Alle Vögel sind nicht da – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum, veröffentlicht am 12.07.25 von ARD/daserste.de
Darum geht es
Mit ihrer Umdeutung der Vögel-Stelle aus der „Bergpredigt“ präsentiert Frau Prumbaum heute ein weiteres Beispiel für die dreifache Unredlichkeit moderner Mainstream-Apologeten.Der Text von Anke Prumbaum (die auf der ARD-Webseite zwischenzeitlich mal kurz unter dem Namen Prumbach in Erscheinung getreten war) aus „Das Wort zum Sonntag“ nutzt die Beobachtung von Vögeln als Ausgangspunkt für eine religiöse Reflexion über Trost, Hoffnung und die Verantwortung des Menschen für die Natur.
Vögel als Trostspender: Biologie statt Metaphysik
Die Faszination für Vögel und ihre Lieder ist tief im Menschen verwurzelt. Naturwissenschaftlich betrachtet, ist das Wohlgefühl, das Vogelgesang auslöst, kein Wunder, sondern Ergebnis der Evolution:
Der Mensch entwickelte in seiner Geschichte eine enge Beziehung zur Natur, und Vogelstimmen signalisierten oft Sicherheit und einen neuen Tag. Dass wir Trost in der Natur finden, ist also erklärbar – ohne den Rückgriff auf übernatürliche Deutungen.
„Die ersten Vogelstimmen am Morgen […] tun gut. Und trösten. Noch bevor die Sonne aufgeht.“
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Wort zum Sonntag, verkündigt von Anke Prumbaum, veröffentlicht am 12.07.25 von ARD/daserste.de)
Hier zeigt sich: Die Natur kann uns emotional berühren, weil wir Teil von ihr sind. Das ist ein zutiefst humanistischer Gedanke, der die Bedeutung von Naturerfahrung für das menschliche Wohlbefinden unterstreicht.
Für diesen Effekt spielt es keine Rolle, dass es bei Vogelgezwitscher hauptsächlich sehr wahrscheinlich um Vögeln geht – oder um Revier-Angelegenheiten.
Da verhält es sich genauso wie bei Blumen: Deren Formen und Farben können auch Lebewesen entzücken, die für die Pflanzen mangels bestäubendem Verhalten völlig nutzlos sind bzw. sogar lebensbedrohlich (Stichwort: Blumenstrauß) sein können.
Die Verantwortung des Menschen: Fakten statt Glaube
Frau Prumbaum verweist auf das Artensterben und den Rückgang der Vogelpopulationen – ein reales, durch wissenschaftliche Studien belegtes Problem. Die Ursachen sind menschengemacht: Intensive Landwirtschaft, Pestizide, Klimawandel.
Hier ist die säkular-rationale Perspektive klar: Es braucht faktenbasierte Politik und gesellschaftliches Engagement, um die Lebensgrundlagen für Vögel (und letztlich auch für uns) zu erhalten.
Jetzt ist es natürlich höchste Zeit für die Glaubensreklame, denn um die geht es im Wort zum Sonntag ja eigentlich:
Vielleicht gibt Jesus deshalb in der Bergpredigt den Tipp: „Seht die Vögel unter dem Himmel an“, sagt er. „Sie säen nicht, sie ernten nicht. Und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.“
Dass nicht Gottvertrauen die Lösung ist, sondern Aufklärung, Bildung und Handeln auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, gesteht sogar Frau Prumbaum in gewisser Weise ein:
Ein Satz, der wahr ist…und zugleich auch nicht. Er ist heute nicht mehr wahr, weil gerade dieses Gleichgewicht gestört ist, in dem jedes Lebewesen einfach von dem lebt, was da ist und ein sorgloses Gottvertrauen reicht. Durch den Lebenswandel von uns Menschen kommt das.
Dieser Satz war auch damals schon nicht wahr.
Einen „himmlischen Vater“, der Mensch und Tier ernährt, gabs damals ebenso wenig wie heute.
Allmächtiger Gott: Keine Chance gegen menschlichen Lebenswandel
Wäre er wahr, dann würde das ja bedeuten, dass der liebe Gott wegen des menschlichen Lebenswandels leider nicht mehr wie bisher in der Lage oder willens ist, für ausreichend Vogelfutter und Lebensraum für Vögel zu sorgen, wie von Jesus behauptet. Ganz schön lame für eine allmächtige Entität…
Und weil Gottvertrauen mangels göttlicher Existenz noch zu keiner Zeit tatsächlich in der erhofften Art und Weise jemals erfüllt wurde, kastriert und verbiegt Frau Prumbaum jetzt die Textstelle. Um den Eindruck zu erwecken, die Bibel hätte irgendwas Sinnvolles zum Thema beizutragen:
Aber der Satz Jesu ist auch wahr. Schaut hin. Was diese gefiederten Wesen können. Wunder, kleine Wunder. Die Formation ziehender Gänse und Kraniche lässt mich staunen. Die Route auf dem Zug in den Süden, tausende Kilometer, macht mich ehrfürchtig.
Frau Prumbaum kann sicher sein, dass die eigentliche Aussage dieser Stelle den meisten ihrer Schäfchen mindestens genauso egal ist wie ihr selbst.
Seid ihr denn nicht viel mehr wert als sie?
Worum es eigentlich geht wird sichtbar, wenn wir uns die Stelle unverkürzt anschauen (Hervorhebung von mir):
Sehet die Vögel des Himmels an: sie säen nicht und ernten nicht und sammeln nichts in Scheuern, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr wert als sie?
Matthäus 6,26-29 MENG
Da Frau Prumbaum als Frau des Glaubens diese Stelle natürlich im vollen Wortlaut kennt, muss sie sich vorwerfen lassen, ihr Publikum hier bewusst zu täuschen, wenn sie statt der eigentlichen Aussage (Vögel werden von Gott versorgt und ihr seid viel mehr wert als Vögel) die banale Aufforderung, die Vögel des Himmels anzusehen in den Vordergrund stellt.
Denn hier geht es nicht um das achtsame Betrachten von Vögeln oder um deren Schutz. Dieser einleitende Imperativ dient lediglich als rhetorisches Stilmittel, um den pädagogischen Charakter des Gleichnisses zu verdeutlichen.
Im Gegenteil: Gerade ihren niedrigen Wert stellt der biblische Romanheld Jesus ja hier in den Vordergrund: „Seid ihr denn nicht viel mehr wert als sie?“
Dreifach unredlich
Das ist freilich nicht der erste Fall von Unredlichkeit einer Berufschristin gegenüber der biblischen Aussage, gegenüber sich selbst und gegenüber dem Publikum.
Solchen Fällen begegnen wir in religiösen Verkündigungen immer wieder. Sie treten auf, wenn Apologeten Bibelstellen bewusst verfälscht oder verkürzt widergeben. Um sie weniger absurd, zumindest unverfänglich oder gar wie einen wertvollen, tiefgründigen und zeitgemäßen Beitrag erscheinen zu lassen.
Sehr zur Freude der christlich-religiösen Fundamentalisten, die vom Evangelisierungs-Engagement ihrer weichgespülten Glaubensbrüder und -schwestern ebenfalls profitieren. Die errichten ihre menschenverachtende Ideologie dann auf den Bibelstellen, die jene weglassen oder verharmlosend umformulieren, um nicht selbst als religiös verstrahlte Spinner mit Realitätsverlust dazustehen.
HELFT DEN ARMEN VÖGELN!
Götter existieren bis zum Beweis des Gegenteils nur in der menschlichen Phantasie. Und deshalb ernähren sie in der realen Welt auch keine Vögel. Jesus hatte sich – wiedermal – geirrt. Oder gelogen.
Die Verantwortung für Folgen menschlichen (Fehl-)verhaltens liegt – beim Menschen. Und nicht bei einer fiktiven höheren Macht.
Als Ausweg aus dem theologischen Sumpf, in den sie sich jetzt unweigerlich immer weiter hinein manövrieren würde, wählt Frau Prumbaum die schönen Gefühle von Freiheit, die sie beim Betrachten von Zugvögeln überkommen:
Schickt ihnen eure Sehnsucht hinterher, diesen gefiederten Boten Gottes.
Vögel sind keine gefiederten Boten Gottes. Wenn schon, dann sind sie höchstwahrscheinlich gefiederte Boten der Dinosaurier.
Das findet man freilich nicht in der Bibel. Dort gibt es zwar Drachen und Einhörner, aber keine Dinosaurier.
Gefiederte Boten Gottes in der Bibel
Gefiederte Boten Gottes werden in der Bibel hingegen tatsächlich mehrfach erwähnt. Es sind dies allerdings keine Vögel, sondern Engel.
Wie die so unterwegs sind, können wir im „Neuen Testament“ nachlesen. Also in dem Teil der Bibel, von dem Mainstreamchristen gerne fälschlicherweise behaupten, er hätte den noch viel absurderen und unmenschlicheren 1. Teil ersetzt und aktualisiert:
Das fliegende Killerkommando des lieben Gottes
Offenbarung 14, Verse 6-20 MENG
- Dann sah ich einen anderen Engel hoch oben mitten am Himmel fliegen, der den Bewohnern der Erde und allen Völkerschaften und Stämmen, Sprachen und Völkern eine ewiggültige Heilsbotschaft zuverlässig zu verkündigen hatte.
- Er rief mit lauter Stimme: »Fürchtet Gott und gebt ihm Ehre! Denn gekommen ist die Stunde seines Gerichts; und betet den an, der den Himmel und die Erde, das Meer und die Wasserquellen geschaffen hat!« –
- Hinter ihm kam ein anderer, zweiter Engel, der rief: »Gefallen, gefallen ist das große Babylon, das alle Völker vom Glutwein seiner Unzucht hat trinken lassen!« –
- Noch ein anderer, dritter Engel folgte ihnen nach, der mit lauter Stimme rief: »Wenn jemand das Tier und sein Bild anbetet und das Malzeichen an seiner Stirn oder seiner Hand (oder: seinem Arm) annimmt,
- der wird (oder: soll) gleichfalls vom Zornwein Gottes trinken, der ungemischt im Becher seines Zornes hergestellt ist, und wird (oder: soll) mit Feuer und Schwefel vor den Augen der heiligen Engel und vor dem Lamm gepeinigt werden;
- und der Rauch von ihrer Peinigung steigt in alle Ewigkeit auf, und sie haben keine Ruhe bei Tag und bei Nacht, sie die das Tier und sein Bild anbeten, und alle, die das Malzeichen seines Namens an sich tragen!«
- Hier muß sich das standhafte Ausharren der Heiligen zeigen, die da treu bleiben den Geboten Gottes und dem Glauben an Jesus.
- Da vernahm ich eine Stimme aus dem Himmel, die (mir) zurief: »Schreibe: Selig sind die Toten, die im Herrn sterben, von jetzt an! Ja – so spricht der Geist –, sie sollen ausruhen von ihren Mühsalen; denn ihre Werke folgen ihnen nach.«
- Nun sah ich plötzlich eine weiße (= lichte) Wolke, und auf der Wolke saß einer, der wie ein Menschensohn aussah (Dan 7,13); er hatte auf dem Haupt eine goldene Krone (oder: einen goldenen Kranz) und eine scharfe Sichel in der Hand.
- Dann trat ein anderer Engel aus dem Tempel heraus und rief dem auf der Wolke Sitzenden mit lauter Stimme zu: »Lege deine Sichel an und beginne die Ernte! Denn die Zeit zum Ernten ist gekommen, weil die Ernte der Erde dürr (= vollreif) geworden ist.«
- Da ließ der auf der Wolke Sitzende seine Sichel über die Erde fahren, und die Erde wurde abgeerntet.
- Dann trat noch ein anderer Engel aus dem Tempel im Himmel heraus, der gleichfalls eine scharfe Sichel hatte,
- und ein anderer Engel kam aus dem Altar heraus; der hatte Macht über das Feuer und rief dem, der die scharfe Sichel hatte, mit lauter Stimme die Worte zu: »Lege deine scharfe Sichel an und schneide den Fruchtertrag (= die Trauben) am Weinstock der Erde ab! Denn seine Trauben sind reif geworden.«
- Da ließ der Engel seine Sichel über die Erde fahren, erntete den Weinstock der Erde ab und schüttete (die Trauben) in die große Zorneskelter Gottes.
- Hierauf wurde die Kelter draußen vor der Stadt getreten (Jes 63,3; Joel 4,13): da kam Blut aus der Kelter hervor bis hinauf an die Zügel der Pferde (und ergoß sich) sechzehnhundert Stadien (d.h. vierzig Meilen = 296 Kilometer) weit.
Frau Prumbaum, wäre das mal nicht eine wirklich spannende Herausforderung für Sie? Ein „Wort zum Sonntag“ nur zu diesem Abschnitt aus der Offenbarung?
Die ja genauso Teil der angeblich göttlich geoffenbarten bzw. zumindest inspirierten, überlegenen göttlichen Weisheit ist wie die fiktive „Bergpredigt“, aus der Sie sich heute ein unverfängliches Textfragment herausgepickt hatten?
Ich wette: Sie schaffen das!
Sehnsucht, Staunen, Engagement
Und bei aller Sehnsucht vergesst nicht, dass man etwas tun kann und auch muss für eine Umgebung, in der auch die Vögel gut leben können.
Der erste Schritt in diese Sehnsucht ist, auf sie zu schauen, auf die Rotkehlchen, die Meisen, die Spechte, die Amseln.
Die Sehnsucht nach Freiheit, die Vögel symbolisieren, ist ein universales menschliches Gefühl. Sie kann inspirieren, sich für den Erhalt der Natur einzusetzen.
Staunen über die Natur ist kein exklusiv religiöses Erlebnis. Es kann auch aus naturalistischer Sicht ein Motor für Neugier, Wissenschaft und Engagement sein. Und – wie Frau Prumbaum ja sogar selbst einräumt – kein naiv-illusorisches „Gottvertrauen“, zu dem die völlig überflüssige und in ihrer eigentlichen Aussage völlig unpassende zitierte Bibelstelle auffordert.
Das Motto der heutigen Sendung scheint gewesen zu sein:
„Gestehe ein, dass das, was wir eigentlich glauben sollen, Quatsch ist, ohne zu sagen, dass das, was wir eigentlich glauben sollen, Quatsch ist.“
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