Offenbar gehen Herrn Buß langsam die Metaphern aus. Jedenfalls wird heute schon wieder wird gepilgert. Diesmal führt der Stadtpfarrer aus Fulda sein Publikum nicht nur wie gewohnt in die Irre, sondern auch noch direkt in die Wüste, zu Johannes.
Darum geht es
Stadtpfarrer Stefan Buß präsentiert poetisch verbrämte Vertröstung auf fiktive Erlösung statt rationaler Problemanalyse und konkreter Handlungsoptionen – eine Strategie der Entmündigung durch bestenfalls hoffnungsvoll erscheinende Illusionen.Der Adventsimpuls von Pfarrer Stefan Buß vom 13. Dezember 2025 ist ein Paradebeispiel für die rhetorischen Strategien, mit denen religiöse Institutionen emotionale Bedürfnisse ansprechen, ohne substanzielle Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu liefern. Eine rationale Betrachtung offenbart die Leerstellen hinter der poetischen Fassade.
Die Pilgermetapher: Bewegung ohne Ziel
Buß präsentiert den Advent als „Pilgerweg der Hoffnung“ – eine Metapher, die suggeriert, dass Bewegung an sich bereits sinnstiftend sei. Doch wohin führt dieser Weg konkret? Die Antwort bleibt nebulös: zu „Christus“, zum „Reich Gottes“, das „schon mitten unter uns wächst“.
Aus humanistischer Sicht ist diese Unbestimmtheit problematisch. Während säkulare Ethik konkrete Ziele formuliert – Reduktion von Leid, Förderung von Wohlergehen, soziale Gerechtigkeit – bleibt der religiöse „Weg“ abstrakt. Die Pilgermetapher verschleiert, dass es kein überprüfbares Ziel gibt, sondern nur die Hoffnung auf ein lediglich behauptetes Versprechen, das sich jeder Plausibilität (und einer empirischen Verifikation sowieso) entzieht.
Johannes der Täufer: Autoritarismus im prophetischen Gewand
Die Figur des biblischen Johannes wird als „unbequem“ und „unbestechlich“ idealisiert – Attribute, die seine konfrontative Botschaft legitimieren sollen. Doch was ist diese Botschaft? Ein Ruf zur „Umkehr“, eine Forderung, den eigenen „Kurs zu prüfen“, verpackt als „Einladung“.
Hier offenbart sich ein klassisches Muster religiöser Rhetorik: Die Androhung von Konsequenzen („das Himmelreich ist nahe!“) wird als fürsorgliche Einladung umgedeutet. Die implizite Botschaft lautet: Ihr seid auf dem falschen Weg, nur durch Unterwerfung unter die religiöse Autorität findet ihr das Heil. Diese Form der psychologischen Manipulation – die Erzeugung von Schuld und das Angebot ihrer Auflösung durch Glauben – ist ein Kernmechanismus religiöser Kontrolle.
„Trotziges Vertrauen“ statt rationaler Problemlösung
Besonders aufschlussreich ist Buß‘ Definition von Hoffnung: „kein naiver Optimismus“, sondern „trotziges Vertrauen“. Hoffnung bedeute, „an das Licht zu glauben, auch wenn die Nacht dunkel ist“, „an die Liebe, auch wenn der Hass laut schreit“.
Diese Haltung mag emotional tröstlich wirken, ist aber rational betrachtet eine Kapitulation vor der Wirklichkeit. Statt Probleme zu analysieren und konkrete Lösungen zu entwickeln, wird zum „trotzigen“ Festhalten an unüberprüfbaren Glaubenssätzen aufgerufen.
Im Gegensatz dazu steht die aufklärerische Position: Hoffnung erwächst aus Handlungsfähigkeit, aus der Erkenntnis, dass Menschen die Bedingungen ihres Zusammenlebens durch Vernunft, Empathie und gemeinsames Engagement verbessern können. Säkularer Humanismus fragt nicht nach göttlichem Beistand, sondern nach menschlicher Verantwortung.
Die Umkehr-Rhetorik: Entmündigung durch Schuldgefühle
Der Aufruf zur „Umkehr“ suggeriert, dass die Zuhörer im „Kreis ihrer Gewohnheiten, ihrer Sorgen, ihrer Selbstbezogenheit“ gefangen seien. Diese pauschale Abwertung menschlicher Autonomie ist charakteristisch für religiöse Diskurse, die menschliche Unvollkommenheit als Ausgangspunkt für die Notwendigkeit göttlicher Erlösung konstruieren.
Buß spricht von „Ballast abwerfen“ – Bitterkeit, Angst, dem „Gefühl, nichts ändern zu können“. Doch statt praktische Wege zur Bewältigung dieser realen psychischen Belastungen aufzuzeigen (Therapie, soziale Unterstützung, politisches Engagement), wird eine spirituelle Lösung angeboten: „Platz machen für Gott“.
Das „Lamm Gottes“: Opfertheologie im 21. Jahrhundert
Die Referenz auf Jesus als „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“, perpetuiert eine der problematischsten Theologien des Christentums: die Sühneopfervorstellung. Die Idee, dass ein unschuldiges Wesen stellvertretend für die Vergehen anderer leiden müsse, widerspricht fundamentalen ethischen Prinzipien individueller Verantwortung.
Aus humanistischer Sicht ist jeder Mensch für sein Handeln selbst verantwortlich – nicht durch stellvertretende Sühne, sondern durch Einsicht, Wiedergutmachung und Verhaltensänderung. Die Sühneopfertheologie entmündigt Menschen, indem sie moralische Verantwortung externalisiert.
Die Chimäre des „Reich Gottes, das schon mitten unter uns wächst“
Diese Formulierung ist besonders bemerkenswert in ihrer Widersprüchlichkeit: Das Reich Gottes ist gleichzeitig bereits gegenwärtig und noch zukünftig, bereits wachsend und doch noch zu erwarten. Diese logische Inkohärenz ist typisch für religiöse Sprache, die durch Mehrdeutigkeit Kritik entgehen will.
Wenn das „Reich Gottes“ bereits unter uns wächst – wo sind die Belege? Die Welt von heute ist geprägt von Kriegen, Klimakrise, sozialer Ungleichheit. Realistische Hoffnung entsteht nicht durch die Behauptung transzendenter Wirklichkeiten, sondern durch nachweisbare Fortschritte: medizinische Errungenschaften, Menschenrechte, demokratische Institutionen – alles Ergebnisse menschlicher Anstrengung, nicht göttlicher Intervention.
Fazit: Poetische Worte, inhaltliche Leere
Pfarrer Buß‘ Adventsimpuls ist stilistisch schlicht und inhaltlich substanzlos. Die metaphernreiche Sprache verdeckt, dass keine einzige konkrete Handlungsanleitung geboten wird. Stattdessen werden Gläubige ermutigt zu „gehen“ – ohne zu wissen wohin –, zu „hoffen“ – ohne empirische Grundlage –, und sich zu „öffnen“ – für eine Entität, deren Existenz genauso wenig belegt ist wie die aller anderen Götter auch.
Die Botschaft lautet letztlich: Vertraut, wartet, unterwerft euch. Dies ist das Gegenteil von Aufklärung. Aufklärung bedeutet, den Mut zu haben, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Sie bedeutet, Verantwortung für die Gestaltung der Welt zu übernehmen, statt auf transzendente Rettung zu hoffen.
In einer Welt voller realer Herausforderungen – vom Klimawandel über soziale Ungerechtigkeit bis zu geopolitischen Konflikten – brauchen wir keine „Pilger der Hoffnung“, die sich einbilden, einem nebulösen Ziel entgegenzuwandern. Wir brauchen Menschen, die rational analysieren, solidarisch handeln und ihre Hoffnung auf das stützen, was sich als wirksam erwiesen hat: menschliche Vernunft, Empathie und gemeinsames Engagement für eine bessere Welt.
Die wahre Hoffnung liegt nicht im Advent eines Gottes, sondern im Advent mündiger, selbstverantwortlicher Menschen.

















Bitte beachte beim Kommentieren: