Kommentar zu: „Gottes Gegenwart erfahren“ – 24 junge Menschen beim Weltjugendtag in Krakau

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Kommentar zu: „Gottes Gegenwart erfahren“ – 24 junge Menschen beim Weltjugendtag in Krakau, Originalbeitrag verfasst von Marion Eckert, veröffentlicht am 28.07.16 von Osthessennews

Ein paar mehr als 24 waren es dann doch noch. Auch wenn es insgesamt viel weniger waren als erwartet, die sich mit dem Versprechen, Gottes Gegenwart erleben zu können, nach Krakau locken ließen.

Die Reise mit Dekan Dr. Krefft gehört zu den offiziellen Reisen des Bistums Würzburg und wurde unter dem Tittel „Weltjugendtag plus“ beworben.*

Trotz des „Tittels“ 🙂 „Weltjugendtag plus“ gabs dann doch kein Plus. Jedenfalls kein signifikantes Plus an Besuchern. Sondern ein Minus von rund 200.000 Teilnehmern gegenüber den Erwartungen der Veranstalter. Die angebliche Chance, Gottes Gegenwart zu erleben, nutzten dann doch weit weniger Jugendliche als gedacht.

„Gott selbst lädt uns nach Krakau ein“, begrüßte Regionaljugendseelsorger Kapperer die Teilnehmer und ihre Angehörigen.

Herr Regionaljugendseelsorger Kapperer, woher wissen Sie, dass Gott selbst diese Teilnehmer nach Krakau einlädt? Hat er es Ihnen mitgeteilt? Also nicht wieder irgendwie durch Menschen im Auftrag Gottes, sondern, wie von Ihnen behauptet: Gott selbst? Dann sollten Sie das dringend Ihrer Arbeitgeberin mitteilen.

Es wäre sicher von größtem Interesse, wenn es endlich doch noch einen seriös belegbaren Beweis für die Existenz wenigstens schon mal von Jahwe geben würde! Man könnte sofort aufhören zu glauben, weil man es ja endlich wüsste!

Und dann, aber wirklich auch erst dann könnte man sinnvollerweise anfangen, sich darüber Gedanken zu machen, was das mit uns zu tun haben könnte. 

Gottes Gegenwart: Wunsch und Wirklichkeit

Oder könnte es vielleicht sein, dass Sie hier ein bisschen Wunsch und Wirklichkeit durcheinander bringen? Dass Sie sich das vielleicht nur ganz dolle wünschen? Obwohl Sie vielleicht sogar wissen, dass Sie kein Gott selbst einlädt, weder nach Krakau, noch sonst irgendwohin? Und könnte es sein, dass Ihnen das aber völlig egal ist? Und Sie einfach so tun, als wäre eine Aussage darüber, was Gott selbst tut, nicht eine dreiste Lüge, sondern wahr? Oder halten Sie auch den Klapperstorch und die Zahnfee für real?

„Es herrscht eine tolle Stimmung in Krakau. Kommt schnellst möglich zu uns“, diese Nachricht habe Dekan Dr. Krefft aus Krakau erreicht, […]

„Uns fehlen hier mindestens 200.000 Teilnehmer, kommt schnellst möglich zu uns“, wäre mindestens genauso richtig gewesen.

Schutz und Segen Gottes

Bevor die Reise losging stellte er die Gruppe, zu der auch viele junge Menschen aus dem Dekanat Bad Neustadt gehören, unter den Schutz und Segen Gottes.

Wieviele waren denn „viele“? Wie stellen Sie sich die Wirkungsweise einer „Segnung Gottes“ und dessen „Schutz“ konkret vor? Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass der von Ihnen angerufene Gott nicht nur weiß, dass er gemeint ist, sondern dass er auf Ihre Bitte hin sogar seinen allmächtigen, göttlichen Masterplan ändert? Und die Reisegruppe deshalb vor Schaden bewahrt?

Falls das so ist: Finden Sie ein solches Gebet objektiv betrachtet nicht auch reichlich arrogant? Und ist es nicht auch völlig unlogisch, ein angeblich allmächtiges Wesen mit bestimmten Absichten um irgendetwas zu bitten? Denn das hieße ja, dass Gottes Plan wohl doch nicht so ganz perfekt war, wenn er erst nach ausdrücklicher Aufforderung einer bestimmten Auswahl an Menschen Schutz gewähren würde?

Gebet: Gut gemeint – und trotzdem un-erhört

Angenommen, die Reisegruppe kommt unbeschadet zurück, was natürlich wünschenswert ist. Würden Sie es dann auf Ihren Segen und den daraufhin von Ihrem Gott gewährten Schutz zurückführen?

Und weiter angenommen, es passiert doch etwas: War das dann ein Zeichen für die Unergründlichkeit Ihres Gottes? Oder ein Versagen? Desinteresse? Sadismus? Was, wenn er anderen Menschen einen Schaden zufügen müsste, um Ihrem Wunsch nach Schutz nachkommen zu können? Menschen, die ihn vielleicht auch um Schutz angefleht hatten?

War er es auch, der seinem Vertreter auf Erden bei seinem Besuch in Krakau ein Bein gestellt hatte? War es vielleicht im Vorfeld versäumt worden, für den Schutz des Papstes zu beten? „Dass nicht sein Fuß an einen Stein // anstoße und verletzt mög‘ sein?“

Oder hatte auch der Ausrutscher des Pontifex womöglich einfach andere, ganz reale, irdische Ursachen? Vielleicht die zu langen Kleider in Verbindung mit Weihrauch? Enttäuschung über die Ablehnung seitens des polnischen Klerus, der mit dem Armutsgedanken ihres Oberhirten nichts anfangen kann?

Halten Sie es als gebildeter, ansonsten vermutlich aufgeklärter Mensch im 21. Jahrhundert nicht für gradezu grotesk lächerlich, erfundene Phantasiewesen in Zaubersprüchen darum zu bitten, in die reale Wirklichkeit einzugreifen? Und damit auch noch Jugendliche zu behelligen?

Wunsch und Wirklichkeit

Er wünschte den jungen Pilgern, dass sie auf dieser Reise Gottes Gegenwart erfahren, ihren Glauben vertiefen, sie von Hoffnung und Liebe erfüllt, gestärkt und unversehrt wieder nach Hause zurück kehren werden.

In diesem Zusammenhang dürfte „Gegenwart“ wohl im ursprünglichen Sinne, also als Synonym für „Anwesenheit“ gemeint gewesen sein.

Gottes Gegenwart
Gottes Gegenwart

Der Wunsch, auf einer Reise Gottes Gegenwart zu erfahren, ist ungefähr so sinnvoll wie der Wunsch, bei einem Besuch im Phantasialand™ Käpt’n Blaubärs Gegenwart zu erfahren. Wobei es für den Käpt’n eine wesentlich schlüssigere Definition gibt als vom Provinz-Berge-Wüsten-Kriegs- und heute dreiteiligem „Lieben Gott“ Jahwe aus der Bronzezeit.

Der, der sich seinen Sohn (wahlweise auch das zweite Drittel seiner Selbst) als Menschenopfer zu Tode hatte foltern lassen. Um damit einigen Menschecn seine Liebe zu beweisen.

Was auch immer die jungen Pilger auf ihrer Reise erleben werden: Nach allem, was der Menschheit heute an Erkenntnissen zur Verfügung steht (und das ist trotz großer Lücken schon um Lichtjahre mehr als noch vor wenigen Jahrzehnten oder gar vor 2000 Jahren) kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass kein Gott, kein Gottessohn, keine Gottesmutter und auch keine Geister ihre Finger oder was auch immer im Spiel haben.

Ohne Gott ist auch Gottes Gegenwart bis zum Beweis des Gegenteils ein Hirngespinst. Und entsprechend irreal ist damit auch alles, was Gottes Gegenwart voraussetzt.

Glaube: Bestenfalls hoffnungsvolle Illusion

„Glauben vertiefen“ bedeutet nichts anderes, als noch überzeugter als vorher an Behauptungen festzuhalten, die nicht der Sach- und Faktenlage entsprechen. Je tiefer der Glauben, desto irrealer das Weltbild. Und wenn die Hoffnung in der Hoffnung auf Gott bestehen soll, so werden sie bestenfalls mit einer hoffnungsvollen Illusion zurückkommen.

Denn Gott beschützt niemanden – weder den Papst vorm Stolpern, noch sonst irgendwen vor irgendwas. Und zwar egal, worum und vom wem er gebeten wurde.

Übereinstimmungen zwischen religiöser Scheinwirklichkeit und dem realen Geschehen sind kein Beweis dafür, dass diese Scheinwirklichkeit tatsächlich real ist. Solche „Übereinstimmungen“ sind vielmehr die Folge einer bewusst einseitigen Wahrnehmung. Diese Eigenschaft des menschlichen Gehirns erweist sich oft als Quelle für systematische Denkfehler. Ähnlich wie beim Glücksspiel. Oder beim Horoskop.

Besonders Menschen mit religiöser Indoktrination neigen oft dazu, in allem, was sie wahrnehmen, einen bestimmten Zusammenhang erkennen zu wollen. Bevorzugt einen Zusammenhang, in dem ihr präferiertes Wunschwesen eine tragende Rolle spielt. Das klappt immer besonders dann gut, wenn das Erhoffte auch eintritt.

Aber auch, wenn es nicht so kommt wie erhofft (oder auch mal ganz anders), lassen sich viele Gläubige davon keineswegs verunsichern – im Gegenteil. Sie haben fadenscheinige Ausreden parat, mit denen sie ihren Gott entschuldigen. Und hoffen, dass es beim nächsten Mal wieder besser klappen möge. Es gehört schon einiges dazu, geistig gesunde, in allen anderen Bereichen sicher kritische und reflektierte Menschen dazu zu bringen, sich umso besser zu fühlen, je weiter sie sich von der Realität entfernen.

Die Gedanken sind frei, die Verantwortung groß

Natürlich mag sich jeder die Wirklichkeit nach eigenen Wünschen frei gestalten. Es erstaunt auch kaum, dass jemand, der sich laut Berufsbezeichnung um die Seelen der regionalen Jugend sorgt, auch einen Zauberspruch für einen probaten Reiseschutz hält. Wer schon keine Skrupel hat, Jugendliche mit der eigenen religiösen Phantasiewelt zu behelligen, sollte zumindest darauf hinweisen, dass es sich dabei um menschliche Fiktion, und nicht etwa um etwas Reales handelt.

Denn im realen Leben ist es selbst für tiefgläubige Menschen ratsam, sich nicht auf Spiderman®, die Zahnfee, Götter- oder andere Phantasiewesen zu verlassen. Und stattdessen lieber ein paar Reisetipps geben, die wirklich helfen könnten. Und zwar sogar ohne Gottes Gegenwart.

  • Der religiöse Glauben schafft es nicht einmal die Probleme zu lösen, die er selbst verursacht hat, geschweige denn andere. (Volker Dittmar)

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.
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