Kommentar zu NACHGEDACHT 140: Flucht

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Kommentar zu NACHGEDACHT 140: F l u c h t, Originalartikel verfasst von Christina Leinweber, veröffentlicht am 13.09.2015 von osthessen-news.de

Achtung: Dieser Beitrag enthält extrem brutale Bibelzitate, die für nicht religiös indoktrinierte Menschen als verstörend (bzw. gestört) wirken dürften.

„Siehe, da erscheint ein Engel des Herrn dem Josef im Traum und spricht: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter zu dir und fliehe nach Ägypten und bleibe dort, bis ich es dir sage! Denn Herodes wird das Kind suchen, um es umzubringen.“ Diese Zeilen stammen aus dem Matthäusevangelium und wurden letzte Woche von meinen Heimatpfarrer in bedeutender Weise in der Predigt genutzt, um die Flüchtlingsproblematik auch biblisch greifbar zu machen.*

Vermutlich stört es den Heimatpfarrer genausowenig wie seine Schäfchen, dass die Geschichte von der angeblichen Flucht vor Herodes als nicht historisch angesehen wird und mit größter Wahrscheinlichkeit frei erfunden ist. Es ist sicher kein Zufall, dass der Heimatpfarrer ausgerechnet diese Vertreibungsgeschichte ausgewählt hat, bei der Herodes die Rolle des Bösewichts zukommt. Dabei hätte die Bibel jede Menge weitere Stellen zum Thema Flucht und Vertreibung zu bieten, bei denen allerdings wurde im Namen und im Auftrag Gottes vertrieben, geplündert, vergewaltigt und ermordet.

Eine kleine Auswahl von Bibelstellen, die der Heimatpfarrer wahrscheinlich noch nicht „in bedeutender Weise in der Predigt genutzt hat“ um die „Flüchtlingsproblematik auch biblisch greifbar zu machen“:

  • „Da nahmen wir zu der Zeit alle seine Städte ein und vollstreckten den Bann an allen Städten, an Männern, Frauen und Kindern, und ließen niemand übrig bleiben. Nur das Vieh raubten wir für uns und die Beute aus den Städten, die wir eingenommen hatten.“ (5. Mose 2, 34-35, Lutherbibel 1984)
  • „Aber in den Städten dieser Völker hier, die dir der HERR, dein Gott, zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat, sondern sollst an ihnen den Bann vollstrecken, nämlich an den Hetitern, Amoritern, Kanaanitern, Perisitern, Hiwitern und Jebusitern, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat, …“ (5. Mose 20,16-17, Lutherbibel 1984)
  • „Du wirst alle Völker vertilgen, die der HERR, dein Gott, dir geben wird. …“ (5. Mose 7,16, Lutherbibel 1984)
  • „So zieh nun hin und schlag Amalek und vollstrecke den Bann an ihm und an allem, was es hat; verschone sie nicht, sondern töte Mann und Frau, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel.“ (1. Samuel 15,3, Lutherbibel 1984)
  • „Dazu wird der HERR, dein Gott, Angst und Schrecken unter sie senden, bis umgebracht sein wird, was übrig ist und sich verbirgt vor dir. Lass dir nicht grauen vor ihnen; denn der HERR, dein Gott, ist in deiner Mitte, der große und schreckliche Gott.“ (5. Mose 7,20-21, Lutherbibel 1984)
  • „Er, der HERR, dein Gott, wird diese Leute ausrotten vor dir, einzeln nacheinander. …“
    (5. Mose 7,22, zitiert nach der Lutherbibel, revidierte Fassung 1984, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2002)
  • „Wenn jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht, so nehmt ihn nicht ins Haus und grüßt ihn nicht. Denn wer ihn grüßt, der hat teil an seinen bösen Werken.“ (2. Johannes 10f, Lutherbibel 1984)
  • [Gott spricht:] Ich mache eure Städte zu Ruinen, verwüste eure Heiligtümer und will den beruhigenden Duft eurer Opfer nicht mehr riechen. (Lev 26,31, Lutherbibel 1984)    
  • [Gott spricht:] Und denen, die von euch übrig bleiben, will ich ein feiges Herz machen in ihrer Feinde Land, dass sie ein raschelndes Blatt soll jagen, und sie sollen davor fliehen, als jagte sie ein Schwert, und fallen, wo sie doch niemand jagt. (Lev 26,36, Lutherbibel 1984)

Die erste Vertreibung, von der in der Bibel berichtet wird, geht ebenfalls auf das Konto Gottes. Ausgerechnet, weil sie vom Baum der Erkenntnis genascht hatten, bestrafte Gott seine geliebten Paradiesbewohner mit Verbannung und zu leidvollem, irdischen Dasein.

Nicht mehr und nicht weniger kann ich zu diesem Thema sagen.*

Ich könnte schon noch mehr zu diesem Thema sagen, aber es dürfte auch so leicht erkennbar sein, wie einfach es ist, aus der Bibel das herauszulesen, was am ehesten zum persönlichen Wertemaßstab passt und geflissentlich das zu übergehen, was sich nicht oder nicht mehr mit der Weltsicht eines halbwegs aufgeklärten (liberal-theologischen?) Menschen in Einklang bringen lässt. Ob Schwerter zu Pflugscharen oder Pflugscharen zu Schwertern: Beide Versionen lassen sich mit der Bibel rechtfertigen. Das angebliche „Wort Gottes“ ist äußerst beliebig und kann jederzeit in praktisch jede Richtung ausgelegt werden, wie es halt gerade am besten passt.

*Das Online-Portal Osthessennews fordert jede Woche unter der Rubrik „NACHGEDACHT“ mit „liberal-theologischen“ Gedanken zum Nachdenken auf. Alle als Zitat gekennzeichnete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Original-Artikel von Christina Leinweber.

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