Rhönklub: Wandern bis zum Umfallen?

Lesezeit: ~ 2 Min.

Der Rhönklub Zweigverein Bad Neustadt/Saale hat eine große Tafel mit diesem Gedicht des „Thüringer Heimatbewahrers“, „geistigen Frontkämpfers“ und „fanatischen Nationalsozialisten“* Julius Kober in die Landschaft gestellt:

Ich will nicht reich sein,
will nicht Ruhm gewinnen,

will auch nicht ohne Kampf sein,
ohne Mühe und Plag,

um eines nur bitt’ ich, Herrgott Dich,
von ganzem Herzen:
Laß mich wandern können
bis zum letzten Tage.

Was bringt erwachsene, ansonsten vermutlich mehr oder weniger auch geschichtlich aufgeklärte Menschen im Jahr 2016 dazu, ausgerechnet diesen Text dieses mehr als fragwürdigen Autors für so bedeutsam zu halten, dass man diese Worte auf ein Schild drucken und in der Landschaft aufstellen muss?

Denn was steht denn da eigentlich, außer dem an sich ja unverfänglichen Wunsch, möglichst beim Wandern zu sterben, geschrieben?

SchildGanz in christlich-unterwürfiger Manier erklärt der Verfasser, auf jeden irdischen Reichtum und auf Anerkennung zu verzichten. Solches Ansinnen wird auch von der Obrigkeit immer wohlwollend angesehen: „Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: – Halt Du sie dumm, ich halt sie arm.“**

Kobers Wunsch, nicht ohne Kampf sein zu wollen, scheint sein „Herrgott“ jedenfalls erhört zu haben und schickte Kober gleich zwei Weltkriege, in denen er seine Kampfeslust ausgiebig befriedigen konnte.

Auch der Bitte um „Mühe und Plag“ kam der „Herrgott“ offenbar zu Genüge nach, wie der besonders durch die zwei von ihm so sehr gewollten Kriege schwer gestörten Biografie des Autors zu entnehmen ist.

Dieser Biografie ist auch zu entnehmen, dass der Autor „Kampf“ aller Wahrscheinlichkeit nach im Wort- und nicht (nur) im übertragenen Sinne gemeint haben dürfte.

Kampf und Kirche haben sich schon seit jeher immer bestens verstanden, weil beide voneinander profitieren:

  • Was hat man denn gegen den Krieg? Etwa dass Menschen, die doch einmal sterben müssen, dabei umkommen?
    – Augustinus, Kirchenlehrer und Mitbgeründer
  • Selbst Atombomben können in den Dienst der Nächstenliebe treten.
    – Walter Künneth, evangelischer Theologe

Der Rhönklub wäre gut beraten gewesen, wenn er sich einen anderen Spruch des selben Dichters zu Herzen genommen hätte (Ergänzung von mir):

„Wer nicht die Vergangenheit seiner Heimat(-dichter) kennt, der wird nicht den richtigen Weg in die Zukunft gehen.“

Unter diesem Licht betrachtet, hätte sich vielleicht auch ein anderes Wandergedicht – ohne Implikationen von Kampfeswille und Unterwürfigkeitserklärungen – finden lassen.

Ansonsten hätte es auch noch diese „entschärfte“ Version gegeben:

„Ich will nicht reich sein,
will keinen keinen Ruhm gewinnen,
will nicht scheuen Müh und Plag.
Um eins bitte ich Dich, O Herr ,
lass mich wandern bis zum letzten Tag.“

Ob sich der Rhönklub versehentlich oder absichtlich für die martialische Version entschieden hat, ist noch unklar.

*Quelle: Mitteilungsblatt des Rennsteig-Museums des Thüringer Rennsteigvereines e.V., (2003), Heft 1, S. 40-45.
** Quelle: Reinhard Mey („Sei Wachsam“, auf Leuchtfeuer, 1996)

 

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