Das Wort zum Wort zum Sonntag: Ostern 2016: Trotzdem

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Das Wort zum Wort zum Sonntag: Ostern 2016: Trotzdem, gesprochen von Lissy Eichert (kath.), veröffentlicht am 26.3.2016 von ARD /daserste.de

Guten Abend und: „Halleluja“.*

Guten Abend und: „Willkommen in der Realität“.

[…] Welche Botschaft kann da Trost geben? Vorschnelle Antworten, einfache Lösungen helfen nicht.*

Nur weil vorschnelle Antworten und einfache Lösungen nicht helfen, können von Menschen erdachte Botschaften, die angeblich von überirdischen Wesen stammen (also von Wesen, für deren Existenz oder Wirken es keinen einzigen seriösen Beleg gibt), bestenfalls in Form einer hoffnungsvoll-kindlich-naiven Illusion Trost geben.

[…] In mir hallt der Schrei nach, den Jesus von Nazaret ausstößt, bevor er am Kreuz verblutet: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34)

Wie praktisch, dass die Bibel Evangelien für alle Bedürfnisse, Stimmungslagen und Interpretationen bereithält. In diesem Fall hatte der Text von Matthäus am besten ins Konzept von Frau Eichert gepasst, also die Geschichte, in der Jesus angeblich am Kreuz diesen höchst menschlichen Satz äußert – beschreibt er doch eine typisch menschliche und plausible Reaktion auf den Umstand, gerade zu Tode gefoltert zu werden mit dem Wissen, dass einem jetzt auch kein Vater mehr helfen kann (zumal der Vater dieses Menschenopfer seines eigenen Sohnes für sich selbst nicht nur toleriert, sondern ausdrücklich verlangt hatte).

Wer Jesus bei anderer Gelegenheit lieber mal in einem anderen Licht erscheinen lassen möchte, bedient sich einfach in einem anderen Evangelium:

Bei Lukas fehlt der berühmte letzte Satz des verlassenen Jesus. Dafür berichtet Lukas von einer Sonnenfinsternis, die von keinem seiner Autorenkollegen erwähnt wird. Will man also mal die angebliche Göttlichkeit Jesu mit Naturwundern belegen, bietet sich das Lukasevangelium an.

Bei Johannes fehlt der Satz ebenfalls; die anonyme Schriftstellergruppe, die das Johannesevangelium verfasste, hatte sich nach Kräften bemüht, die angebliche Göttlichkeit des Jesus durch noch phantasievollere Überhöhungen darzustellen als ihre Vorgänger. Da wird so getan, als hätte Jesus (als Gottessohn) selbstverständlich schon genau gewusst, was auf ihn zukommen würde und warum. Die eine oder andere zu menschliche Aussage musste da schon mal dem Wunschbild des Göttersohnes weichen. Durch die besondere Erwähnung der Mutter eignet sich das Johannesevangelium zum Beispiel, wenn man mal der „Gottesmutter“ eine besondere Bedeutung zuschreiben möchte, aber in diesem Beitrag ging es ja um Trauer.

Danach wird es still auf Golgota, dem Kreuzigungshügel. Totenstill. Ich komme nicht umhin, diese Leere, die bodenlose Trauer, die Ohnmacht des Kreuzes auszuhalten.

Da es keine schriftlichen Augenzeugenberichte von diesem Tag gibt, ist diese Aussage reine Spekulation. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die anderen Menschen, die gerade ebenfalls am Kreuz um ihr Leben ringen, auf einmal totenstill sind, nur weil es wiedermal einen von ihnen erwischt hat. Aber das hält die Autorin nicht davon ab, die Geschichte nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu erzählen und da passt eine Totenstille eben hervorragend zu den nun folgenden Ausführungen.

Das irdische Leben endet, die Liebe aber bleibt

Abgesehen von Atomen, möglicherweise weitergegebenen Genen, hinterlassenen Werken und Erinnerungen bleibt nach heutigem Wissen nach dem Tod von Lebewesen nichts übrig. Nichts deutet seriös darauf hin, dass irgendwelche menschlichen Eigenschaften ohne den dazugehörigen Körper existieren können oder darauf, dass es sich bei Liebe um etwas Überirdisches handeln würde.

[…] Die Inschrift über dem Portal: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“.

Da scheinen es auch die Friedhofsmauerbauer (oder, wahrscheinlicher, deren Auftraggeber) mit der Differenzierung von „Wunsch“ und „Wirklichkeit“ nicht allzu genau genommen zu haben. Um etwas tatsächlich „wissen“ zu können, müsste man dies seriös beweisen können; ansonsten sollte man redlicher- und ehrlichweise nicht von „wissen“ reden , sondern vielleicht Formulierungen wie „ich hoffe…“, „ich wünsche mir, …“, „ich tue so, als ob…“ oder „ich behaupte einfach mal…“ verwenden.

Wer das Tor durchschreitet, gelangt zu den Gräbern.

Das haben Friedhofstore so an sich.

Es ist ungewöhnlich ruhig auf diesem Friedhof mitten in Berlin.

Ruhe ist für Friedhöfe nichts Ungewöhnliches. Sie rührt daher, dass Tote keine Geräusche verursachen und dass Friedhöfe in unseren Breitengraden meist nicht noch anderweitig genutzt werden.

Im Überschreiten der Schwelle begreife ich: Mein Leben mit Gott geht über das Grab hinaus.

Weil jemand an ein Friedhofstor eine unbeweisbare Behauptung geschrieben hat, man durch ein Friedhofstor auf den Friedhof gelangt und weil es dort still ist, begreifen Sie beim „Überschreiten der Schwelle“ (ich hoffe mal, Sie meinen die Schwelle des Friedhofstores und nicht die Schwelle ins Jenseits!?), dass es etwas gibt, das Sie mit Gott bezeichnen, dass Sie damit Ihr Leben teilen und dass dieses Leben „über das Grab hinaus“ geht?

So etwas kann man sich natürlich gerne jederzeit ausdenken, man sollte solche Ideen aber vielleicht besser nicht öffentlich im Fernsehen wie Tatsachen verkünden, sondern sie für sich behalten, besonders dann, wenn man in Zukunft noch ernst genommen werden möchte.

Heute ist die Nacht, in der Jesus Christus die Ketten des Todes zerbricht.

Heute ist die Nacht, in der die Uhren in den meisten europäischen Ländern auf Sommerzeit umgestellt werden. Der historische Jesus, so er denn gelebt hat, ist seit rund 2000 Jahren tot und zerbricht keine Ketten mehr. Der fiktive, biblisch-christliche Jesus ist eine von Menschen erdachte Kunstfigur, der alle beliebigen Eigenschaften zugeschrieben werden können. Mit unserer realen Wirklichkeit, also damit, was diese Nacht heute angeht, hat dies nichts zu tun, auch nicht dann, wenn es eine erwachsene Frau im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wie eine Tatsache behauptet.

„Mein Erlöser lebt!“ Daran halte ich fest.

Das können Sie natürlich tun – aber warum sollten Sie? Was an dieser rein von Menschen (in diesem Fall irgendwann in der Bronzezeit) erdachten Fiktion ist für Sie so bedeutsam, dass Sie gegen jede Logik, Vernunft, Wahrscheinlichkeit und besseres Wissen an ihr festhalten?

Und selbst, wenn das Festhalten an einer offensichtlichen Illusion für Sie in Hinblick auf Ihre intellektuelle Redlichkeit kein Problem darstellen sollte: Was bedeutet denn die Vermutung „Mein Erlöser lebt!“ konkret für Ihr diesseitiges Leben? Vom Leben werden Sie durch den Tod „erlöst“, egal, ob Sie daran festhalten oder nicht. Wovon meinen Sie sonst nocht erlöst werden zu müssen? Doch hoffentlich nicht von der angeblichen Erbsünde, die Sie Ihrem „Erlöser“ zu verdanken haben? Die wurde doch schon durch die Todesfolterung des Gottessohnes gesühnt? Oder doch nicht?

Auch angesichts der Toten von Brüssel, von Istanbul, der Toten von … Die Auferstehung ist der Aufstand gegen jeden Tod.

Die Auferstehung ist eine Fiktion, die die Bibelautoren aus früheren Sagen und Mythen übernommen (man könnte auch sagen: abgeschrieben) und ihrem Wunschjesus zugeschrieben haben, um damit seinen profanen Kreuzestod aufzuwerten. Ausgerechnet das archaische Auferstehungsmärchen, dessen Ursprünge bis in die Bronzezeit zurückreichen, in Form eines wenig originellen Wortspiels mit den Toten von Brüssel oder Istanbul in Verbindung zu bringen, halte ich für äußerst unangemessen und pietätlos.

Ihre persönliche Scheinwelt hat, bei allem Respekt, nichts mit der Realität zu tun. Und ausgerechnet Selbstmordattentate wären ohne die Illusion einer Auferstehung sinnlos.

Die Angst darf nicht unser Leben bestimmen.

Dazu ermutigt mich mein Glaube: Jesus Christus lebt. Genau dann, wenn es knüppeldick kommt, ist er da, mittendrin.

Ist Ihnen wirklich nicht bewusst, dass gerade Ihr Glaube auf Angst basiert? Heilsversprechen gelten nur für Menschen, die sich Ihrem Gott bedingungslos und bis zur Selbstaufgabe unterwerfen und selbst dann sind sie noch ausschließlich auf die unergründliche „Gnade“ dieses Gottes angewisesen. Schon für Zweifler und erst recht für alle Nicht- und Andersgläubigen werden permanent zeitlich unbegrenzte psychische und physische Höllenqualen angedroht.

Angst spielt also die zentrale Rolle in Ihrem Glauben, wie ein Blick in die fast 2000jährige Kriminalgeschichte des Christentums eindrucksvoll beweist.

Jesus Christus lebt bestenfalls in Ihrer Phantasie. Wenn es knüppeldick kommt, ist er bestenfalls genauso da wie Batman® oder Lucky Luke®. Sowas kann man sich natürlich ausdenken – besonders überlegt, verantwortungsbewusst oder erwachsen wirkt ein solches Verhalten auf mich nicht gerade.

Der Ijob in der Bibel, der alles verloren hat, sagt trotzig: „Eines weiß ich: Mein Erlöser lebt; auf dieser todgeweihten Erde spricht er das letzte Wort.“ (vgl. Ijob 19,25)

By Ceedub13 [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons
Ohne meine Haut, die so zerfetzte,
und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen**
Wenn Sie aus der alttestamentarischen Hiobsbotschaft nicht nur diesen einen Satz herauspicken, der Ihnen gerade gut ins Konzept passt, dann finden Sie sogar im selben Absatz den Hinweis darauf, was passieren würde, wenn Sie Ihren Gott in Frage stellen würden (Hervorhebung von mir):

  • Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen.
    Ihn selber werde ich dann für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.
  • Wenn ihr sagt: Wie wollen wir ihn verfolgen und den Grund der Sache an ihm finden!,
    dann bangt für euch selber vor dem Schwert; denn heftiger Zorn verdient das Schwert, damit ihr wißt: Es gibt ein Gericht.

    (Quelle: Hiob 19:36-29, Einheitsübersetzung)

Ohne Haut und Fleisch werden Sie nur noch sehr begrenzt Zeit haben, irgendetwas zu schauen. Und dann heißt es nicht „wer nicht fragt, bleibt dumm“, sondern „wer zuviel fragt, stirbt“. So viel zum Thema „Angst darf nicht unser Leben bestimmen.“

Ja, ich bin überzeugt: Wenn ich an Gott festhalte, wenn ich meine Ängste in den Himmel werfe, kann ich manche Träne wegwischen.

Tränen können Sie ohne Weiteres auch wegwischen, ohne an menschlichen Fiktionen wie Göttern festzuhalten, die noch niemals auch nur wenigstens ein Mal seriös belegbar in Erscheinung getreten sind – weder im Himmel, noch auf Erden.

Weil seit jenem ersten Ostern der Weltgeschichte gilt: Trotzdem: Ich bin nicht allein in meinem Leiden.

Damit etwas „gelten“ kann, sollte es zumindest wahr sein. Schon seit Entstehung der zweiten Protozelle war die erste nicht „allein in ihrem Leiden,“ auch wenn ihr das wahrscheinlich nicht bewusst geworden sein dürfte. Wer gerne Trost aus vormittelalterlichen Märchen und Mythen schöpft, kann dies gerne tun.

Öffentlich zu behaupten, es gäbe von einem erfundenen Gott tatsächlich, also in Wirklichkeit irgendetwas zu erwarten, der täuscht die Menschen, indem er Behauptungen aufstellt, die auf Fiktionen beruhen. Für jeden redlich und halbwegs konsequent denkenden Menschen kann ein solcher Trost nicht mehr als eine vielleicht irgendwie hoffnungsvolle Illusion sein.

Nennen Sie es „sture Lebensfreude“, ich bleibe dabei: Wir dürfen uns das Halleluja nicht verbieten lassen.

Ich nenne es blinde, kindlich-naive, für einen erwachsenen, aufgeklärten Menschen kaum entschuldbare Selbsttäuschung und in diesem speziellen Fall auch noch eine staatlich privilegierte und subventionierte Täuschung von Zuschauern des öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammes, die dafür bezahlen müssen, diese persönliche, irreale Weltanschaung gegen ihren Willen verkündet zu bekommen.

Und überhaupt: Von „Lebensfreude“ war nie die Rede, ganz im Gegenteil (Hervorhebungen von mir):

  • Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse. Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen. Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen.
    Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes musst du essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück. (1. Mose 3:15-19, Einheitsübersetzung)

Sie mögen meinetwegen soviel Halleluja singen wie Sie möchten, aber tun Sie das bitte nicht im Rundfunk, sondern in Ihrem stillen Kämmerlein, wie es Jesus seinen Nachfolgern aufgetragen hat.

Die Liebe ist stärker als der Hass. Und als der Tod.

„Liebe“ und „Hass“ können je nach Sichtweise etwas sehr Unterschiedliches bedeuten. Religiös motivierte Fundamentalisten beweisen ihrem Gott die größtmögliche Liebe, indem sie sich und möglichst viele Ungläubige in die Luft sprengen. Göttliche Liebe ist erfunden und hat daher keinen realen Einfluss auf irgendwas.

Liebe ist nicht der Gegenspieler des Todes, deshalb ist die Behauptung, Liebe sei stärker als der Tod genauso „sinnvoll“ wie zum Beispiel die Aussage: „Eifersucht ist dünner als Apfelsaft“. Der Tod ist die natürliche, (bis auf Weiteres unabwendbare) Folge des Lebens. Hierbei spielen die Telomere eine wichtige Rolle. Der Tod kann und muss nicht „besiegt“ werden.

Die Vorstellung einer ewigen Existenz ist, bei konsequentem Durchdenken, furchtbar und keineswegs irgendwie erstrebenswert. Abgesehen davon gibt es keinen einzigen Anhaltspunkt für die Annahme eines solchen ewigen Lebens, sodass es in guter alter epikuräischer Manier einfach keine Rolle spielt, ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht (außer natürlich für Menschen, die ihr Geld damit verdienen, dass andere Menschen das glauben).

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.

**Photo by Ceedub13 [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

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