache“ liefert u. a. auch „sehr, allzu ausführlich, weitschweifig und daher zeitraubend“ als mögliche und hier wohl gemeinte Definition des Begriffes „umständlich.“

Die weiteren Definitionen hat sich Herr Welter vermutlich selbst ausgedacht, um so seine vier Sendeminuten zu füllen.

Göttliches Engagement?

„Kein Tach ohne Bach“. Musik und Worte, die bewegen und meine Gedanken zum Schwirren bringen über mein kleines ICH hinaus: „Der du von Ewigkeit in der Entfernung schon mein Herzeleid und meine Leibespein umständlich angesehn …“ Ein Satz, der glaubwürdig davon spricht, wie Gott für mich und die Menschen da ist und sich engagiert:

Jedes ICH ist von diesem Gott schon gehört, ehe es auch nur anfängt, sein Herzeleid und seine Leibespein zu beschreiben.

Jedes ICH darf darauf setzen, dass Gott sich ihm zuwendet. Schmerzhaft umständlich lange kann das manchmal dauern; sehr umständlich mögen meine eigenen Umstände sein; schützend umständlich will es mich umgeben.

Was genau macht diesen Satz denn glaubwürdig, Herr Welter? Dass er zweistimmig gesungen wird? Oder dass er von Johann Sebastian Bach stammt? Vielleicht auch einfach nur, weil Sie sich wünschen, er möge wahr sein? Weil sich diese Wunschvorstellung so schön anfühlt?

Zwischenfazit

Wir fassen wieder zusammen, was hier – umständlich und theologisch vernebelt bzw. vernebelnd umschrieben – inhaltlich behauptet wird:

Der Gott aus der biblisch-christlichen Mythologie existiert nicht nur einfach irgendwo vor sich hin. Sondern er hört und sieht – expressis verbis – alles menschliche Leid aller Menschen („Jedes ICH“).

Ja, mehr noch: Er hatte sogar schon vorab, schon immer von sämtlichem Leid gewusst, das Menschen jemals würden erleiden müssen.

Desweiteren behauptet Herr Welter (noch immer mit der zitierten Kantate als Strohmann), dass jedes ICH darauf setzen dürfe, dass dieser Gott sich ihm zuwendet.

Eine solche rein einseitig imaginierte Zuwendung ist, abgesehen vielleicht von einem möglichen Placebo-Effekt, genauso wert-, gegenstands- und sinnlos wie das tatenlose Hören und Sehen von Leid.

Das ist kein Engagement, Herr Welter. Das ist entweder Untätigkeit, Desinteresse, Unfähigkeit – oder Sadismus.

Die Umständlichkeit der eigenen Umstände, oder: Selber schuld!

Was ich oben schon ausgeführt habe, trifft auch hier wieder zu:

Verbessert sich irgendwann die Situation eines Gläubigen, der darauf gesetzt hat, dass Gott sich ihm zuwendet, dann hat es eben nur „schmerzhaft umständlich lange“ gedauert, bis Gott sich ihm zugewendet hat. Das kann dann an der Umständlichkeit der eigenen Umstände gelegen haben.

Wer oder was mit „es“ gemeint sein soll, von dem Herr Welter meint, es beabsichtige, ihn schützend umständlich zu umgeben, geht aus dem Text leider nicht hervor. Bei so viel geballtem Bullshit wie in der heutigen Sendung macht das aber das Kraut auch nicht mehr fett.

Mit Bach beschwingt in Pfarrer Welters Lala-Land

„Kein Tach ohne Bach“. Da könnte jeden Tag etwas an mein Ohr dringen, was mich in diesem Glauben an einen Gott beschwingt, dem kein ICH egal ist. Wie es am Schluss dieses ICH-Duetts in der Kantate heißt: „Und lass durch deine Wunderhand, die so viel Böses abgewandt, mir gleichfalls Hilf und Trost geschehen.“

Genau darum und nur darum geht es: Irgendetwas, „was mich in diesem Glauben an einen Gott beschwingt, dem kein ICH egal ist.“

Also einfach nur ein heimeliges Wohlfühl-Gefühl. Und ein bisschen das menschliche Ego aufpolieren.

Für dieses Gefühl ist Herr Welter sogar bereit, seine intellektuelle Redlichkeit aufzugeben und sein kritisches, vernünftiges Denken auszusetzen.

Das möge er gerne tun, wenn es ihm Spaß bereitet – aber nicht in einer von der Allgemeinheit finanzierten unmoderierten Kirchenwerbesendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen!

Eine geeignete Bühne könnte zum Beispiel einer der zahlreichen Kirchensender, die eigene Glaubenscommunity oder eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit einem schwach ausgeprägtem Sinn für die Realität bieten.

Fazit: Betrug oder Bullshit, wie so oft

Wenn es Herrn Welter bewusst ist, wenn er also weiß, dass das, was er hier so alles (mit der Bach-Kantate als Proxy) behauptet bis zum Beweis des Gegenteils nicht wahr (und nicht mal theoretisch plausibel) ist, dann muss er sich Täuschung und vorsätzlichen Betrug vorwerfen lassen.

Leute, die vorsätzlich und zum eigenen Vorteil die Unwahrheit sagen, bezeichnet man, wie ich gerade in Jörn Dycks neuem Buch „Ist der Papst ein Betrüger?“ gelernt habe als Lügner oder Betrüger.

Und wenn Herrn Welter der Wahrheitsgehalt oder wenigstens die Plausibilität seine Behauptungen schlicht egal ist, dann bezeichnet man das als Bullshit.

Die dritte Möglichkeit, dass nämlich Herr Welter das, was er hier über die angeblichen Absichten und Handlungen seines Gottes behauptet tatsächlich für uneingeschränkt wahr hält, halte ich für praktisch ausgeschlossen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein geistig gesunder Erwachsener, der im 21. Jahrhundert in einem Industriestaat mit Schulpflicht aufgewachsen ist noch in der Lage ist, sich den dafür erforderlichen naiv-volksfrömmigen Kinderglauben anzutrainieren und dauerhaft beizubehalten.

Somit haben wir auch diesmal wieder einfach nur die x-te Variation des immer selben Schemas: Theologisch vernebelte Rhetorik, die zudem so glitschig formuliert ist, dass nichts davon übrig bleibt, wenn man sie näher untersucht.

Wir haben iher Götterreklame auf Kosten von realen Menschen, die reales Leid ertragen müssen und die laut Pfarrer Welter darauf setzen sollen, dass Gott sich ihnen zuwendet. Irgendwann, wenn es die Umstände erlauben.

Fußnoten

Fußnoten
1 Die beim abendlichen Vortrag anwesenden Eltern hatten den Ausführungen des selbst ernannten Rock-Experten („…und jetzt hören wir uns das mal rückwärts an…!“) bis zum Schluss aufmerksam und mit zunehmender Besorgnis gelauscht – bis er dann darauf bestand, dass alle Kinder von Geburt an und bis zu ihrer Religiotisierung erstmal grundlegend böse seien, was man ja schon an ihrem Geschrei merken würde. Das war dann der Moment, in dem man einigen Eltern ansehen konnte, wie sie gerade anfingen darüber nachzudenken, ob „satanische Rockmusik“ nicht vielleicht doch das kleinere Übel sei…
2 Gefährlich dann, wenn sich jemand in Gefahr tatsächlich auf göttlichen Schutz verlässt

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8 Gedanken zu „Die Bedeutung von „Umständlich“ – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Peinlich, aber laut Bibel wahr: Der Gott des Herrn Welter schaut ja nicht nur umständlich zu, wie Menschen leiden. Er verursacht dieses Leid gezielt selbst: Die von ihm verursachte Sintflut und der von ihm geforderte Völkermord im Rahmen der sog. Landnahme sind nur zwei von enorm vielen Beispielen. (Dazu Jörn Dyck: Die Morde der Bibel. Independently Published, 2022.) Und wenn Herrn Welters christlicher Glaubensgenosse Kyrill Recht hat, dann ist die Invasion der Ukraine aus göttlicher Perspektive ein Muss.

    Ich habe keine Ahnung, innerhalb welchen moralischen Koordinatensystems ein Herr Welter sich geistig bewegt. Mein Verdacht: Da ist gar keines.

    Antworten
    • „Ich habe keine Ahnung, innerhalb welchen moralischen Koordinatensystems ein Herr Welter sich geistig bewegt. Mein Verdacht: Da ist gar keines.“

      Ich habe oft den Eindruck, dass diesen Leuten nicht bewusst ist was es bedeutet, wenn sie ihre religiös erweiterte Phantasiewirklichkeit mit der irdischen Wirklichkeit vermischen und zwischen beiden Bezugsrahmen beliebig hin und her springen.

      Diese Blindheit halte ich für ein Zeichen entweder von Arroganz oder von Ignoranz. Geschieht es wissentlich und absichtlich, haben wir es mit Lüge und Betrug zu tun,; geschieht es aus Ignoranz, mit Bullshit.

      Antworten
      • Die Antwort liegt auf der Hand:
        Nur durch Ignoranz gepaart mit Bullshit, ist noch nie jemand reich geworden…
        Die Anzahl derer, die diese Märchen ernsthaft glauben dürfte verschwindend gering sein und bedarf einer Menge an Autosuggestion!

        „Schaut euch die Bäume an“ = FALSCH
        RICHTIG = „Schaut euch die Kirchen an, (welche aus diesen Bäumen erbaut sind)!“

        Antworten
    • Das darf doch nu‘ wirklich nicht mehr wahr sein!
      Wie können Menschen einen Gott verehren und sich auf ihn verlassen, der sie so vorführt, schikaniert und bloßstellt!?!?
      Und vielleicht hilft mir Gott ja! Kommt drauf an, welche Laune Gott hat und ob ich ihn auch richtig und häufig genug anbete!

      Antworten
  2. Das ist der Gipfel an verschwurbelter Idiotie!
    Jeder Mensch der diesen infamen Mist glaubt, hat kein Problem mit nem Balken vor den Augen, sondern mit ganzen Wäldern aus Mammutbäumen!!!

    Hier noch ne kleine erbauliche Kantate für Herrn Welter…

    DEICIDE -Serpents of the light- :

    Free of their god, intelligence won
    Go with your instinct to live as you want
    No longer begging for mercy from thieves
    They can’t come near you, through them you can see
    Keep to the outside the teachings of Christ
    Denounce the father, undo his disguise
    Die, serpents of the light
    You are at one, the serpent now gone
    Harness the power to refuse the son
    Under the bible inherit deceit
    Above it enlighten to what you can be
    Savor the pleasure once known in your life
    Heaven’s compassion you know is a lie
    Serpents of the light
    Serpents of the light, return to where you hide
    Give us peace of mind
    Serpents of the light, revolting parasite
    Thorns in paradise
    Serpents of the light, expelled from human life
    Free of Jesus Christ

    [Anhören auf Youtube]

    (Quelle: Serpents of the Light – Deicide, Zit. n. https://www.lyrics.com/lyric/25524197/Deicide/Serpents+of+the+Light)

    Antworten
  3. Vorsorglich schon mal das ärztliche (ist das ICH von meinem ICH) Bulletin: meinem ICH geht es den Umständen entsprechend gut.

    „allzu ausführlich, weitschweifig und daher zeitraubend“
    nur diese Bedeutung von „umständlich“ war mir bisher geläufig. „Sei NICHT so umständlich“ wurde ich von meinem Vater (dem biologischen !) ermahnt, wenn ich bei der Erledigung einer ungeliebten Aufgabe zu sehr trödelte. Wie und ob überhaupt man Kriege oder Erdbeben verhindert, muss halt auch von einem allmächtigen Schöpfergott akribisch und sorgfältig, also umständlich, erwogen werden. Und, ooops, ist es schon wieder zu spät.

    „Der du von Ewigkeit in der Entfernung“
    „Du bist so weit, weit weg von mir“ singt Hubert von Goisern, Wenn er damit den Lieben Gott meint, ist er mit H. Welter und Bergoglio einer Meinung. Letzterer ließ neulich auf vaticannews.va verlauten: „Kindersoldaten sind ein Schrei, der zu Gott aufsteigt“. Der Schrei ist anscheinend immer noch unterwegs; ob er wohl die voyager-Sonden inzwischen überholt hat ??? Der Schrei sollte aber doch unnötig sein, wenn jedes ICH von diesem Gott schon gehört ist, ehe es auch nur anfängt, sein Herzeleid und seine Leibespein zu beschreiben !!!

    „Jedes ICH darf darauf setzen, dass Gott sich ihm zuwendet.“
    Klar, man darf alles auf die 17 setzen, der Croupier wendet sich einem zu und streicht den Einsatz ein, denn ZERO hat gewonnen.
    „Schmerzhaft umständlich lange kann das manchmal dauern; sehr umständlich mögen meine eigenen Umstände sein; schützend umständlich will es mich umgeben.“
    Was für ein sprachlicher Höhepunkt; hätte nicht gedacht, dass Umstände umständlich sein können.
    „Das ist entweder Untätigkeit, Desinteresse, Unfähigkeit – oder Sadismus.“
    Bei einem allmächtigen Schöpfer ?: eindeutig Sadismus
    „Und lass durch deine Wunderhand, die so viel Böses abgewandt, mir gleichfalls Hilf und Trost geschehen.“
    Die immer wiederkehrende unterschwellige Drohung der Gottesanbeter: ohne Gott wäre es noch viel schlimmer gekommen !
    Interessant, dass H. Welter auf das Erdbeben in der Türkei und Syrien offenbar nicht eingeht. Ist aber auch kein Wunder. Bei einem Krieg kann man immer einen Menschen bezichtigen, der daran schuld ist; und der ist zwangsläufig immer auch gottlos (selbst wenn er noch so viele Gottespaläste hat bauen lassen, dem Patriarchen sind das immer noch nicht genug). Bei Naturkatastrophen muss man dagegen davon ausgehen, dass der Schöpfer von det Janze diese umständlich von langer Hand vorbereitet hat. Oh, Entschuldigung ! War das nicht so ein fieser Wissenschaftler namens Alfred Wegener, der die Plattentektonik erfunden hat ???

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  4. Als JSB geboren wurde, war der Dreissigjährige Krieg gerade mal 37 Jahre vorbei.
    Als er die Kantate komponierte, war er 38 Jahre alt. Wann der Text gedichtet wurde, ist nicht bekannt, ebenso wenig der Urheber.

    Selbst für damalige Zeiten und gerade vor dem Hintergrund der grössten Schlächterei der Weltgeschichte aus Glaubensgründen in Europa ist es schwer zu begreifen, wie man einen solchen Text verfassen konnte.
    Erklärlich ist das nur deshalb, weil sich die Menschheit damals im unentrinnbaren Würgegriff der Religion befand. Da galt die Welt noch als Jammertal, durch das man wandern musste, um in den Genuss der ewigen Heimat zu gelangen.
    Da wurde nicht danach gefragt, warum der allmächtige und barmherzige Gott das ganze Unheil zuliess, weil der Grund dafür nämlich die menschliche Bosheit war, die der Mensch aus freien Stücken auslebte.
    Die Boshaften würden die ewige Gerechtigkeit Gottes am jüngsten Tage zu spüren bekommen. Die Frommen aber erhielten ihren Lohn im Himmel.
    Und wer das auch nur im geringsten anzweifelte, musste mit dem Schlimmsten rechnen.

    Mit dieser primitiven Ideologie konnte man seinerzeit die Welt noch im Zaum halten.

    Wer sich aber heute noch – in Mitteleuropa – damit abspeisen lässt oder solches sogar noch propagiert, wie ein Herr Welter das tut, der muss sich – bei allem Respekt – fragen lassen, ob er noch alle Tassen im Schrank hat.

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    • Gleicher Text, nur leicht verändert, kennt man ja beim WzS nur zu gut.

      Ich kann darin Kinder hören, denen eigentlich kaum nach Singen zu Mute ist, die aber „Herzeleid und Leibespein“ nur zu gut kennen. Ja, klar, da gehen meine Gedanken auch Richtung christliche Kirche. Da rufen ungezählte „Ich“ Stimmen; deren Namen sind mir unbekannt; Kinder, die mit einem Leid und einer Pein geschlagen sind, die ich kaum ermessen kann – die ich bestenfalls erahne.

      Und schließlich: „umständlich“ heißt auch: Ich erfahre, dass der Bischof um mich herum steht – mich tröstet und schützt von allen Seiten. So will der Bischof mich bergen und Unheil abwenden.

      OK, den Rest lass ich weg, kennt man ja auch gut beim WzS.

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