Kommentar zu NACHGEDACHT (33) Wollen Sie Ihre Gefühle ausschalten?

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Kommentar zu NACHGEDACHT (33) Wollen Sie Ihre Gefühle ausschalten?, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 25.08.13 von Osthessennews

[…] [In der Handlung eines Filmes wurden] Sämtliche Kulturgüter […] zerstört, Bücher, Gemälde, Filme – dies alles gehörte zur „Emotionslast“ des Menschen, die es zu unterbinden galt.*

An dieser Stelle ein kleiner Zeitsprung ins Jahr 2015: Der dritte Weltkrieg ist zum Glück noch nicht wirklich ausgebrochen, aber trotzdem sind Menschen unterwegs, die im angeblichen Auftrag ihres angeblichen Gottes wertvolle und unersetzliche Kulturgüter zerstören, Bücher, Gemälde, Filme – und Menschen, denen diese Kulturgüter wichtig und wertvoll sind, vernichten sie ebenfalls.

Grund dafür ist jedoch nicht die „Emotionslast“ des Menschen, sondern die ungeheuerlich schreckliche Auswirkung einer Religionsvergiftung, die ihren Anhängern auch heute noch nicht nur eine Rechtfertigung für ihr verachtenswertes Handeln bietet, sondern angeblich sogar den Auftrag erteilt, genau dies zu tun.

Daran wird auch nichts dadurch besser, dass der überwiegende Teil der Anhänger dieser Religion diese nicht (mehr) zur aktiven Vernichtung Un- und Andersgläubiger und deren Werte gebrauchen – solange es noch Menschen gibt, die das tun und damit sogar der ganzen Welt den Krieg erklären, haben Religionen an sich keine Daseinsberechtigung. – …und wieder zurück ins Jahr 2013:

Und was ist mit den großen Gefühlen – Liebe und Hass? Ich will nicht durch eine Injektion nicht mehr lieben können, obwohl es mir gefallen würde, Hassgefühle auszuschalten.

Das ist dank der modernen Medizin und Pharmazie heute kein Problem mehr. Man weiß heute, welche neuronalen und biochemischen Vorgänge zu Hass führen und kann gezielt etwas dagegen tun. Welche der vielfältigen Antidepressiva oder sonstigen Behandlungsmöglichkeiten für den individuellen Fall am besten geeignet sind, kann der Facharzt herausfinden.

Neben Medikamenten können nämlich auch zum Beispiel Sonnenlicht, Vitamin D3 oder sogar Schlafentzug stimmungsaufhellend wirken. Besonders wenn der Hass mit Agression einher geht, könnten Gruppen- oder auch Einzeltherapien mit psychologischer Unterstützung hilfreich sein.**

Sinnvoller, weil zielführender dürfte es sein, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen, statt sie ausschalten zu wollen. Was genau ist es, was uns hassen lässt? Haben wir eine Möglichkeit, etwas gegen diese Ursache (nicht gegen unser Symptom Hass) zu tun? Ist unser Hass vielleicht sogar gerechtfertigt, weil das, was wir hassen, nicht nur aus unserer subjektiven Sicht, sondern objektiv, also wirklich verachtenswert ist? Gibt es dann vielleicht einen anderen Weg, damit umzugehen, statt es einfach nur blind zu hassen?

Solche und ähnliche konstruktive Gedanken werden durch Gut-Böse-Dualismen, wie sie Religionen ihren An-/Abhängigen vorschreiben, systematisch unterbunden. Alles ist entweder gut oder böse, wobei die Religionen vorgeben, was gut und was böse sein soll.

Hass, der durch künstliche Gruppenabgrenzung (wie bei Religionen oder anderen Ideologien üblich) erzeugt wird, kann am besten durch Wissen, also durch Aufklärung kuriert werden.

Also vielleicht nur die schlechten Gefühle unterbinden, wäre das etwas für eine zukünftige Welt?

Was bedeutet denn „schlechte Gefühle“? Wir regen uns ja in der Regel nicht zum Spaß über etwas auf, sondern weil etwas unser Wohl (oder das Wohl unserer Gruppe) direkt oder indirekt beeinträchtigt. Wenn das der Fall ist, sind schlechte Gefühle eine völlig natürliche und möglicherweise sogar überlebenswichtige Reaktion, die uns davor bewahrt, alles, was passiert, unkritisch und ohne zu hinterfragen teilnahmslos so hinzunehmen, wie es ist (auch das ist eines der Ziele religiöser Indoktrination, außer, wenn es um Un- oder Andersgläubige geht.). Etwas oder jemand ist „böse“, ich hasse es, sie oder ihn – einfach Augen schließen, Ohren zuhalten, Zunge rausstrecken, fertig.

Tja, wir bekommen es aber immer nur im Doppelpack, gute wie böse Gefühle gehören zu uns.

Gefühle sind per se weder „gut“ noch „böse.“ Erst unsere Bewertung von Gefühlen führt zu einer Beurteilung, ob wir etwas als „Gut“ oder als „Böse“ kategorisieren. Gefühle, die ein gesunder Mensch wahrscheinlich als „böse“ empfinden würde, könnten zum Beispiel von einem Masochisten als äußerst „gut“ empfunden werden.

Es besteht keinerlei Notwendigkeit, Gefühle in religiöser Manier in „gut“ und „böse“ einteilen zu wollen. Sinnvoller ist es, sich selbst ganz individuell zu fragen: Welche meiner Wahrnehmungen führen zu welchen Gefühlen und wie reagiere ich darauf? Welche Gefühle steigern mein persönliches „Wohl“ und welche Gefühle steigern mein persönliches „Wehe“?

[…] Wir fühlen Schlechtes und Gutes zugleich. Und wie gehen wir damit um? Am besten so, wie es in Goethes Faust gesagt wurde: „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges stets bewusst.“

Goethe setzt hier voraus, dass es nicht nur einen „rechten Weg“ gibt, sondern auch, dass ein jeder Mensch diesen eigentlich auch kennt. Alle fünf Weltreligionen behaupten, diesen „rechten Weg“ exklusiv gefunden zu haben. Da alle diese Wege heute als Holzwege, die in dieselbe Sackgasse führen entzaubert sind, stellt sich erst recht die Frage, welcher Weg denn nun der wirklich richtige ist und wohin er führt.

Wie man heute weiß, haben Menschen eine weltweit ziemlich übereinstimmende Vorstellung davon, was im ethischen Sinn falsch und richtig ist – unabhängig von Weltanschauung, Religion, Glaube, Geschlecht oder Gruppenzugehörigkeit. Ausnahmen stellen hauptsächlich religiöse Fundamentalisten aller Art dar, die meinen, die Wertvorstellungen ihres Gottes (also ihre eigenen) als für alle Menschen verbindlich durchsetzen zu müssen. Religionen sind nicht geeignet, die ethischen „Spielregeln“ für Menschen im 21. Jahrhundert zu liefern.

Eine globale, für alle Menschen weltweit verbindliche Ethik kann nicht vom angeblichen, in Wirklichkeit nur erfundenen Willen eines ebenso erfundenen Gottes abgeleitet werden. Sie muss sich vielmehr am höchsten Gut, der höchstmöglichen Freiheit des Individuums orientieren, was bei unserem Grundgesetz oder auch bei den Menschenrechten zum Glück ja der Fall ist.

*Unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ fordert Osthessennews jede Woche zum Nachdenken auf. Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

**Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche oder psychologische Beratung.

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