Platin-Rosine 2017 geht an wählerisch-sein.de

Auf der Webseite wählerisch-sein.de betreibt das Evangelisch-Lutherische Landeskirchenamt Sachsens laut eigner Darstellung eine „Guerilla-Kampagne für mehr Wahlbeteiligung & Demokratie.“

Ein zum Download angebotenes, 6seitiges PDF-Dokument legt jedoch die Vermutung nahe, dass es sich in Wirklichkeit um einen Versuch handelt, die bevorstehende Wahl zu nutzen, um die Bibel als noch irgendwie relevant für unsere heutige Gesetzgebung darzustellen.

Für diese Vermutung spricht auch das Formular, über das man sich an diesem Projekt beteiligen kann. Denn hier soll man angeben, von welchem Text aus dem Grundgesetz oder aus der Bibel man sich zur Entscheidung, wählen zu gehen habe inspirieren lassen.

Und in der Projektbeschreibung lesen wir, mit welchem Selbstverständnis die Macher von wählerisch-sein.de auftreten (Hervorhebung von mir):

Mit dieser Aktion soll zur Wahlbeteiligung für die Bundestagswahl am 24. September motiviert werden. Die Statements beziehen sich auf Aussagen des Grundgesetzes und der Bibel, die thematisch einander zugeordnet sind. Ohne Hinweis auf Parteien und Programme wird damit eine doppelte Aufmerksamkeit erzielt:

  1. Wichtige Grundlagen und Prinzipien der freiheitlich – demokratischen Grundordnung werden ins Bewusstsein gerufen.

  2. Die Verkoppelung mit biblischen Texten macht deutlich, auf welchem Fundament diese Werte stehen.
    (Quelle: wählerisch-sein.de)

Damit ist die Absicht klar definiert. Doch um den Anschein zu erwecken, biblische Texte seien die Fundamente unseres Grundgesetzes, muss man vor allem eins sein: Äußerst wählerisch.

Herausgekommen ist eine Bibelversauswahl, die wählerisch-sein.de die Platin-Rosine am Band 2017 für außergewöhnlich umfangreiche Rosinenpickerei eingebracht hat.

In diesem Beitrag wollen wir zeigen, dass sich die gewählten Bibelstellen, wenn überhaupt nur dann mit unserem Grundgesetz in Verbindung bringen lassen können, wenn sie aus dem biblischen Zusammenhang herausgepickt werden. Bei fast allen Stellen handelt es sich um Texte, in denen lediglich ähnliche Wörter vorkommen wie im jeweiligen GG-Artikel.

In den kommenden Tagen stellen wir die im PDF-Dokument genannten Gesetzesartikel, die dazu von wählerisch-sein.de gewählten Bibelverse und unsere Einschätzung dazu vor.

Vielen Dank an „Scrutator – ungeschminkte Bibelkritik“ für die Unterstützung!

Art. 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. (Gen 1,27)

Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.
(Psalm 8,5-6)

Die im Grundgesetz verbriefte unantastbare Würde des Menschen beruht eben nicht auf einem Schöfpungsmythos, mit dem die Menschen in der Bronzezeit versucht hatten, sich eine ihnen ansonsten unerklärliche Welt zu erklären. Wer sich gerne als „nur wenig geringer gemacht“ fühlen möchte als sein imaginärer Freund und wer meint, von diesem mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt zu sein – gerne. Die Gedanken sind frei und intellektuelle Redlichkeit ist keine Pflicht. Jeder mag sich seine Wirklichkeit gestalten, wie sie ihm gefällt, egal, wie weit diese von der irdischen Wirklicheit entfernt ist.

Nur: Mit dem Art. 1 des Grundgesetzes hat das alles so viel zu tun, als dass dieser Paragraf jede noch so absurde Weltanschauung ermöglicht.

In der Bibel, von Gläubigen oft auch als das „Wort Gottes“ bezeichnet, finden sich, wen wunderts, auch mehr als genug Stellen, die aus irgendwelchen Gründen nicht für wählerisch-sein.de ausgewählt wurden. Hier nur 4 Beispiele von quasi beliebig vermehrbaren Bibelstellen, in denen es um die Würde des Menschen schlecht bestellt ist:

  • Denn zu Mose sagt er: Ich schenke Erbarmen, wem ich will, und erweise Gnade, wem ich will.
    Also kommt es nicht auf das Wollen und Streben des Menschen an, sondern auf das Erbarmen Gottes.
  • Ich sah die Toten vor dem Thron stehen, die Großen und die Kleinen. Und Bücher wurden aufgeschlagen; auch das Buch des Lebens wurde aufgeschlagen. Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet, nach dem, was in den Büchern aufgeschrieben war. Und das Meer gab die Toten heraus, die in ihm waren; und der Tod und die Unterwelt gaben ihre Toten heraus, die in ihnen waren. Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. Der Tod und die Unterwelt aber wurden in den Feuersee geworfen. Das ist der zweite Tod: der Feuersee. Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuersee geworfen. (Offb 20, 12-15)
    In der Schrift wird zum Pharao gesagt: Eben dazu habe ich dich bestimmt, dass ich an dir meine Macht zeige und dass auf der ganzen Erde mein Name verkündet wird. Er erbarmt sich also, wessen er will, und macht verstockt, wen er will. (Röm 9,15-19)
  • Ich bin Jahwe, langmütig und reich an Huld, der Schuld und Frevel wegnimmt, der aber (den Sünder) nicht ungestraft lässt, der die Schuld der Väter an den Söhnen verfolgt, an der dritten und vierten Generation: (4. Mo 14-18)
  • So spricht der Herr: Die Ägypter mit ihren Erträgen, die Kuschiter mit ihrem Gewinn und die groß gewachsenen Sebaiter werden zu dir kommen und dir gehören; in Ketten werden sie hinter dir herziehen. Sie werfen sich nieder vor dir und bekennen: Nur bei dir gibt es einen Gott und sonst gibt es keinen. (Jes 45,14)

Ganz offensichtlich hat sichs mit der unantastbaren Würde mitunter auch ganz schnell erledigt. Nämlich dann, wenn jemand nicht bereit ist, sich dem biblischen Gott zu unterwerfen. Un- und Andersglaube ist im Alten Testament direkt zu ahnden, im Neuen Testament kümmert sich Gott höchstpersönlich um die Abtrünningen, indem er sie nach deren Ableben mit ewigen Höllenqualen bestraft.

Art. 1 (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag. (1.Mose 1,31)

Was für eine arrogante Anmaßung. Welche Verhöhnung der unzähligen Millionen von Menschen, die im vermeintlichen Auftrag und Namen genau dieses Gottes Un- und Andersgläubige verfolgt, ausgebeutet, unterdrückt, gefoltert und ermordet haben. Nein, für einen allmächtigen, allwissenden, allgütigen Gott ist ihm diese Erde alles andere als „sehr gut“ geraten. Seine einzige Entschuldigung kann sein, dass er nicht existiert.

Es ist wohl kaum untertrieben, die Zuordnung genau dieser Bibelstelle zum Art. 2 unseres Grundgesetzes als eine perfide Pervertierung zu bezeichnen.

Die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte, die die Grundlage von offenen und freien Gesellschaften darstellen, mussten gegen den erbitterten und gewaltsamen Widerstand der Kirche durchgesetzt werden.

Die gut 1000 Jahre, in denen das Christentum an der Macht war, gingen als das „Finstere Mittelalter“ in die Menschheitsgeschichte ein.

Andererseits kommt die Auswahl dieser Bibelstelle einer inhaltlichen Bankrotterklärung gleich. Wenn sich zum Thema Menschenrechte in der Bibel nichts anderes finden lässt als ein Wüstenmythos, nachdem ein erfundener Schöpfergott sein Werk als „sehr gut“ bezeichnet, dann ist das schon reichlich armselig. Aber auch kein Wunder, wenn man überlegt, dass die Menschenrechte die derzeit höchste Stufe einer ganzen Reihe von Werten sind, die allesamt nichts mit den biblischen Mythen und Legenden zu tun haben:

Humanistisches Denken > Rationalität > Säkularität > Rechtsstaatlichkeit > Demokratie > Menschenrechte

Die Webseite wählerisch-sein.de ist ein Projekt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen. Beim nächsten medienwirksam zelebrierten Ökumenischen Treffen mit den katholischen Glaubensbrüdern (und, falls anwesend, -Schwestern) wäre ein interessanter Tagesordnungspunkt die Frage, wie es sein kann, dass der Vatikan einer der wenigen Staaten ist, die die Menschenrechtscharta der UNO bis heute ablehnen. Weil die Katholische Kirche bis heute das Recht Gottes höher einschätzt als das Menschenrecht. (Quelle: deutschlandfunk.de)

Gerade monotheistische Religionen wie das Christentum bauen auf einer Aufteilung der menschlichen Gemeinschaft in Zugehörige (Gläubige, die Ingroup) und Nicht-Zugehörige (Un- und Andersgläubige, die Outgroup) auf. Wer möchte, kann seinen partikulären Standpunkt problemlos biblisch begründen (Hervorhebung von mir):

  • Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. (1.Mose 12,1-3)

Natürlich passt die Vorstellung, einem „auserwählten Volk“ anzugehören, nicht zu dem Frieden und der Gerechtigkeit in der Welt, wie sie in Art. 2 GG beschrieben werden.

Art. 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt. (1. Kor 12,13)

Dieser Bibelvers hat nichts mit der Gleichheit vor dem Gesetz zu tun. Denn vor dem Gesetz sind auch alle die gleich, die nicht von Geistern getränkt wurden. Oder die sich von anderen Geistern getränkt fühlen. Für die Gleichheit vor dem Gesetz, die in Art. 3 des Grundgesetzes festgeschrieben steht, ist es unerheblich, ob jemand getauft wurde oder nicht. Das Eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Auch hier liefert ein kurzer Blick in die Kriminalgeschichte des Christentums zahllose Beispiele, dass es über viele Jahrhunderte überlebenswichtig war, sich wenigstens zum Schein zum jeweils vorgeschriebenen Gott zu bekennen.

Die ursprüngliche Absicht hinter der hier ausgewählten Bibelstelle ist einfach zu durchschauen: Um das Christentum als Staatsreligion etablieren zu können, musste es mit den Vorstellungen möglichst vieler Menschen kompatibel gemacht werden. Das einende Merkmal ist hierbei aber nicht das Menschsein. Sondern das Getauftsein.

Somit kann auch dieser Versuch, die Bibel als irgendwie relevante Quelle für moderne ethische oder rechtliche Standards zu erheben, als gescheitert angesehen werden.

Auch wenn die hier gewählte Bibelstelle nichts mit der Gleichheit vor dem Gesetz zu tun hat, finden sich in der Bibel jede Menge Stellen, in denen Menschen eben nicht gleich behandelt werden. Drei Beispiele sollen genügen:

  • Denn jedes Volk und jedes Reich, das dir nicht dient, geht zugrunde, die Völker werden völlig vernichtet. (Jes 60, 12)
  • Wer einen Menschen so schlägt, dass er stirbt, wird mit dem Tod bestraft. Wenn er ihm aber nicht aufgelauert hat, sondern Gott es durch seine Hand geschehen ließ, werde ich dir einen Ort festsetzen, an den er fliehen kann. (2. Mo 21, 12-13)
  • Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt. (Kol 3,18)

Art. 3 (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. (Gal 3,28)

Wie kann nur jemand ernsthaft auf die Idee kommen, dieses Bibelzitat mit diesem Grundgesetz in Verbindung zu bringen? Nur weil hier ausnahmsweise auch mal sogar der Frau das „Recht“ zugestanden wird, „einer“ in Christus Jesus zu sein?

Nochmal: Das religiöse Bekenntnis ist nicht das Kriterium für die Gleichbehandlung von Mann und Frau. Es hat damit schlicht nichts zu tun.

Abgesehen davon spielt die Frau in der Bibel (trotz verzweifelter Versuche von weiblichen Gläubigen, das irgendwie anders zurechtzubiegen) wenn überhaupt eine untergeordnete Rolle.

Eine Gleichberechtigung von Mann und Frau wird man freilich vergeblich suchen, in den Gesellschaftsordnungen der Menschen, die zwischen der Bronzezeit und dem ausgehenden Mittelalter (und nicht gerade in Stämmen mit Matriarchiat) lebten.

Und so wundert es kaum, dass die Bibel voll von Stellen ist, die sich auch bei allergrößter Anstrengungen heute nicht mehr als nicht frauenfeindlich interpretieren lassen:

  • So ist die Ehefrau durch das Gesetz an ihren Mann gebunden, solange er am Leben ist; wenn ihr Mann aber stirbt, ist sie frei von dem Gesetz, das die Frau an den Mann bindet. (Röm 7,2)
  • […] «Es ist gut für den Mann(,) keine Frau zu berühren». Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und jede soll ihren Mann haben. (1.Kor 7,1-2)
  • Nicht die Frau verfügt über ihren Leib, sondern der Mann. Ebenso verfügt nicht der Mann über seinen Leib, sondern die Frau. (1. Kor 7,4)
  • Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus); denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen. (Eph 5,22-24)
  • Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen. (1. Mo 1, 16)

Frauen zählten seinerzeit zum Besitz des Mannes wie Vieh und Hausrat. Kein Wunder, dass sich in der Bibel keine Stelle findet, in der die Gleichberechtigung von Mann und Frau gefordert wird – diese Idee gab es damals einfach noch nicht.

Viele Ratschläge zur Erniedrigung und Unterdrückung von Frauen gab auch der Reformator und leidenschaftliche Frauenhasser Dr. Martin Luther. Einige davon sind hier zu finden.

Art. 3 (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. (Röm 10,12)

Wie kaum anders zu erwarten, wurde auch dieser Satz passend aus dem Zusammenhang gepickt. Was mit „Darin“ gemeint ist, steht im Satz davor:

  • Denn die Schrift sagt: Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen. (Röm 10,11)

Die gewählte Bibelstelle besagt also das genaue Gegenteil dessen, was in Art. 3 (3) festgelegt wird. Nur zwischen Gläubigen solls laut Bibel keinen Unterschied geben. Daran ändert sich auch nichts, wenn man die Bedingung einfach weglässt. Auch dies erscheint mir als ein bitteres Armutszeugnis, ein weiterer gescheiteter Versuch, der biblischen Aussage noch irgendeine Relevanz anzudichten.

Für alle Eigenschaften oder Ansichten, die per Gesetz hierzulande geschützt sind, finden sich in der Bibel Beispiele, dass Menschen mit diesen Eigenschaften oder Ansichten selbstverständlich zu benachteiligen sind oder (vom Wüstengott) bevorzugt werden.

  • [Wie es in allen Gemeinden der Heiligen üblich ist,] sollen die Frauen in der Versammlung schweigen; es ist ihnen nicht gestattet zu reden. Sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz es fordert. Wenn sie etwas wissen wollen, dann sollen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es gehört sich nicht für eine Frau, vor der Gemeinde zu reden. (1.Kor 14,34-35)
  • In meinem glühenden Zorn nehme ich Rache an den Völkern, die nicht gehorchen. (Micha 5,14)
  • Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, lasst ab von mir! Sie reden über dich voll Tücke und missbrauchen deinen Namen. Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen, die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit glühendem Hass; auch mir sind sie zu Feinden geworden. (Psalm 139,19-22)
  • Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich, der Heilige Israels, bin dein Retter. Ich gebe Ägypten als Kaufpreis für dich, Kusch und Seba gebe ich für dich. Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe, gebe ich für dich ganze Länder und für dein Leben ganze Völker. (Jes 43,3-4)

Behinderte wurden laut Bibel damals sehr wohl benachteiligt, genauer: Aus der Gemeinschaft ausgeschlossen:

  • In die Versammlung des Herrn darf keiner aufgenommen werden, dessen Hoden zerquetscht sind oder dessen Glied verstümmelt ist. In die Versammlung des Herrn darf kein Bastard aufgenommen werden; auch in der zehnten Generation dürfen seine Nachkommen nicht in die Versammlung des Herrn aufgenommen werden. In die Versammlung des Herrn darf kein Ammoniter oder Moabiter aufgenommen werden, auch nicht in der zehnten Generation. Niemals dürfen ihre Nachkommen in die Versammlung des Herrn aufgenommen werden; (5. Mo 23, 2-4)

Art. 4 (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

Und er redete zu den Juden und den Gottesfürchtigen in der Synagoge und täglich auf dem Markt zu denen, die sich einfanden. (Apo 17,17)

Einen Satz vorher ist in dieser Bibelstelle zu erfahren, dass der hier beschriebene Paulus in Athen mit anderen religiösen und weltanschaulichen Bekenntnissen wohl arge Probleme hatte:

  • Während Paulus in Athen auf sie wartete, erfasste ihn heftiger Zorn; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern. (Apg 17,16)

Natürlich ist der Zorn dieses literarischen Heldes nicht die einzige Reaktion auf Un- und Andersgläubige, wenn es nach der Bibel geht. Vielmehr besteht die biblische Gesamtaussage aus dem Nicht-Anerkennen der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses:

  • Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. (Mk 16,16)

Wenn die Bibel in einer Aussage unmissverständlich ist, dann in dieser, dass Un- und Andersglaube das mit Abstand schlimmste und keinesfalls tolerierbare menschliche Fehlverhalten ist. Wird im Alten Testament noch detailliert geschildert, wie Jahwe seine Anhänger in der Niederschlagung seiner Feinde unterstützt (die von diesen im Auftrag und Namen ihres zornigen Kriegsgottes gemetzelt werden), ist die Bestrafung im Neuen Testament dann Chefsache:

  • So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen und in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. (Mt 13,49-50)

Sicherheitshalber schiebt wählerisch-sein.de noch einen zweiten Bibelspruch hinterher:

Das Ziel der Unterweisung aber ist Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungeheucheltem Glauben. (1. Tim 1,5)

Die Macher von wählerisch-sein.de scheinen sich sehr sicher zu sein, dass sich niemand die Mühe macht mal nachzuschauen, aus welchen Texten sie ihre Rosinen für ihr Projekt herausgepickt haben. Nur so ist es zu erklären, dass sich eine Bibelstelle wie diese hier findet, und dann auch noch ausgerechnet im Zusammenhang mit Art. 4 (1) unseres Grundgesetzes. Dem gewählten Satz geht nämlich dieser voraus (Hervorhebungen von mir):

  • Bei meiner Abreise nach Mazedonien habe ich dich gebeten, in Ephesus zu bleiben, damit du bestimmten Leuten verbietest, falsche Lehren zu verbreiten und sich mit Fabeleien und endlosen Geschlechterreihen abzugeben, die nur Streitfragen mit sich bringen, statt dem Heilsplan Gottes zu dienen, der sich im Glauben verwirklicht. (1.Tim 1,3-4)

Ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet? Nein. Die wird verboten. Und zwar exakt einen Satz vor dem, der als biblischer „Beleg“ für Religionsfreiheit angeführt wurde.

Einmal mehr sei angemerkt, dass die Bekenntnisfreiheit zu den Werten zählt, die gegen den erbitterten Widerstand der christlichen Kirche erkämpft werden mussten. Heute profitieren die Christen nicht nur selbst davon. Sie tun auch so, als sei diese Freiheit gar aus der christlichen Lehre ableitbar.

Art. 5 (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. (Ex 20,16)

Das sollst du nicht. Nur trifft diese Bibelstelle nicht den Inhalt dieser gesetzlichen Norm. Denn solange keine persönlichen Rechte verletzt werden, darf hierzulande jeder auch den gröbsten Unfug und Lügen aller Art ungestraft öffentlich verbreiten. Dazu kommt, dass in vielen Bereichen gar nicht so genau feststeht, was tatsächlich „falsch“ und was „richtig“ ist.

Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten; du sollst nicht einem Schuldigen Beistand leisten, indem du als Zeuge Gewalt deckst. (Ex 23,1)

Sollst du nicht. Aber darfst du. Siehe oben. Wer meint, ein überirdisches Wesen habe sich vor rund 2000 Jahren seinen eigenen Sohn als Menschenopfer für sich selbst temporär zu Tode hatte foltern lassen, um damit die Menschen von einer Sünde zu befreien, mit der dieses Wesen die Menschen vorher selbst bestraft hatte, der darf das in Wort, Schrift und Bild frei äußern und verbreiten. Diesem Verkünder ist dann nur zu wünschen, dass er auch seine Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, nutzt.

Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. (Eph 4,25)

Und noch ein Bibelspruch, der mit Meinungs- und Pressefreiheit nichts zu tun hat. Getreu dem wohlbekannten Motto aller Nebelkerzenwerfer: „Wir schreiben einfach mal irgendwas hin, wird schon keiner nachfragen…“

Meinungsfreiheit ist ein rotes Tuch für religiöse Verkündiger. Bis vor wenigen Jahren war es noch gängige Praxis, kirchen- oder glaubenskritische Bücher und unliebsame Werke verbieten zu lassen, indem man sie auf den Index setzte.

Die Kirchenlobby sorgt auch heute noch zuverlässig dafür, dass bestimmte Kirchen dank umfassender Sonderprivilegierung überproportional in den Medien vertreten sind.

Wer auf christlichen Webseiten unterwegs ist, dem könnte aufgefallen sein, dass hier so gut wie nie Kommentare von Besuchern zugelassen sind. Auch der evangelische Online-Fragen-Beantwortungsdienst beantwortet nur Fragen, die ihm in den Kram passen. Gleiches gilt für kritische Kommentare oder auch nur Nachfragen, die nicht nur zensiert, sondern in der Regel gar nicht erst veröffentlicht werden. Was sie freilich nicht davon abhält, bei jeder Gelegenheit Dialogbereitschaft anzumahnen. Wein saufen,…

In der Bibel werden Menschen, die nicht die eigenen religiösen Phantasien teilen bestenfalls nur beleidigt:

  • Ihr Nattern, ihr Schlangenbrut! [gemeint sind Schriftgelehrte und Pharisäer] Wie wollt ihr dem Strafgericht der Hölle entrinnen? (Matthäus 23,33)

Auch dieser Versuch, Bibelverse mit dem Grundgesetz in Verbindung zu bringen, darf wohl als gescheitert angesehen werden.

Art. 5 (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! (Gal 5,1)

Auch hier erschließt sich mir der Zusammenhang zwischen dem Artikel und der Bibelstelle nicht wirklich. Im Text, aus dem dieser Vers gepickt wurde, gehts so weiter (Hervorhebung von mir):

  • Hört, was ich, Paulus, euch sage: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird Christus euch nichts nützen. Ich versichere noch einmal jedem, der sich beschneiden lässt: Er ist verpflichtet, das ganze Gesetz zu halten. Wenn ihr also durch das Gesetz gerecht werden wollt, dann habt ihr mit Christus nichts mehr zu tun; ihr seid aus der Gnade herausgefallen. Wir aber erwarten die erhoffte Gerechtigkeit kraft des Geistes und aufgrund des Glaubens. (Gal 5,2-5)

Hier wird also göttliche Gnade über von Menschen festgelegtes Recht gestellt.

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre waren in der Kriminalgeschichte des Christentums nur frei, solange sie keine Gefahr für die klerikale Macht darstellten. Sobald dies auch nur vermutet wurde, war es mit der Freiheit vorbei. Und nicht nur mit der Freiheit. Sondern für gewöhnlich auch direkt mit dem Leben des Künstlers oder Forschers. Solange die Kirche noch die Macht dazu hatte.

Art. 6 (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

Du sollst nicht ehebrechen. (Ex 20,14)

Der „besondere Schutz“ von Ehe und Familie macht keine Aussage über das Thema Ehebruch. Beim Gesetz handelt es sich um eine rechtliche Norm, bei dem Spruch aus dem Alten Testament um eine moralische Verhaltensanweisung. Die von wählerisch-sein.de ausgewählte Bibelstelle ist also nichts weiter als ein klassisches Strohmann-Argument: Ehe und Familie?

Da passt das Gebot vom Ehebruch doch ganz gut dazu, das nehmen wir!

Würde unser Grundgesetz tatsächlich auf biblischen Werten und Normen basieren, dann wäre die Steinigung die angemessene Bestrafung für Ehebruch. Dieser Auffassung zufolge müssten nicht nur alle, die ihre Frau betrügen, gesteinigt werden, sondern auch alle Geschiedenen und Wiederverheirateten:

  • Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; auch wer eine Frau heiratet, die von ihrem Mann aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch. (Lk 16,18)
  • Ferner ist gesagt worden: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt, muss ihr eine Scheidungsurkunde geben. Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch. (Mt 5, 31-32)
  • Ein Mann, der mit der Frau seines Nächsten die Ehe bricht, wird mit dem Tod bestraft, der Ehebrecher samt der Ehebrecherin. (3. Mo 20,10)

Was die anoymen Bibelschreiber ihrem Jesus in den Mund legten, legt die Vermutung nahe, dass Familien damals einen besonderen Schutz ihrer Familien durch staatliche Ordnung nötig gehabt hätten, um sich der Angriffe des Heilands zu erwehren:

  • Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.
    Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. (Mt 10, 34-37)
  • Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. (Lk 14,26)

Art. 6 (4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. (Joh 19, 26-27)

Auch in diesem Punkt versagt die Bibel als mögliche Gesetzesgrundlage. Das dürfte einmal mehr mit der aus heutiger Sicht inakzeptablen Stellung der Frau zur damaligen Zeit zusammenhängen. Es fällt auf, dass die anonymen Verfasser ihrem Jesus einen auffällig rauhen und mit unter sogar fast schon hasserfüllten, auf jeden Fall aber abfälligen Umgangston in den Mund legten, sobald es um seine Mutter ging:

  • Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. (Jo 2,3-4)
  • [Jesus sagt:] Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. (Mt 10,37)
  • Da sagte jemand zu ihm [Jesus]: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir sprechen. Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. (Mt 12, 47-49)
  • Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. (Lukas 14,26)

Art. 6 (5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Und Abraham sprach zu Gott: Ach dass Ismael möchte leben bleiben vor dir! (Gen 17,18)

„Am Leben bleiben“ ist etwas anderes als „gleiche Bedingungen für leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft.“ Wieder lohnt sich ein Blick auf den insgesamt haarsträubenden Text, aus dem diese „Rosine“ herausgepickt wurde:

Ab 1. Mose 16 wird beschrieben, wie Abrahams Frau ihre Sklavin ihrem Mann als Leihmutter zur Verfügung stellt. Nachdem diese von dem Greis schwanger wurde, wollte sie sich nicht länger ihrer Herrin unterordnen und machte sich aus dem Staub.

Gott ließ der abtrünnigen Sklavin durch einen Engel ausrichten, dass sie gefälligst zurück zu ihrer Herrin zu gehen um deren „harte Behandlung“ ertragen zu habe. Letztere wurde im zarten Alter von 90 Jahren schließlich doch noch vom mittlerweile 100jährigen Abraham schwanger und gebar Isaak.

Während Isaak von Gott zum Bündnispartner ausgewählt wurde, gabs für den unehelichen Ismael nur einen Segen und Fruchtbarkeit, um immerhin 12 Fürsten zu zeugen.

  • Auch was Ismael angeht, erhöre ich dich. Ja, ich segne ihn, ich lasse ihn fruchtbar und sehr zahlreich werden. Zwölf Fürsten wird er zeugen und ich mache ihn zu einem großen Volk. Meinen Bund aber schließe ich mit Isaak, den dir Sara im nächsten Jahr um diese Zeit gebären wird. (1.Mo 17,20-21)

A propos leibliche und seelische Entwicklung: Im selben Text, aus dem der von wählerisch-sein.de gewählte Satz herausgepickt wurde, erfährt der Leser auch, dass der alttestamentarische Gott nicht nur unter Demenz zu leiden scheint (ständig passieren ihm irgendwelche Pannen und er blickt oft selbst nicht mehr durch, welche Bünde er mit wem geschlossen hatte), sondern offenbar auch ein Faible für menschliche Vorhäute hat:

  • Das ist mein Bund zwischen mir und euch samt deinen Nachkommen, den ihr halten sollt: Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld von irgendeinem Fremden erworben, der nicht von dir abstammt. Beschnitten muss sein der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen. (1.Mo 17,10-14)

Dieser Ausschnitt zeigt exemplarisch, dass diese Mythen und Legenden aus der Bronzezeit aus heutiger Sicht bestenfalls noch wie befremdliche, bizarre Märchengeschichten aus längst vergangenen Zeiten erscheinen. Wenn man nur gezielt sucht und alles nicht Passende weglässt, lässt sich aus praktisch jedem beliebigen Text irgendetwas herausdestillieren, das irgendwie zu etwas anderem zu passen scheint.

Bis hierher hatten wir bereits mehrere Beispiele für diese so genannte Red Herring-Taktik. Damit kann man dann so tun, als habe man etwas Relevantes zu einem Thema beizutragen. Doch wird zum Beispiel ein Artikel des deutschen Grundgesetzes wahrer oder richtiger, weil in einem gezielt herausgepickten Textfragment aus einer Mythen- und Legendensammlung aus der Bronzezeit oder aus dem Vormittelalter wie etwa in diesem Beispiel auch ein außereheliches Kind vorkommt?

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

Da zwangen die Ägypter die Israeliten mit Gewalt zum Dienst und machten ihnen ihr Leben sauer mit schwerer Arbeit in Ton und Ziegeln und mit mancherlei Frondienst auf dem Felde, mit all ihrer Arbeit, die sie ihnen mit Gewalt auferlegten. (Ex 1, 13-14)

Zu der Zeit, als die biblischen Geschichten niedergeschrieben wurden, war Sklaverei eine völlig normale Einrichtung. Sklaven zählten wie Vieh, Frau und Hausrat zum Besitztum der Männer. Mit der gewählten Bibelstelle versuchen die Macher von wählerisch-sein.de, den Schwarzen Peter den Ägyptern zuzuschieben. Und so den Eindruck erwecken, als seien die Fremden, Andersgläubigen diejenigen mit der aus heutiger Sicht kritikwürdigen Moral.

Dabei lässt sich historisch erschreckend umfassend und detailliert belegen, dass gerade Christen unzählige Menschen versklavten und als Handelsware betrachteten. Dabei konnten sie sich problemlos auf das selbe „Wort Gottes“ berufen, aus dem auch die hier gewählte Stelle stammt.

Der Gott, dessen Wort in der Bibel widergegeben sein soll, scheint mit Sklaverei ebenfalls kein Problem zu haben. Im Gegenteil. In der Bibel finden sich jede Menge Aussagen darüber, wie Sklaven sich zu verhalten haben und wie mit ihnen umzugehen ist. Hier nur drei Beispiele von vielen:

  • Jeder soll in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat. Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht bedrücken; auch wenn du frei werden kannst, lebe lieber als Sklave weiter. Denn wer im Herrn als Sklave berufen wurde, ist Freigelassener des Herrn. Ebenso ist einer, der als Freier berufen wurde, Sklave Christi. (1. Kor 7, 20-22)
  • Ist es vielleicht etwas Besonderes, wenn ihr wegen einer Verfehlung Schläge erduldet? Wenn ihr aber recht handelt und trotzdem Leiden erduldet, das ist eine Gnade in den Augen Gottes. (1Petr 2,20)
  • Der Knecht, der den Willen seines Herrn kennt, sich aber nicht darum kümmert und nicht danach handelt, der wird viele Schläge bekommen. (Lk 12,47)

Art. 13 (1) Die Wohnung ist unverletzlich.

Und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird Ruhe und Sicherheit sein auf ewig, dass mein Volk in friedlichen Auen wohnen wird, in sicheren Wohnungen und in sorgloser Ruhe. (Jes 32,17-18)

Diese Stelle wurde aus einem Abschnitt herausgepickt, der mit „Die Wirkung des Geistes aus der Höhe“ überschrieben ist. Das Versprechen von Sicherheit dürfte für ein kleines verfolgtes Wüstenvolk besonders verlockend gewesen sein. Dazu hätte aber zunächst der „Geist aus der Höhe“ über das auserwählte Volk „ausgegossen“ werden müssen, wie im selben Abschnitt zu erfahren ist.

Zum Glück ist der Schutz der Privatsphäre heutzutage und hierzulande nicht von fiktiven Geisterergüssen abhängig. Sondern im Grundgesetz verankert.

Art. 14 (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Wenn du den Zehnten deines ganzen Ertrages zusammengebracht hast im dritten Jahr, das ist das Zehnten-Jahr, so sollst du ihn dem Leviten, dem Fremdling, der Waise und der Witwe geben, dass sie in deiner Stadt essen und satt werden. (Deut 26,12)

Jesus hatte offenbar andere Ansichten zum Thema Eigentum. Denn die unbekannten Bibelautoren ließen ihn klar stellen, dass man erst gar kein irdisches Eigentum haben solle:

  • Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. (Mt 6,19-20)

Diese „Schätze im Himmel“ kommen freilich der Allgemeinheit nicht zugute. Sondern nur dem, der sie „anhäuft.“

Und in diesem Zusammenhang müssen sich gerade die christlichen Kirchen fragen lassen, inwieweit sie denn den Verpflichtungen ihrer Eigentümer nachkommen. Denn aus klerikaler Sicht scheint es doch ganz sinnvoll zu sein, nicht nur himmlische, sondern sehr irdische Schätze aller Art anzuhäufen. Allein das Vermögen der katholischen Kirche Deutschland wurde 2013 auf 200 Milliarden Euro geschätzt und liegt damit in Bereichen wie etwa Microsoft (Quelle).

Dass Geben seliger denn Nehmen sei wird zwar gerne gepredigt, für die Prediger scheint dies aber nicht zu gelten. Die Faktenlage legt diese Vermutung jedenfalls nahe. Der Liedermacher Robert Long brachte es in seinem Lied „Jesus führt“ wie folgt auf den Punkt:

  • Herrscht Hungersnot in einem Land,
    dann hebt in Rom ein Mann die Hand
    und murmelt einen alten frommen Segen –
    Den seinen hat’s der Herr im Schlaf gegeben.
    Denn lohnend häuft sich die Moral
    zu einem Aktienkapital.
    Und mit so einem Heiligenschein
    ist es nicht peinlich, reich zu sein.
    (Quelle)

Art. 16 (1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

Jakob aber wohnte im Lande, in dem sein Vater ein Fremdling gewesen war, im Lande Kanaan. (Gen 37,1)

Was hat die Feststellung, dass Jakob offenbar der Sohn eines Einwanderers war, mit dem Grundgesetz zum Schutz der Staatsangehörigkeit zu tun? In dem Text, aus dem dieser Satz stammt, geht es um die Träume von Josef, der deswegen und wegen der Bevorzugung durch seinen Vater von seinen Geschwistern angefeindet wurde.

Ein und dasselbe Gesetz gelte für den Einheimischen und den Fremdling, der unter euch wohnt. (2.Mo 12,49)

Dabei dürfte es für den Fremdling aber schon von Vorteil gewesen sein, sich auch als Fremdling dem „richtigen“ Gott unterworfen zu haben. Denn sonst drohte Saures:

  • Herr, erhebe dich, mein Gott, bring mir Hilfe! Denn all meinen Feinden hast du den Kiefer zerschmettert, hast den Frevlern die Zähne zerbrochen. Beim Herrn findet man Hilfe. Auf dein Volk komme dein Segen! [Sela] (Psalm 8, 3-9)
  • Wenn dein Bruder, der dieselbe Mutter hat wie du, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau, mit der du schläfst, oder dein Freund, den du liebst wie dich selbst, dich heimlich verführen will und sagt: Gehen wir und dienen wir anderen Göttern – (wobei er Götter meint,) die du und deine Vorfahren noch nicht kannten, unter den Göttern der Völker, die in eurer Nachbarschaft wohnen, in der Nähe oder weiter entfernt, zwischen dem einen Ende der Erde und dem andern Ende der Erde -, dann sollst du nicht nachgeben und nicht auf ihn hören. Du sollst in dir kein Mitleid mit ihm aufsteigen lassen, sollst keine Nachsicht für ihn kennen und die Sache nicht vertuschen. Sondern du sollst ihn anzeigen. Wenn er hingerichtet wird, sollst du als Erster deine Hand gegen ihn erheben, dann erst das ganze Volk. Du sollst ihn steinigen und er soll sterben; denn er hat versucht, dich vom Herrn, deinem Gott, abzubringen, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Ganz Israel soll davon hören, damit sie sich fürchten und nicht noch einmal einen solchen Frevel in deiner Mitte begehen. (5. Mo 13, 7-12)

Und auch Jesus machte klar, dass nur die seine Freunde sein können, die tun, was er ihnen aufträgt. Die christliche Nächstenliebe bezieht sich tatsächlich nur auf die Nächsten, also die Glaubensbrüder und -schwestern:

  • Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. (Jo 15,14)
  • Doch meine Feinde, die nicht wollten, dass ich ihr König werde bringt sie her und macht sie vor meinen Augen nieder! (Lk 19,27)

Art. 16a (1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Einen Fremdling sollst du nicht bedrängen; denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil ihr auch Fremdlinge in Ägyptenland gewesen seid. (Ex 23,9)

Aber wehe, der Fremdling verehrt andere oder keine Götter! Dann ist das nämlich ein Fall für Gott persönlich. Und der hilft natürlich gerne aus, wenn es darum geht, Feinde und Frevler zu Klump zu schlagen:

  • Herr, erhebe dich, mein Gott, bring mir Hilfe! Denn all meinen Feinden hast du den Kiefer zerschmettert, hast den Frevlern die Zähne zerbrochen. Beim Herrn findet man Hilfe. Auf dein Volk komme dein Segen! [Sela] (Psalm 3, 8-9)

Die außenpolitische Strategie „Fluchtursachen bekämpfen“ sieht beim lieben Gott so aus:

  • (Gott spricht:) Ich hetze Ägypter gegen Ägypter und sie kämpfen gegeneinander: Bruder gegen Bruder, Nachbar gegen Nachbar, Stadt gegen Stadt, Gau gegen Gau. Der Geist Ägyptens gerät mitten in ihm in Verwirrung, ich vereitle seine Pläne. Dann befragen sie die Götter und die Zauberer, die Totengeister und die Gelehrten. Doch ich gebe die Ägypter in die Gewalt eines strengen Herrn, ein harter König wird über sie herrschen – Spruch Gottes, des Herrn der Heere. (Jes 19,2-4)

Auch für eine „America first“- Gesinnung findet sich eine biblische Entsprechung:

  • Deshalb wollen wir, solange wir noch Zeit haben, allen Menschen Gutes tun, besonders aber denen, die mit uns im Glauben verbunden sind. (Gal 6,10)

Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte.

So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt. (Röm 13,7)

Der Zusammenhang zwischen diesem Artikel und der gewählten Bibelstelle erschließt sich mir nicht.

Im Gesetz geht es nicht um eine Frage der Ehre oder der Furcht. Sondern um den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Denn diese Ordnung schränkt die aufgezählten Freiheiten ein. Freiheiten, die diese Grundordnung erst ermöglicht. Und deren Schutz deswegen höhere Priorität hat.

Art. 20 (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Art. 20 (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten. (Röm 13,3)

Die Bibelstelle, aus der dieser Absatz herausgepickt wurde, sagt das genaue Gegenteil dessen aus, was im Art. 20 festgelegt ist (Hervorhebungen von mir):

  • Sie [die Obrigkeit] steht im Dienst Gottes und verlangt, dass du das Gute tust. Wenn du aber Böses tust, fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut. Deshalb ist es notwendig, Gehorsam zu leisten, nicht allein aus Furcht vor der Strafe, sondern vor allem um des Gewissens willen. Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. (Röm 13,3 4-6)

Hier geht die Staatsgewalt eben nicht vom Volk aus. Sondern von einem theokratischen Regime. Das sich zu seiner Legitimation auf einen angeblichen göttlichen Auftrag beruft.

Eben nicht wegen der Gesetze, sondern weil die Obrigkeit „von Gottes Gnaden“ eingesetzt wurde, soll man sich nach biblischer Auffassung an Recht und Gesetz halten.

Es kann kaum erstaunen, dass der Versuch, solche archaischen Wertvorstellungen mit den Standards und Gesetzen eines modernen Säkularstaates in Verbindung zu bringen, kläglich scheitern muss.

Art. 21 (1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.

Wer ihn aber nicht kennt und getan hat, was Schläge verdient, wird wenig Schläge erleiden. Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern. (Lk 12,48)

Auch dieser Bibelvers hat nichts mit diesem Grundgesetz-Artikel zu tun. Kein Wunder: Demokratie sucht man gerade in einer monotheistischen Religion wie dem Christentum vergebens.

Und auch deren Vertreter haben mit Demokratie nichts oder nicht viel am Hut. Ihre innere Ordnung entspricht keinen demokratischen Grundsätzen. Ganz zu schweigen von der Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie einer öffentlichen Rechenschaft über ihr unermessliches, zum großen Teil zusammengeraubtes Vermögen…

Aber die Kirche ist ja auch keine Partei. Auch wenn ihre Funktionäre immer wieder meinen, trotzdem mit „Wahrheiten“ aus ihrer religiös erweiterten Wirklichkeit zu politischen Themen beitragen zu können. Und zu müssen.

In der Bibelstelle geht es darum, dass die Höhe der Bestrafung eines Knechtes bei Fehlverhalten davon abhängig sein soll, ob dieser den Willen seines Herren kannte oder nicht. „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ galt damals offenbar noch nicht. Und umgekehrt wird niemand mehr „in Stücke gehauen“, was laut Bibel dem Knecht droht, wenn sein Herr ihn beim Müßiggang ertappt.

Diese Bibelstelle sollte vermutlich die Antwort auf die Frage sein, warum Menschen, die den Willen Gottes nicht kannten (zum Beispiel, weil sie nie von ihm gehört hatten) nicht direkt zu erschlagen seien.

Insofern mag das vielleicht eine Verbesserung gegenüber einer solchen Aufforderung im Alten Testament gewesen sein. Mit unseren heutigen Gesetzen hat das – einmal mehr – nichts zu tun.

(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.

[…] 😉

Es wäre kaum aufgefallen, wenn die Macher von wählerisch-sein.de auch hierzu irgendeinen beliebigen, zusammenhanglosen Bibelvers herausgepickt hätten. Ein Smiley an Stelle eines Bibelspruches sehe ich als Beleg dafür, dass sich in einer Mythen- und Legendensammlung aus der Bronzezeit und aus dem Vormittelalter nichts finden lässt, was sich mit etwas wie einem vereinten Europa in Verbindung bringen lässt.

Art. 24 (2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.

und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: (Eph 4,3)

Das, was die Menschen hier einen und was allem übergeordnet sein soll, ist der Glaube an einen bestimmten Gott:

  • Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist. (Eph 4, 4-6)

Der Friedensapell bezieht sich auf die Glaubensgemeinschaft, nicht auf das Verhältnis zu anderen Gruppen oder Völkern. Es geht eben nicht um den Verzicht auf Hoheitsrechte im Interesse der Wahrung des Friedens oder der kollektiven Sicherheit, sondern – im Gegenteil – um den absolutistischen Machtanspruch eines Wüstengottes.

Art. 25 Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

Die Völker freuen sich und jauchzen, dass du die Menschen recht richtest und regierst die Völker auf Erden. Sela. (Psalm 67,5)

Im Gegenteil. Völkerrecht ist das Gegenteil von Theokratie.

In offenen und freien Gesellschaften darf jeder glauben was er möchte. Regierungsaufgaben und Gerichtsbarkeit sind aber Sache von Menschen. Hienieden regieren keine überirdischen Phantasiewesen.

Bedenkt man, wie weit das Spektrum von gerechten, freiheitlichen Regierungen bis hin zu totalitären Regimen reicht, dann würde dieser angeblich göttliche Regent unter schwerer Schizophrenie leiden.

Nicht zu vergessen die unzähligen Menschen, die von Vertretern dieses Gottes und in dessen angeblichem Auftrag „recht gerichtet“ wurden. Indem sie direkt der vermeintlichen postmortalen Dauerbestrafung zugeführt wurden…

Art. 28 (1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

Weil nun das Volk Simons große Treue erfahren hatte und wusste, welchen Ruhm er seinem Volk verschaffen wollte, wählten sie ihn zu ihrem Fürsten und Hohenpriester wegen all dieser Taten und seiner Gerechtigkeit und der Treue, die er seinem Volk erwiesen hatte, und weil er sich auf jede Weise gemüht hatte, sein Volk zu erhöhen. (1. Mak 14,35)

Was mit der „Treue, die er seinem Volk erwiesen hatte“ auf sich hat, erfahren wir direkt im Anschluss an die gewählte Bibelstelle:

  • Es ist ihm zu seiner Zeit gelungen, die Fremden aus dem Land zu vertreiben, vor allem die, die in der Davidstadt in Jerusalem wohnten und sich eine Burg gebaut hatten, aus der sie Ausfälle machten, die Umgebung des Tempels entweihten und seiner Heiligkeit großen Schaden zufügten. Er siedelte in der Davidstadt Juden an und ließ sie befestigen, um Land und Stadt zu sichern. Auch ließ er die Mauern von Jerusalem höher machen. Demgemäß bestätigte ihn König Demetrius im Hohenpriesteramt. (1. Mak 14, 36-38)

Parallelen zu lebenden Machthabern sind unübersehbar. Auch heute werden Präsidenten gewählt, deren Vorfahren aus dem Ausland stammen und die versprechen, Mauern höher zu machen und Menschen abhängig von ihrem Glauben, ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft auszusperren.

Aber was hat das mit dem aktiven und passiven Wahlrecht von Staatsangehörigen der europäischen Gemeinschaft zu tun?

Art. 33 (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
Art. 33 (3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

Du sollst das Recht nicht beugen und sollst auch die Person nicht ansehen und keine Geschenke nehmen. Denn Geschenke machen die Weisen blind und verdrehen die Sache der Gerechten. (Deut 16,19)

Jetzt scheinen sich die Autoren von wählerisch-sein.de ganz von der Vorgabe verabschiedet zu haben, dass ihre Bibelstelle irgendetwas mit dem Grundgesetzartikel zu tun haben sollte. Einen Zusammenhang zwischen diesem Gesetzestext und der biblischen Aufforderung, keine Bestechung anzunehmen, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Themaverfehlung. Setzen, 6.

Einen Passus, der Rechte unabhängig vom religiösen Bekenntnis garantiert, wird man freilich in der Bibel vergebens suchen. Denn hier ist gerade das das wichtigste Unterscheidungsmerkmal.

Was religiöse Verkünder nicht davon abhält, die biblischen Anweisungen so zu darzustellen, als seien damit alle Menschen, also auch Un- und Andersgläubige gemeint. Was nicht der Fall ist (Hervorhebung von mir):

  • Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. (Joh 14,15)
  • Wer den Herrn nicht liebt, sei verflucht! Marána tha – Unser Herr, komm! (1. Kor 16, 22)
  • Doch meine Feinde, die nicht wollten, dass ich ihr König werde bringt sie her und macht sie vor meinen Augen nieder! (Lk 19,27)

Art. 38 (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Darin übe ich mich, allezeit ein unverletztes Gewissen zu haben vor Gott und den Menschen. (Apg 24,16)

Augen auf bei der Exegese: Im Gesetz steht, dass sie nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Da steht ausdrücklich nichts von Göttern. Es spielt eben keine Rolle, ob jemand Auferstehungsmythen für wahr hält, wie es im Abschnitt vor dem gewählten Bibelzitat zu lesen ist (Hervorhebung von mir):

  • Das allerdings bekenne ich dir: Dem (neuen) Weg entsprechend, den sie eine Sekte nennen, diene ich dem Gott meiner Väter. Ich glaube an alles, was im Gesetz und in den Propheten steht, und ich habe dieselbe Hoffnung auf Gott, die auch diese hier haben: dass es eine Auferstehung der Gerechten und Ungerechten geben wird.

Auf diesen Abschnitt bezieht sich der gewählte Bibelvers. In der Einheitsübersetzung (EU) ist das noch deutlicher zu erkennen. Dort heißt es (Hervorhebung von mir):

  • Deshalb bemühe auch ich mich, vor Gott und den Menschen immer ein reines Gewissen zu haben. (Apg 24,16)

Es reicht also eben nicht, nur dem eigenen Gewissen zu folgen. Der Wille eines bestimmten Wüstengottes, den sich die Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten, ist genauso zu befolgen. Wenns nach der Bibel geht.

Die Platin-Rosine am Band 2017 für wählerisch-sein.de

Wenn man sich die Mühe macht und die gewählten Bibelstellen in ihrem Kontext betrachtet, so bekommt „wählerisch-sein.de“ eine ganz neue Bedeutung. Denn die Verantwortlichen für dieses Projekt mussten äußerst wählerisch sein, um zumindest den Anschein zu erwecken, die Bibel sei für unsere heutige Gesllschaftsordnung noch irgendwie relevant.

Bei diesem Anschein bleibt es allerdings, wie diese Betrachtung zeigen sollte.

Denn die Stellen, die sich mit viel Phantasie und Umdeutung mit den jeweiligen Gesetzestexten in Verbindung bringen lassen, erscheinen durchweg in einem anderen Licht, wenn man den umgebenden Text betrachtet, aus dem sie herausgepickt wurden. Zu allen Stellen finden sich in der Bibel auch andere Stellen, mit denen sich auch das genaue Gegenteil der gewünschten Aussage „belegen“ lässt.

Und schließlich finden sich bei wählerisch-sein.de auch Bibelstellen, bei denen ich beim besten Willen keinen Zusammenhang zu den Gesetzesstellen erkennen kann.

Insgesamt ist dieses Projekt für mich ein offensichtlicher Beleg dafür, wie irrelevant biblische Texte für die heutige Zeit sind.

Quellen

  • Quelle der Auszüge aus dem Grundgesetz: © Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Stand: 23.12.2014
  • Quelle der als Zitat gekennzeichneten Bibelstellen: © Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung revidiert 2017
  • Quelle der kursiv gekennzeichneten, eingerückten Bibelzitate: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.

Ressourcen

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