Gedanken zu: Lebe ich in Sünde im Massagestudio?

Lesezeit: ~ 3 Min.

Gedanken zu: Lebe ich in Sünde im Massagestudio?, Original-Antwort verfasst von Pfarrerin Sabine Löw, veröffentlicht auf fragen.evangelisch.de

In dieser Anfrage wollte ein alleinstehender Fragesteller wissen, ob er „in Sünde“ leben würde, weil er nach dem Besuch im „Massagestudio“ ein „seltsames Gefühl“ habe. Die evangelische Pfarrererin beantwortete diese Frage aus ihrer Sicht, was mich zu einigen Anmerkungen bewegt hat.

Zunächst erläutert die Autorin den Ursprung des Wortes „Sünde“ als eine vom Menschen verursachte Entfernung von Gott. Die nächste Herleitung bezieht sich auf den Begriff „Verfehlung“, mit dem verstörenden Ergebnis:

Sünde bezeichnet nicht nur eine einzelne Verfehlungen, sondern einen Zustand: Nicht die Sünden machen einen zum Sünder, sondern Sünden, Verfehlungen begeht man, weil man Sünder ist.*

Starker Tobak, aber auch nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass diese „Erkenntnis“ aus der Bibel stammt und somit zu einer Zeit aufgeschrieben wurde, in der sich die Menschheit noch am Beginn ihrer sozio-kulturellen und ethischen Entwicklung befand. Deshalb darf natürlich auch der Hinweis auf Adam nicht fehlen, den Menschen, dem wir es verdanken, dass Sünde keine Frage des Willens, sondern des menschlichen Wesens ist. Und dann kommts richtig dicke:

Wo an Gott vobei gelebt wird, hat das Leben keinen Bestand. Es ist vom Tod gezeichnet. Der Tod ist die Folge der Sünde, sagt Paulus.

Was macht eine solche Aussage mit Menschen, die das wirklich glauben und die nicht merken, dass der Gott und somit die ganze davon abgeleitete „Logik“ nichts weiter als menschliche Fiktionen sind? Was ist von der so oft genannten, reinsten Gottesliebe zu halten, wenn Sünde als Entfernung von diesem Gott (die ja angeblich gar nicht willentlich ist, sondern wesensbedingt) mit dem Tod bestraft wird?

Da es (bis zum Beweis des Gegenteils) keinen der bisher über 3000 Götter, die sich die Menschen schon ausgedacht haben, wirklich gibt, wird jedes Leben notwendigerweise „an Gott vorbei gelebt“ (präziserweise müsste man sagen, dass Götter an den Menschen vorbeileben.). Und weil jeder angeblich göttliche Wille ebenfalls nur von Menschen erfunden ist, weiß man nicht mal, wie ein angeblich gottgefälliges Leben überhaupt aussehen sollte – die Bibel bietet hierzu alles, von Nächstenliebe bis zum Völkermord.

Dass das Leben „keinen Bestand“ hat, ist eine völlig natürliche Eigenschaft des Lebens und man weiß heute (im Vergleich zum Vormittelalter) sehr genau, warum alles Leben irgendwann vergeht. Der Tod ist somit nicht die Folge einer wesensbedingten Entfernung von einem erfundenen Gott, sondern die (bis auf Weiteres noch) notwendige Folge des Lebens.

Es wundert nicht, dass die Autorin diese unvorstellbar grausame und inhumane Lüge sicherheitshalber nochmal ausdrücklich dem Paulus zuschreibt. Trotzdem wird mit dieser menschenverachtenden Behauptung munter weiterargumentiert:

Und genau deshalb lässt Gott den Menschen nicht in Ruhe. Er geht den Menschen hinterher – und geht so weit, dass er selbst Mensch wird.

Diese Aussage setzt voraus, dass es einen Gott gibt, der sogar ins Geschehen eingreift, indem er Menschen „nicht in Ruhe“ lässt und ihnen „hinterher“ geht. Das ist, wie wir alle wissen, zum Glück nicht der Fall und deshalb ist diese Aussage eine unredliche, weil nicht beweisbare Behauptung. Kein überirdisches Wesen ist bis heute je seriös nachweisbar in Erscheinung getreten.

Das hat Paulus zu bezeugen: Am Kreuz passiert etwas Wesentliches. Hier zeigt uns Gott unser wahres Wesen. Er zeigt uns schonungslos, wer wir sind: Sünder, die den Tod verdient haben.

Wieder kommt sicherheitshalber Paulus die Rolle des Überbringers der unangenehmen Nachricht zu. Alle Leser sind herzlich eingeladen, eine möglicherweise vorhandene religiöse Brille für einen kurzen Moment abzunehmen und diesen Satz nochmal zu lesen. Da steht: Das wahre Wesen Gottes besteht darin, dass er seinen eigenen Sohn hatte zu Tode foltern lassen, um den Menschen zu zeigen, dass sie nichts weiter als Sünder sind, die den Tod verdient haben.

Aber gleichzeitig: Seine Kinder, die er so sehr liebt, dass er für uns seinen einzigen Sohn gibt.

Bei allem Respekt vor „religiösen Gefühlen:“ Was für ein perverser Sadist muss dieser Gott sein, der für sich sich selbst seinen eigenen, einzigen Sohn als Menschenopfer zu Tode quälen lässt, um den Menschen seine „so sehr“ große Liebe zu beweisen?! Und wie mag es um die Ethik und um das Wertebild der Menschen bestellt sein, die solche wirren, kranken Gewaltphantasien heute noch öffentlich, ohne mit der Wimper zu zucken, verbreiten?

Weil Jesus den Tod für uns auf sich nimmt, können wir alles, was uns von Gott trennt, vergessen – um bei Gott selbst zu erfahren, was das eigentlich heisst: Leben.

Schwer zu sagen, was dieser Satz eigentlich aussagen soll. Aus der Bibel geht nicht hervor, dass Jesus den Tod willentlich für uns auf sich genommen hat. Unsere Sünden, also das, was uns von Gott trennt, spielt jetzt plötzlich doch wieder gar keine Rolle, weil Jesus seinen Tod für uns auf sich genommen hat?

Wie soll man sich das vorstellen? Alle Sünden sind vergeben, für alle Menschen, für alle Zeiten? Oder nur bis zum nächsten Menschenopfer? Was ist mit Sünden von Neandertalern oder den Vorgängern der Trockennasenaffenart Homo sapiens sapiens? Wieso sollte man ausgerechnet bei einem fiktiven, überirdischen Wesen „erfahren“, was „Leben“ eigentlich heißt?

Kaum vorstellbar, dass es wirklich auch heute noch Menschen gibt, die solche Ideen öffentlich behaupten, als handle es sich dabei um reale Tatsachen.

*Die evangelische Kirche bietet einen Online-Beantwortungsservice für religiöse Fragen. Dort finden sich allerlei Fragen, dazu Antworten aus evangelischer Sicht sowie ab und zu Kommentare von weiteren (bevorzugt unkritischen) Lesern. Alle als Zitat gekennzeichete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

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