Gebet verbindet – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 6 Min.

Gebet verbindet – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht am 18.11.23 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Gebet verbindet: Pfarrer Welter empfindet Mitleid mit den Israeliten, weil ein Psalmist mit der Schilderung von Leid versucht, seinen Gott dazu zu bewegen, die Feinde zu vernichten. Letzteres lässt Herr Welter aber einfach weg.

Tagesgeschäft eines katholischen Priesters

Zum Einstieg in sein „Wort zum Sonntag“ unter dem Titel „Gebet verbindet“ verrät Pfarrer Welter, womit er unter Anderem sein Geld verdient:

Ich bete. Ja, es gehört zu meinem „Tagesgeschäft“. Morgens, mittags, abends und nachts. Beten gehört zu meinem Berufsalltag: In der Kirche nennen wir es Stundengebet.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Gebet verbindet – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pfarrer Benedikt Welter, veröffentlicht am 18.11.23 von ARD/daserste.de)
Gebet verbindet
Beten verbindet – und bindet Lebenszeit

Dazu vorab ein paar Zahlen: Bei einer angenommenen Betdauer von täglich 4 x 15 Minuten hat Pfarrer Welter nach 50 Jahren rund zwei Jahre 24/7 nonstop mit dem Still-vor-sich-hin-Murmeln von Bibelstellen verbracht.

Natürlich sei es Herrn Welter selbst überlassen, womit er seine einmalige Lebenszeit verbringt.

Diese Tätigkeit jedoch als „Geschäft“ zu bezeichnen, ist eine Farce. Eine noch größere Farce ist es, dass man u.a. mit dem Murmeln von Bibelzeilen nun mal tatsächlich Geld verdienen kann. Ein katholischer Priester verdient in Deutschland ungefähr 45.000 Euro im Jahr.

Frei nach den Dire Straits kann das Motto für katholische Priester also lauten: Money for nothing and the kids for free

Psalmen: Das Gebetbuch der Bibel

Und Kernbestand dieses GebetsTagesgeschäfts sind die Psalmen. Das Gebetbuch der Bibel.

Um nicht vorschnell zu urteilen, interessiert uns jetzt natürlich, was die Psalmen denn an erbaulichen Erkenntnissen zu bieten haben.

Vielleicht findet sich darin ja Inspirierendes? Etwas, das hoffen lässt, dass es Pfarrer Welter dazu animiert, die Welt aktiv etwas friedlicher und gerechter zu machen?

Manchmal huschen meine Augen über die Zeilen des Psalms, der gerade dran ist, flüstern die Lippen Worte und Sätze. In diesen Tagen aber passiert es mir immer wieder, dass ich richtig aufschrecke und das zuletzt Gelesene nochmal laut wiederhole; Sätze wie diese hier: „Die Leichen deiner Knechte haben sie zum Fraß gegeben den Vögeln des Himmels, das Fleisch deiner Frommen den Tieren der Erde. Ihr Blut haben sie wie Wasser vergossen … Das Stöhnen des Gefangenen komme vor dein Angesicht! Durch deinen mächtigen Arm erhalte die Kinder des Todes am Leben.“

In der von Pfarrer Welter zitierten Stelle beklagt sich der Psalmist Asaph (nicht zu verwechseln mit ASAP) bei seinem Gott über die Ungerechtigkeit, die dessen Anhängern offenbar widerfahren ist.

Gerade so, als wüsste das der Allwissende nicht sowieso schon. Und gerade so, als könne das unmöglich dem allgütigen ewigen Allmachtsplan des allmächtigen Allgütigen entsprechen.

Das Gebet schreit mich an

Mehr als zweieinhalbtausend Jahre sind diese Worte alt. Ich zucke zusammen, verbinde sie mit den aktuellen Schreckensnachrichten und höre sie geschrien am 7. Oktober fern in Israel. Bilder werden wach. Mehr als verstörende Bilder, wie aus einem schrägen Computerspiel, die verzerrt um die Welt gingen.

„Das Stöhnen des Gefangenen komme vor dein Angesicht! Durch deinen mächtigen Arm erhalte die Kinder des Todes am Leben.“

„Was ist mit den Geiseln?“, geht mir durch den Kopf. Mit den Kindern? Den Alten?

Ich bete uralte Texte, und wie ich sie bete, füllen aktuelle Nachrichten mein Beten mit ganz neuen Bildern und Ereignissen.

Das Gebet murmelte dahin – und jetzt schreit es mich an; ich soll, ich muss mit-fühlen. Mit den Menschen in Israel, denen die Verheißung von einem sicheren Leben für Jüdinnen und Juden geraubt worden ist. Mit den Menschen in Gaza, die ohnmächtig eingepfercht sind in eine Tragödie.

Was Herrn Welter offenbar nicht anschreit, sind die Reaktionen, die sich der Psalmist von seinem Gott erhofft:

Gieße deine Zornglut über die Heiden aus…

  1. Wie lange, o HERR, willst du unversöhnlich zürnen? Bis wann soll lodern dein Eifer wie Feuer?
  2. Gieß deine Zornglut über die Heiden aus, die dich nicht kennen, auf die Reiche, die deinen Namen nicht anrufen!
  1. Warum sollen die Heiden sagen: »Wo ist ihr Gott?« Laß kundwerden an den Heiden vor unsern Augen die Rache für das vergossne Blut deiner Knechte!
  1. Und zahle unsern Nachbarn siebenfach heim in ihren Busen den Hohn, mit dem sie dich, o Allherr, gehöhnt!
  2. Wir aber, dein Volk und die Herde, die du weidest, wir wollen dir ewiglich danken, von Geschlecht zu Geschlecht verkünden deinen Ruhm!
(aus Psalm 79 MENG)

Hier finden wir das gleiche Schema, nach dem viele der biblischen Psalmen aufgebaut sind: Erst schildert der Psalmist in möglichst drastischen Bildern das erlittene Leid des eigenen Volksstammes. Und anschließend beschreibt er in noch drastischeren Bildern, um welche Art von Unterstützung er seinen Gott bittet.

Das Eigentliche – einfach weggelassen

#bibelblind Meme
Viele weitere Bibelsprüche, für die Christen meist #bibelblind sind gibts auf bibelblind.de

Wenn wir uns anschauen, wie sich die Psalmisten diese göttliche Unterstützung ausmalen, dann kann es kaum erstaunen, dass Pfarrer Welter das, worum es eigentlich geht, nämlich den zornigen Rachegott, der alle Feinde seines Volkes vernichtet, einfach mal komplett weglässt.

Nach nunmehr 396 kommentierten „Wort zum Sonntag“-Sendungen ebenfalls nicht mehr wirklich erstaunen kann auch die dafür erforderliche Unredlichkeit und/oder Ignoranz der eigenen biblischen Glaubensgrundlage gegenüber, sowie die kaltschnäutzige, ja zynische Selbstverständlichkeit, mit der Pfarrer Welter seinem Publikum eine zu seinen Gunsten völlig verzerrte und verkürzte Darstellung der Bibelstelle präsentiert.

Denn das Eigentliche, nämlich die erhoffte und erbetene göttliche Reaktion auf das erlittene Leid fehlt komplett.

Die Reaktion, um die man Gott bittet, besteht nicht etwa aus diplomatischem Eingreifen oder anderen Strategien, um für Frieden zu sorgen. Sondern aus gnadenloser Vergeltung, aus brutalster Rache an allen, die sich nicht dem eigenen Stammesgott unterworfen haben. Dafür verspricht der Psalmist seinem Gott ewiglichen Dank.

Gebet verbindet? Was Beten laut Bibel verändert

„Not lehrt beten“, heißt eine Redewendung. Aber es müsste umgekehrt sein: Beten müsste die Not etwas lehren und sie verändern.

Im zitierten Psalm wird doch genau beschrieben, welche Veränderung man sich durch Beten erhofft: Dass das Leid seines Volkes Gott so zornig machen möge, dass dieser endlich in dessen Interesse ein- und durchgreift. Und alle Feinde verhöhnt, quält und schließlich vollständig ausrottet.

Offenbar ist das nicht das, was sich Pfarrer Welter von seinem Gebet erhofft. Aber das ist nun mal das, was die Psalmen – wie auch das ganze Alte Testament in seiner Gesamtaussage – hergeben.

…schnell weg, bevor es ungemütlich wird

Pfarrer Welter empfindet also Mitleid mit den Menschen in Israel, weil ihn ein Bibelvers anschreit.

Statt nun in das Gebet des Psalmisten einzustimmen und wie er seinen Gott inständig darum zu bitten, wie in den Psalmen ausführlich beschrieben alle Feinde seines auserwählten Volkes gnadenlos und vollständig zu vernichten, lenkt er einfach ohne weiteren Kommentar mit einem Schwenk zum konservativ-christlichen Widerstand ab:

Morgen ist Volkstrauertag in unserem Land. Da denke ich an meinen Opa, der den Krieg als Soldat überlebt hat. Psalmen beten war ihm fremd. In seinem Soldatenrucksack hatte er ein kleines Buch mit Gedichten von Reinhold Schneider. Ein Gedicht hat es meinem Opa besonders angetan. „Das hat mir Kraft gegeben, als ich nicht mehr wusste, ob es überhaupt noch weitergeht“, hat er mir mal gesagt.

Ein Opa, dem Psalmen beten fremd war eignet sich ideal, um auch die Leute aus dem Publikum abzuholen, dem Psalmen beten ebenfalls fremd ist.

Denn die sind inzwischen hierzulande in der Überzahl, wie der neuesten Kirchenmitgliedschaftsstudie KMU 6 zu entnehmen ist: 64 Prozent der Befragten lesen nie in der Bibel, zwei Prozent täglich (Quelle).

Beten gegen Täter

Da heißt es:

Allein den Betern kann es noch gelingen / Das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten

Und diese Welt den richtenden Gewalten / Durch ein geheiligt Leben abzuringen.

Denn Täter werden nie den Himmel zwingen: / Was sie vereinen, wird sich wieder spalten,

Was sie erneuern, über Nacht veralten, / Und was sie stiften, Not und Unheil bringen.

Gerade hatten wir es noch mit einem Psalmisten zu tun, der Gott sein Leid geklagt hatte, um diesen Gott zum Rachefeldzug gegen seine Feinde (sinngemäß: Meine Feinde sind auch deine Feinde…) zu animieren.

Jetzt finden wir uns plötzlich im christlichen Widerstand wieder. Hier bezieht sich die Hoffnung der Beter nicht darauf, die Kriegsfeinde mit Gottes Hilfe zu vernichten. Denn mit Tätern dürfte hier das Nazi-Regime gemeint sein.

Durch diese Verknüpfung versucht Pfarrer Welter offenbar zu suggerieren, dass Gott immer auf der Seite der „Guten“, also der Gläubigen stehen würde.

Das ist deshalb so absurd, weil eben diese Täter (und ihre klerikalen Unterstützer) ja ihrerseits selbst den selben Gott um Unterstützung der kriegerischen Handlungen angefleht hatten.

Nicht verzweifeln, nicht resignieren! Gott mit uns!

Meinem Opa gaben diese Zeilen Hoffnung. Mir sagen sie heute: Nicht verzweifeln, nicht resignieren! Das gilt für mich selbst und für alle, die beten, um die Not eines Besseren zu belehren. Nicht müde werden und nicht abstumpfen angesichts der unfassbaren Nöte, die auf andere Menschen und auf uns hereinprasseln.

Gebet verbindet

Herr Welter, wenn Sie beten, dann belehren Sie die Not nicht eines Besseren. Sie verschaffen sich damit lediglich eine geistige Selbstbefriedigung.

Wenn Sie ernsthaft meinen, mit einem Gebet irgendetwas darüber hinaus bewirkt zu haben, dann haben Sie Ihr selbst formuliertes Ziel verfehlt:

Dann sind Sie (vielleicht) müde und (ganz sicher) abgestumpft angesichts der unfassbaren Nöte, die auf andere Menschen und auf uns hereinprasseln. Und noch mehr abgestumpft gegenüber der irdischen Realität.

Denn die von Ihnen erbetene und erhoffte göttliche Unterstützung wird auch dieses Mal wieder ausbleiben. Wie in ausnahmslos allen anderen Fällen auch.

Für Menschen beten?

Nicht müde werden: Und am Volkstrauertag morgen im Gedenken an Mütter und Väter, Groß- und Urgroßväter und –mütter in unserem Land auch für die vielen Menschen beten, die weit weg von uns leben und leiden, und die uns im Gebet doch ganz nah werden können.

Um mich an meine Vorfahren zu erinnern, brauche ich keinen Volkstrauertag. Zumal ich die Trauer für einen Prozess halte, der früher oder später in eine Art dankbare Erinnerung übergehen kann. Vorallem brauche ich auch in diesem Zusammenhang kein Gebet, das verbindet.

Mir persönlich gefällt ohnehin die Vorstellung viel besser, dass sich meine Hinterbliebenen nach meinem irdischen Auftritt fröhlich an mich zu meinen Lebzeiten erinnern mögen, statt mein sowieso irgendwann unumgängliches Ableben alljährlich rituell zu betrauern.

Und wenn mich das Leid von Menschen berührt, die weit weg von uns leben und leiden, dann muss ich, statt heuchlerische wie wirkungslose Gebete zu einem Rachegott zu murmeln, der sich, sollte er existieren, exakt so verhält, als gäbe es ihn nicht, überlegen, ob und wenn ja was ich unternehmen kann, um dieses Leid tatsächlich effektiv zu lindern.

Damit, dass ein Gebet verbindet, ist noch niemandem geholfen. Zumal ein Gebet ja primär dazu dient, sich selbst mit einem Gott zu verbinden.

Thoughts and Prayers

Einen besinnlichen Sonntag wünsche ich Ihnen.

Den wünsche ich Ihnen auch, obgleich meine Hoffnungen in erhellende Ergebnisse Ihrer Besinnung gegen Null gehen. Schließlich wollen Sie ja vermutlich auch weiterhin Ihr Geld durch das tägliche Murmeln von Bibelstellen verdienen.

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5 Gedanken zu „Gebet verbindet – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Wie wäre es mit deutlich weniger sinnfreien Gebeten und markant mehr konkreten Aktivitäten zur Aufklärung des tausendfachen Missbrauchs an Kindern in Pfarrer Welters Kirche? Als Funktionär in diesem Laden hat er doch sicher etwas Einfluss …

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  2. Zum Glück lassen heutzutage die Christen ihren Phantasiegebeten meistens keine Taten folgen.
    Das ist bei den beiden anderen monotheistischen Religionen – zumindest im Nahen Osten – leider nicht der Fall.
    Insbesondere die religiösen Fanatiker auf beiden Seiten – und davon gibt es viele – belassen es nicht beim Beten; und da ihr jeweiliger Gott durchweg Gewalt und Rache als Lösung von Konflikten propagiert hat – zahlreich in ihren heiligen Schriften dokumentiert -, führen sie nur das aus, was ihr Gott ihnen vorexerziert hat.

    Die haben den besagten Psalm nämlich bis zum Ende gelesen, Herr Welter.

    Antworten
  3. Falls Pfarrer Welter wenigtens zu sich selbst ehrlich ist, sollte ihm das Kriegstreiben in Gaza doch völlig gleichgültig sein!
    Warum?
    Laut NT führt AUSSCHLIESSLICH(!!!) der Weg über Jesus zu Gott und erfährt durch Gottes Sprößling Erlösung und ewiges Leben im Paradies!
    ALLE(!!!) anderen Menschen, gleichgültig welchem Glaubens, bzw. die Jesus NICHT(!!!) als Gottes Sohn anerkennen und annehmen, haben das Nachsehen! Auf Ewig! Ohne Aussicht auf etwaige Absolution!

    Antworten
  4. Hätte da mal einen Buchtipp für H. Welter:

    Atem neuen Lebens: Gemeinsam beten
    von Franziskus Papst | 1. Juni 2020
    Gebundene Ausgabe
    18,00€
    Lieferung bis Montag, 4. Dezember
    KOSTENFREIER Versand durch Amazon
    Nur noch 2 auf Lager (mehr ist unterwegs).

    Das Umschlagbild (wurde hier nicht übernommen) zeigt übrigens Papst Franziskus in schöner Eintracht mit Patriarch Kyrill.

    Habs nicht gelesen, kann also zur Qualität nichts sagen, hier der „Klappentext“.

    Dieses Buch enthält die wichtigsten und schönsten Gedanken von Papst Franziskus zum Thema Beten als Dialog, als Hinhören, als Ort der Krise und des Zweifelns ebenso wie als Ort der Hoffnung und der Kraft. In einem neuen Text erschließt der Papst das Gebet als »Atem neuen Lebens«. Patriarch Kyrill ergänzt die Gedanken durch Reflexionen und Impulse aus der großen spirituellen Tradition der orthodoxen Kirche und zeigt, dass Beten die Basis für den Glauben aller Christen ist.

    Erspare mir hier jeden weiteren Kommentar.

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