Alles bleibt anders – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 5 Min.

Alles bleibt anders – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 01.11.2024 von ARD/daserste.de

Darum geht es

Zum 35. Jahrestag der Wiedervereinigung hält Pfarrer Höner die 40jährige Wüstenwanderung aus der biblischen Mythologie für erwähnenswert.

Zum 35. Jahrestag des Mauerfalls präsentiert Herr Höner erstmal nicht weiter erwähnenswerte, weil triviale Anekdoten, mit denen er offenbar belegen möchte, dass die Teilung Deutschlands bis heute noch nicht vollständig überwunden ist.

Und schließlich wirds kurz doch nochmal religiös:

40 Jahre.

Diese Verletzungen [gemeint sind die zwischen Ost und West, Anm. v. mir] sind bis heute noch nicht verheilt. Und wenn jetzt einer sagt, das ist alles ein langer Weg, dann verdrehen viele die Augen. Es muss doch nach 35 Jahren mal fertig bearbeitet sein.

Nein! Muss es nicht. Bei Veränderungen, die über einen/eine hereinbrechen, gibt es keinen festgelegten Zeitplan. Solche Erlebnisse, die eine ganze Biografie umschreiben und infrage stellen, bleiben manchmal über Generationen hinaus schmerzlich. Eine gefühlte Ewigkeit. Doch wenn man den Maßstab der Bibel an-legt, dann gibt es da die Perspektive der Langfristigkeit. Den großen Bogen, die lange Zeit. Das Volk Israel war 40 Jahre heimatlos in der Wüste unterwegs. 40 Jahre.

(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Alles bleibt anders – Wort zum Sonntag, verkündigt von Alexander Höner, veröffentlicht am 01.11.2024 von ARD/daserste.de)

Die 40jährige Wüstenwanderung präsentiert Herr Höner, als handle es sich dabei um eine historische Begebenheit und nicht um biblische Mythologie.

Ich mache es mir heute auch mal wieder einfach und überlasse ChatGPT die Richtigstellung:

ChatGPT: „Schreibe eine wissenschaftlich historisch fundierte Kritik zu dieser Behauptung: „Das Volk Israel war 40 Jahre heimatlos in der Wüste unterwegs.“

Die Aussage „Das Volk Israel war 40 Jahre heimatlos in der Wüste unterwegs“ bezieht sich auf die biblische Erzählung des Exodus im Alten Testament, insbesondere in den Büchern Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium. Diese Aussage ist in der westlichen Kultur tief verankert, da sie die Geschichte von Israels Befreiung aus ägyptischer Sklaverei und die darauffolgende Wanderung in die Wüste bis zur Ankunft im Gelobten Land beschreibt. Historisch und wissenschaftlich gesehen jedoch gibt es einige Herausforderungen und kritische Aspekte in Bezug auf die historische Zuverlässigkeit und den Hintergrund dieser Darstellung.

1. Quellenkritik und archäologische Evidenz

Die Hauptquelle für die Erzählung der 40-jährigen Wüstenwanderung ist die hebräische Bibel, eine Sammlung religiöser Texte, die teils Jahrhunderte nach den angeblichen Ereignissen zusammengestellt und niedergeschrieben wurde. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die hebräische Bibel eine Mischung aus religiösen Überlieferungen, Mythen und moralischen Lehren ist. Archäologische Funde haben bisher keine klaren Beweise erbracht, die den Massenexodus von hunderttausenden Israeliten aus Ägypten und die anschließende 40-jährige Wanderung durch die Wüste belegen.

Weder in ägyptischen noch in anderen antiken Dokumenten gibt es Aufzeichnungen über einen Exodus oder einen großen Aufenthalt von Israeliten in der Wüste, und archäologische Grabungen auf der Sinai-Halbinsel haben keine nennenswerten Spuren von dauerhaftem Aufenthalt oder großen Gruppenbewegungen während der fraglichen Zeit erbracht. Archäologen wie Israel Finkelstein und andere betonen, dass weder Lager noch andere menschliche Spuren aus der Zeit um das 13. bis 12. Jahrhundert v. Chr., die sich auf ein wanderndes Volk im Sinai beziehen könnten, nachweisbar sind.

2. Symbolische Zahl „40“

In der hebräischen Tradition und in vielen alten Kulturen steht die Zahl „40“ oft symbolisch und nicht wörtlich für eine Zeitspanne des Übergangs oder der Prüfung. Beispielsweise werden 40 Tage Regen in der Sintflutgeschichte genannt, und auch das Fasten Jesu in der Wüste dauerte 40 Tage. Daher könnte „40 Jahre“ eher eine literarische Darstellung sein, die auf eine Periode der Reifung und Prüfung hinweist, anstatt auf eine exakte Zeitangabe.

3. Theologische und ideologische Absicht der Erzählung

Einige Bibelwissenschaftler argumentieren, dass die Geschichte der Wüstenwanderung ursprünglich weniger eine historische Chronik als vielmehr eine theologische Erzählung war, die die Abhängigkeit Israels von Gott und die Notwendigkeit des Glaubens symbolisieren sollte. In der Erzählung wird die Wüste als Prüfungsort beschrieben, an dem sich das Volk Israel auf seine bevorstehende Landnahme und seinen Bund mit Gott vorbereiten muss. Diese Deutung wird durch die wiederholten Hinweise auf Gottes Versorgung (Manna, Wasser aus dem Felsen) und die Bestrafung für Ungehorsam gestützt. Die Wüstenwanderung wird somit zu einer Zeit moralischer und spiritueller Läuterung.

4. Soziokultureller Hintergrund: Entstehung des Volkes Israel

Die archäologische Forschung legt nahe, dass die Entstehung des Volkes Israel eher durch eine langsame kulturelle Transformation in den Bergregionen Kanaans im 13. bis 11. Jahrhundert v. Chr. erfolgte. Verschiedene Gruppen, die von den Stadtstaaten und Herrschaftszentren in der Küstenregion Kanaans unabhängig werden wollten, könnten sich dort niedergelassen und allmählich eine eigene kulturelle und religiöse Identität entwickelt haben. In diesem Kontext wäre die Geschichte des Exodus und der Wüstenwanderung möglicherweise eine retrospektive Erzählung, die die Entstehung der israelitischen Identität mythisch überhöht und auf die mythischen Ursprünge des Volkes Israel zurückprojiziert.

5. Vergleich mit anderen antiken Mythen und Erzähltraditionen

Viele antike Kulturen haben Geschichten von wandernden Völkern oder Helden, die sich Prüfungen unterziehen müssen, bevor sie ein Land erreichen oder eine Heimat finden. In der griechischen Mythologie etwa ist die Irrfahrt des Odysseus ein bekanntes Motiv, das auf ähnliche Weise ein Volk oder eine Person beschreibt, die sich in einem Zustand der Unsicherheit und Wanderschaft befindet. Diese Parallelen deuten darauf hin, dass die Wüstenwanderung des Volkes Israel Teil eines universalen Narrativs ist, das das menschliche Bedürfnis nach Identität und Ziel reflektiert.

Schlussfolgerung

Die wissenschaftlich-historische Analyse legt nahe, dass die biblische Erzählung der 40-jährigen Wüstenwanderung des Volkes Israel keine historisch exakte Darstellung eines tatsächlichen Ereignisses ist. Stattdessen handelt es sich wahrscheinlich um eine theologisch und symbolisch aufgeladene Erzählung, die die Identität und das Selbstverständnis des antiken Israel formte. Während die Geschichte tief im kulturellen Gedächtnis verankert ist und eine zentrale Rolle in der jüdischen und christlichen Tradition spielt, bleibt sie aus historischer Perspektive weitgehend unbelegt und sollte eher als Ausdruck der kulturellen und religiösen Identitätsbildung des Volkes Israel verstanden werden.

40 Jahre in der Bibel – ja, und?

Unklar ist, was Herr Höner mit der Erwähnung der 40 Jahre langen biblisch-mythologischen Wüstenwanderung eigentlich aussagen möchte.

Vielleicht: „Habt noch 5 Jahre Geduld, denn in der Bibel sind es auch oft 40 Jahre, wenns mal wieder länger dauert“?

Oder: „40 biblische Wüstenwanderjahre sind näher an den 35 Jahren Wiedervereinigung als zum Beispiel die nur 10jährige Irrfahrt des Odysseus oder der 100jährige Dornröschen-Schlaf – und deshalb ist die Bibel richtiger und wichtiger als andere Mythen und Märchen“?

Der mit 40 Jahren irrwitzig lange Wüstentrip war ja in erster Linie eine göttliche Bestrafung für den Unglauben des auserwählten Wüstenvölkchens und diente zusätzlich zur Vorbereitung der nächsten Generation auf die verheißenen blühenden Landschaften Kanaans.

Den Versuch, diese eigentlichen Aussagen des biblischen Narrativs mit der Gegenwart in Verbindung zu bringen, hatte Herr Höner lieber gar nicht erst unternommen.

Muss er auch gar nicht: Für ihn, bzw. für sein gläubiges Publikum genügt es völlig, in der Bibel eine Jahresangabe gefunden zu haben, die zahlenmäßig einigermaßen zum heutigen Anlass passt.

Heilung der behüteten Schäfchen in Ost und West – oder so ähnlich

Nachdem der biblisch-christliche Werbeblock geschafft ist, stellt Herr Höner noch fest, dass Langfristigkeit in einer kurzlebigen Zeit wie der unseren […] schwer auszuhalten sei.

Abschließend empfiehlt er noch schnell Ossis und Wessis, „einander zuzuhören, ernst zu nehmen und gemeinsam an der Heilung zu arbeiten.“, bevor er seinen Schäfchen eine behütete Nacht wünscht.

Das ist natürlich ein Top-Tipp. Sinngemäß: „So, und jetzt vertragt euch wieder!“

Wie soll man jemand ernst nehmen können, der augenscheinlich nicht in der Lage oder willens ist, zwischen religiöser Fiktion und irdischer Realität zu unterscheiden?

Der zwar einerseits seinem Publikum vorgaukelt, das vermeintliche Eingreifen eines fiktionalen magischen Himmelswesens in das irdische Geschehen durch Gebete beeinflussen zu können und der andererseits aber nicht dazu aufruft, für mehr Einheit zum Beispiel zu beten, was ja nur konsequent – und, anders als der Tipp, einander zuzuhören und sich ernst zu nehmen, zwar vergebens, aber immerhin genuin religiös wäre?

Fazit: Alles bleibt anders? Nein, alles wie immer…

Einmal mehr kann ich mich nicht des Verdachts erwehren, dass hier wiedermal irgendein gerade aktuelles gesellschaftliches Thema dazu instrumentalisiert wurde, irgendwas Biblisches im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu platzieren.

Etwas, das zumindest den Anschein erweckt, irgendetwas mit dem Aufhänger-Thema zu tun zu haben oder gar einen sinnvollen inhaltlichen Beitrag dazu leisten zu können. Eine Erklärung, welcher Beitrag das sein soll, bleibt Herr Höner schuldig.

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2 Gedanken zu „Alles bleibt anders – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Die Versuchung Jesus (angeblich Gott selbst, allmächtig, -wissend und -blubb)…

    Satan stellt den armen Trottel auf nen Berg (Bergmassiv Hermon,2814 m, höchster Punkt Isaraels) von dem man angeblich alle Königreiche der Welt überblicken kann (Sicht hat evtl. bis Grenzregion Ägypten gereicht) und erzählt ihm, das wären ALLE!
    Das war bestimmt, nicht leicht, für so nen allmächtigen, dem sowieso alles gehört (da angeblich selbst erschaffen), so nen Deal abzulehnen.

    Jesus: „Waaas?! Der Sandhaufen da vorne, das soll Ägypten sein? Und das hinter mir Syrien??? Da is ja auch blos Steppe und Sand!? Ne du, ich glaub ich verzichte dann mal lieber und hunger noch n paar Tage vor mich hin, bis ich schönere Halluzinationen hab…“

    P.S.:
    Gestern gabs Erbseneintopf.
    Heute Nacht musste ich 40-mal furzen.
    Bedeutet dies, dass ich heute Morgen nen „HEILIGEN STUHL“ hatte?!

    Antworten
  2. Richtig, Herr Höner.
    Was sind denn schon 40 Jahre Wüstenwanderungsstrapazen oder 35 Jahre Ossi-Wessi-Animositäten. Das sind doch nur peanuts.

    Aber 70 Jahre WzS, das ist schon eine andere Nummer.
    Da wird selbst der hartgesottenste Atheist langsam ungeduldig. 😉

    Selbst ab und an ein paar neue sympathische Gesichter machen die Sache nicht erträglicher, wie jetzt wieder. Magdalena Kiess ist eine von den Neuen. Sie hat auch schon ihre erste Werbesendung absolviert. Alter Wein in neuen Schläuchen, kann man da nur sagen. Sie hat das Thema „Vertrauen“ gewählt, passend aufgehängt am bevorstehenden Misstrauensvotum gegen Olaf Scholz.
    Spoiler: Nach vielen banalen Sätzen über das Problem des Vertauens unter den Menschen kommt sie am Ende zu dem einzigen religiösen Bezug in ihrem 4-minütigen Sermon und zu dem Schluss, dass nur das Vertrauen auf Gott die einzig feste und tröstliche Grösse in ihrem Leben sein kann.
    Marc wird das sicher in seiner kritischen Analyse gebührend zu würdigen wissen. 😉

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