Laut-Sprecher – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Pastorin Annette Behnken (evangelisch), veröffentlicht am 22.02.25 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Ihr Anliegen, der Wahrhaftigkeit durch Stille und Nachdenken auf die Spur zu kommen macht Frau Behnken durch die Auswahl einer völlig unpassenden Bibelstelle zunichte.Unbesiegbarer Sommer
Frau Behnken ist diesmal auf der Suche nach Wahrhaftigkeit.
Zunächst beschreibt sie mit Camus eine Kraft, die wir in uns tragen:
Ich hab letzte Woche ein paar Tage Urlaub gemacht. Paris – das erste mal in meinem Leben. Die Straßen, die Kunst, die Cafes – alles atmet Leichtigkeit. Auch mitten im Winter. Von Albert Camus, dem französischen Philosophen, stammt der Satz: „Inmitten des Winters habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“ Passte gut. Aber tatsächlich meint der Satz natürlich viel mehr. Nämlich eine Kraft, die wir in uns tragen. Die wir gerade in schwierigen Zeiten brauchen. Und die oft gerade dann aufwacht, wenn es die Umstände verlangen. Ein guter Trotz. Ein konstruktiver Widerstand.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Laut-Sprecher – Wort zum Sonntag, verkündigt von Pastorin Annette Behnken (evangelisch), veröffentlicht am 22.02.25 von ARD/daserste.de)
Nach diesem poetischen, aber auch wenig konkreten Einstieg berichtet die Pastorin von einer Unterhaltung mit einem leise und bedächtig sprechenden und in Anbetracht der aktuellen Situation beunruhigten Bundeswehrsoldaten, die sie auf der Zugfahrt geführt hatte. Und stellt sich und ihrem Publikum die Frage nach Wahrhaftigkeit:
Wahrhaftigkeit
Wo liegt die Wahrhaftigkeit? Im Lauten? Im Leisen?
Wenn es um Begriffe wie Wahrhaftigkeit geht, ist es zunächst sinnvoll, sich auf eine gemeinsame Definition zu einigen.
Wikipedia beschreibt die Bedeutung wie folgt (Hervorhebungen von mir):
Wahrhaftigkeit ist eine vom Individuum sowohl kognitiv als auch emotional verantwortete innere Haltung, die das Streben nach Wahrheit beinhaltet. Wahrhaftigkeit ist keine Eigenschaft von Aussagen, sondern bringt das Verhältnis eines Menschen zur Wahrheit oder Falschheit von Aussagen zum Ausdruck. Die Wahrhaftigkeit kann falsche Aussagen nur durch einen Irrtum hervorbringen. Zur Wahrhaftigkeit gehört die Bereitschaft, für wahr Gehaltenes zu überprüfen.
Wahrhaftigkeit bezeichnet das subjektive „Für-wahr-Halten“ der eigenen Aussage in einem konkreten Kontext.
(Wikipedia: Wahrhaftigkeit)
Oder anders formuliert: Wahrhaftig ist das, was ich persönlich für wahr halte.
Wenn ich eine falsche Aussage für wahr halte, dann irre ich mich. Und, gerade im Bezug auf religiöse Glaubensgewissheiten besonders wichtig, ist die Bereitschaft, für wahr Gehaltenes zu überprüfen. Diese Bereitschaft ist eine Voraussetzung für Wahrhaftigkeit.
Von einer kritischen Überprüfung ist Frau Behnken mit ihren phrasenhaften Formulierungen freilich weit entfernt:
Die leisen Töne
Es tut so weh, wie zur Zeit die lauten Töne dominieren, rabiate Antworten – und oft auch die Unwahrheit. Reaktion folgt auf Reiz und eskaliert. In eine gefährliche und lebensfeindliche Richtung. Was in all dem fehlt, wir aber so dringend brauchen: Die leisen Töne. Das Innehalten. Eine gute Nachdenklichkeit, die sich Zeit nimmt, um kluge Gedanken zu entwickeln. Das Laute übertönt so schnell die Suche nach Wahrhaftigkeit. Und das Mitgefühl.
Dem kann ich zumindest insoweit zustimmen, dass viele Beiträge in den Fernsehdebatten der letzten Tage und Wochen tatsächlich immer wieder Beweise dafür lieferten, dass das Laute die Suche nach Wahrhaftigkeit zu übertönen versucht hatte.
Allerdings sollte sich jetzt die Frage stellen, wie diese „gute Nachdenklichkeit, die sich Zeit nimmt, um kluge Gedanken zu entwickeln“ denn nun konkret aussehen sollte.
Für nicht religiös oder politisch ideologisierte Menschen liegt die Antwort auf der Hand: Durch rationales, kritisches und faktenbasiertes Überprüfen der Aussagen. Egal, ob diese laut oder leise geäußert wurden.
Wie zu erwarten kommt Frau Behnken nicht zu diesem Schluss. Sondern landet, wen sollte es wundern, bei ihrer Suche nach Wahrhaftigkeit beim Gott der biblisch-christlichen Mythologie:
Klang einer schwebenden Stille
Es ist eine alte Weisheit, dass in der Stille eine große Kraft liegt. Elias, der biblische Prophet erfährt das, als er, als es ihm gerade sehr schlecht geht, nach Gott ruft. Er sucht ihn im Sturm. Aber da ist er nicht. Er sucht ihn weiter, an allen möglichen Stellen – und findet ihn nicht. Aber dann wird es still – er hört, so erzählt es die Bibel: „den Klang einer schwebenden Stille“. Und als es so ganz still wird, da spürt Elia: Gott ist da. Gott wohnt in der Stille.
In der Elia-Legende geht es, frei nach 1. Könige 18, vornehmlich um die Konstruktion des biblischen Monogottes. Um die Anhänger des Gottes Baal von der Überlegenheit seines, bis dato noch als Wettergott aktiven Gottes JHWH zu überzeugen, veranstaltet der Prophet zunächst eine aberwitzige BBQ-Challenge.
Dabei bereiten er und die Anhänger von Baal jeweils Fleisch auf einem Grill vor. Nachdem die Baalsjünger vergeblich darauf warteten, dass ihr Gott ihr Feuerholz entzünden möge, lässt Elia seinen Grill zunächst sogar noch mehrmals mit Wasser überschütten, bevor sein Gott schließlich die gesamte tropfnasse Installation in Flammen aufgehen lässt.
Erst wird gegrillt, dann abgeschlachtet
Dieses 1:0 für JHWH überzeugt das Volk und Elia ermordet gleich noch vorsorglich die Baalspropheten höchstselbst, damit die nicht nochmal auf die Idee kommen, das auserwählte Volk Gottes zum falschen Glauben zu verführen:
Als das alles Volk sah, fielen sie auf ihr Angesicht und sprachen: Der HERR ist Gott, der HERR ist Gott! Elia aber sprach zu ihnen: Greift die Propheten Baals, dass keiner von ihnen entrinne! Und sie ergriffen sie. Und Elia führte sie hinab an den Bach Kischon und schlachtete sie daselbst.
Nach diesem religiös motivierten Massaker bekommt Elia ein schlechtes Gewissen und legt sich in eine Höhle, um zu sterben.
Gefragt vom Wort Gottes, was das solle antwortet er, dass er mit seiner Aktion ihn, also seinen Gott Zebaoth hatte rächen wollen und jetzt selbst auf der Abschussliste stünde.
In der biblischen Legende folgt dann die von Frau Behnken sehr frei zitierte Stelle, wo Gott nicht mehr wie bisher als Sturm, Erdbeben oder Feuer, sondern nur noch als säuselnder Wind „in Erscheinung“ tritt.
Stilles, sanftes Sausen
Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
(1. Könige 19 11-12 LUT)
Hier wiederholt Elia nochmal sein Eingeständnis, das er kurz vorher schon einmal dem „Wort Gottes“ gegenüber geäußert hatte.
Sorge dafür, dass alle getötet werden, die sich mir nicht unterwerfen wollen!
Jetzt sind wir natürlich sehr gespannt, was der liebe Gott vermittels eines säuselnden Windes denn dem Propheten mitzuteilen hat:
[Sausewind-Gott spricht:] Und es soll geschehen: Wer dem Schwert Hasaëls entrinnt, den soll Jehu töten, und wer dem Schwert Jehus entrinnt, den soll Elisa töten. Und ich will übrig lassen siebentausend in Israel, alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor Baal, und jeden Mund, der ihn nicht geküsst hat.
(1.Könige 19,17-18 LUT)
Das sind also die leisen Töne? Das kommt in der Bibel beim Innehalten heraus? Das ist das Ergebnis einer guten Nachdenklichkeit, die sich Zeit nimmt, um kluge Gedanken zu entwickeln? Weil Das Laute so schnell die Suche nach Wahrhaftigkeit übertönt? Und das Mitgefühl?
Vorsätzliche Themaverfehlung
Als Positivbeispiel des von Frau Behnken vermutlich in guter Absicht geforderten Innehaltens und Nachdenkens ist ausgerechnet diese Bibelstelle aus mehreren Gründen völlig ungeeignet:
- Bei Frau Behnken sind die „Laut-Sprecher“ die „Bösen“, also die, die die Wahrheit mit ihrem Geplärre übertönen. In der Bibellegende ist es der liebe Gott, der bislang gerne in Form von gewaltigen Wetterphänomenen seiner bevorzugten Trockennasenaffenart erschienen war (vgl. Exodus 19, wo an selber Stelle Donnerschläge, Blitze und anschwellende Jagdhornklänge dem Wort Gottes voraus und mit ihm einher gegangen waren (Quelle)). Und der es ab jetzt offenbar vorzieht, nur noch in „klingender Stille“ in Erscheinung zu treten. Dies kann wohl auch als Hinweis darauf gedeutet werden, dass Gott nunmehr nicht mehr als Wettergott tätig ist. Sein Faible für Berge scheint er aber beibehalten zu haben, wie der Schauplatz der Geschichte nahe legt.
- Anders als bei Frau Behnken kommt Elia nicht etwa durch eigenes Nachdenken und Reflexion zu neuen, besseren Erkenntnissen. In der Geschichte hatte der liebe Gott lediglich seine Art geändert, seinem Vertriebler neue Befehle zu übermitteln.
- Und dann beauftragt dieser Gott seinen Propheten nicht etwa, eine ethisch vertretbare, kluge und, wie von Frau Behnken eigens geforderte mitmenschliche Lösung anzustreben – im Gegenteil. Denn seine Anweisung besteht darin, mehrfach redundant dafür zu sorgen, dass auch wirklich erst alle getötet werden, die sich auch weiterhin nicht ihm, sondern Baal unterwerfen wollen.
Fazit
Einmal mehr sehe ich hier den Tatbestand der arglistigen Täuschung erfüllt. Frau Behnken erweckt durch die hoch selektive und völlig verzerrte Darstellung den Eindruck, die genannte Bibelstelle sei ein brauchbares Positiv-Beispiel für ihr Anliegen. Damit erweckt sie den Anschein, die Bibel würde im Zusammenhang mit ihrem heutigen Thema einen relevanten, wertvollen Beitrag leisten können.
Die Weisheit des Winters ist es, dass in der Stille Neues geboren wird. Wir brauchen das jetzt: Die Kraft der leisen Töne, die es wagt, zu zweifeln, zu hinterfragen, Nuancen wahrzunehmen.
Nur hat ausgerechnet das überhaupt nichts mit der Bibelstelle zu tun. Denn da geht es ja gerade nicht um zweifeln, hinterfragen oder Nuancen wahrzunehmen. Sondern darum, den unmenschlichen Auftrag eines Ex-Wettergottes entgegenzunehmen und ohne irgendwelche Zweifel oder Hinterfragung auszuführen. Selbst, wenn dieser nicht mehr mit Donnerschall, sondern als klingende Stille in Erscheinung tritt.
Mein Wunsch an Sie: Machen Sie morgen nen Winterspaziergang. Gehen Sie wählen. Und: nehmen sie sich zwischendurch Zeit für die leisen Stimmen in ihnen. Die, die wissen, dass mitten im Winter ein unbesiegbarer Sommer liegt.
…na, das hat ja hervorragend geklappt… Welche Wahlentscheidung Frau Behnken bei diesem Wunsch im Sinn hatte, verrät sie leider nicht.
Eine gute Nacht!
…ob die Wahl wohl mit einem ordentlichen frommen Segen statt eines profanen Gute-Nacht-Wunsches anders ausgegangen wäre? Am besten gesprochen von einem Mann? Weil Frauen laut Bibel (1. Kor 14,34) in der Versammlung und gemäß Frauenkenner Dr. Martin Luther am besten generell zu schweigen haben? Wie war das noch gleich mit der Wahrhaftigkeit…?
Das kommt also davon, wenn man archaische Kulturen zitiert, die Jahrhunderte lang einen Vulkan angebetet haben und meinten, die innere Stimme ihrer eigenen Gedanken, stets nach Selbstbestätigung trachtend, wären die Befehle eines Gottes…
Experiment:
-Man nehme 3 Gläubige der selben Religion.
-Man gibt ihnen ein Thema, zu dem alle 3 konträre Meinungen haben.
-Dann lässt man sie voneinander getrennt ihren „Gott“ befragen, was dieser davon hält.
Ergebnis:
-Alle 3 werden sich durch „Gottes Stimme“ in ihrer individuellen Meinung bestätigt fühlen.
-Keine Spur von Einigkeit! Kein Gott! Nur Autosuggestion!
Wie wäre es denn eimal mit Logik und Vernunft als Quellen innerer Stärke? Die kommen im WzS so gut wie nie vor … Warum wohl nicht?
Gute Idee, aber Logik und Vernunft sind mit Religion nicht kompatibel.
Wenn man die kindlich naiven Vorstellungen von Gläubigen mit der Realität ad absurdum führt, ist das in ihren Augen Christenverfolgung.
Da kann Frau Behnken ja froh sein – oder ist sie sich sogar sicher (?) -, dass sich ihre fromme Zuhörerschaft kaum die Mühe machen werden, Bibel-Quellenstudium zu betreiben. Auch auf der WzS-Seite der ARD ist in der schriftlichen Wiedergabe der Predigt – wohlweisslich (?) – keine Quelle zu ihrer Elias-Episode angegeben.
Es ist ja auch tatsächlich schwierig, in der Bibel leise Töne auszumachen. Da muss man schon ordentlich suchen, um da was halbwegs Einschlägiges zu finden. Dann aber meistens auch noch nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht wie hier von Frau Behnken.
Da ich bei Frau Behnken von geistiger Zurechnungsfähigkeit ausgehe, komme ich zu dem Schluss, dass sie in erheblichem Umfang gegen das 8. Gebot ihres Dekalogs verstossen hat.
Tun Sie Busse, Frau Behnken!
Ausserdem erwarte ich ein vollumfängliches Dementi ihrer inkriminierten Aussage bei Gelegenheit Ihres nächsten WzS.
😉