Das Wort zum Wort zum Sonntag: Urlaubsexperiment – Urlaub in der Bibel

Lesezeit: ~ 5 Min.

Das Wort zum Wort zum Sonntag: Urlaubsexperiment, gesprochen von Christian Rommert (ev.), veröffentlicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ARD/daserste.de zum Thema Urlaub

[…] Und mein Motto lautet: „Iss mit Freude dein Brot, und trink mit glücklichem Herzen deinen Wein. Gott hat Gefallen an diesem deinem Tun! Genieße das Leben mit dem Menschen, den du liebst.“ So schreibt die Bibel über das Ausruhen.*

So schreibt sie nur, wenn man die entsprechende Bibelübersetzung verwendet. In der Einheitsübersetzung schreibt sie (Hervorhebung von mir):

  • Also: Iss freudig dein Brot und trink vergnügt deinen Wein; denn das, was du tust, hat Gott längst so festgelegt, wie es ihm gefiel. (Quelle: Pr 9,7 EU)

Wohl kaum zufällig hat Herr Christian Rommert (ev.) diesmal nicht die Einheitsübersetzung gewählt. Enthält diese doch eine Aussage, die nicht mehr in ein modernes, aufgeklärtes Weltbild passen mag. „Gott hat Gefallen an diesem deinem Tun!“ steht nicht in der Einheitsübersetzung, sondern „denn das, was du tust, hat Gott längst so festgelegt, wie es ihm gefiel.“

…wie es ihm gefiel

UrlaubLaut Bibel hat Gott also eben keineswegs großmütig-gütig-gönnerhaften Gefallen an unserem Genuss nach unseren Vorstellungen, sondern daran, was er längst nach seinen Vorstellungen festgelegt hat. Und nur deshalb dürfen wir genießen. Da er seinen göttlichen Willen noch niemals tatsächlich kundgetan hat, lässt sich dieser völlig beliebig definieren. Und schon erscheint die ganze Aussage, je nach gewählter Übersetzung, in einem ganz anderen Licht.

Dieses Beispiel zeigt, wie Bibelübersetzer versuchen, nicht mehr zeitgemäße Aussagen textlich zu bewältigen und irgendwie mit der heutigen Wirklichkeit kompatibel zu machen. Ich fände es interessant zu erfahren, ob Herr Christian Rommert (ev.) davon ausgeht, dass eine solche nicht besonders subtile Uminterpretierung niemandem auffällt?

Und wie immer, wenn biblische Mythen und Märchen bemüht werden, lohnt sich ein Blick auf den Text, aus dem ein biblischer Satz oder Halbsatz herausgepickt wurde. In diesem Fall, in dem mit der Bibel Urlaubsfreuden gerechtfertigt werden sollen, findet sich im selben Text auch noch das genaue Gegenteil. Wenige Zeilen später wird da zum Beispiel eindringlich vor Faulheit gewarnt:

  • Ist einer träge, so senkt sich das Gebälk, lässt er die Hände sinken, so dringt der Regen ins Haus. (Quelle: Pr 10,18 EU)

Der Weg des Windes und des Kindes

Weg des Babies
Weg des Kindes

Nebenbei: Diese Anweisungen stammen aus einer Zeit, in denen man mangelndes Wissen noch mit extra viel Arbeit kompensieren musste. Im selben Text ist zu erfahren:

  • Wie du den Weg des Windes ebenso wenig wie das Werden des Kindes im Leib der Schwangeren erkennen kannst, so kannst du auch das Tun Gottes nicht erkennen, der alles tut. Am Morgen beginne zu säen, auch gegen Abend lass deine Hand noch nicht ruhen; denn du kannst nicht im Voraus erkennen, was Erfolg haben wird, das eine oder das andere, oder ob sogar beide zugleich zu guten Ergebnissen führen. (Quelle: Pr 11, 5-6 EU)

Wir wissen inzwischen sehr vieles über den Weg des Windes und auch über das Werden des Kindes im Leib der Schwangeren. Deshalb erscheint dieser Aufruf zu blindem Aktionismus aus heutiger Sicht auch lächerlich und weltfremd.

Es bedarf keiner großen Anstrengung, zu jeder biblischen Aussage meist sogar das genaue Gegenteil zu finden. Da bei Bedarf jeder beliebige Satz oder Halbsatz herausgepickt werden kann, hat die Bibel keine in sich schlüssige und eindeutige Aussage. Genauso wie Horoskope.

Urlaub, weils in der Bibel steht?

Dabei funktioniert sogar die Natur so: Sommer und Winter. Blühen und verwelken. Tag und Nacht! Anspannung und Entspannung! Am Anfang der Bibel – in der Schöpfungsgeschichte – macht selbst Gott nach sechs Tagen harter Arbeit sozusagen Urlaub. Und er erlaubt sich, seine Arbeit ruhen zu lassen und das alles, was er erschaffen hat, zu genießen. Sonnenauf- und -untergänge. Wind, Wellen, das Meer.

Und was will uns Herr Rommert damit sagen? Dass er noch an das biblische Schöpfungsmärchen glaubt? (Obwohl doch jeder weiß, dass in Wirklichkeit alles vom Fliegenden Spaghettimonster erschaffen worden war?) Wer braucht heute noch ein Märchen aus der Bronzezeit um wissen zu können, dass Erholung und Urlaub ab und zu mal ganz sinnvoll sein könnten?

Genauso sinnvoll könnte man darauf hinweisen, dass uns schon Dornröschen lehrt, auf ausreichend Schlaf zu achten.

[…] Iss, trink, genieße – denn das ist dein Anteil am Leben und an deiner Arbeit, für die du dich abmühst unter der Sonne.“, so bringt das die Bibel auf den Punkt.

„Und das muss aber auch genügen als Anteil! Wage ja nicht, mehr vom Leben zu erwarten!“ An anderer Stelle bringt es die Bibel so auf den Punkt (Hervorhebung von mir):

  • Sechs Tage kannst du deine Arbeit verrichten, am siebten Tag aber sollst du ruhen, damit dein Rind und dein Esel ausruhen und der Sohn deiner Sklavin und der Fremde zu Atem kommen. (Quelle: 2. Mose 23:12, EU)

Es ist also immer darauf zu achten, dass sich biblische Anordnungen und Gebote praktisch nie auf alle Menschen beziehen. Schon gar nicht war der Urlaub von Menschen im 21. Jahrhundert gemeint. Die Sklavin zum Beispiel muss natürlich auch am Sonntag arbeiten, nur ihr Sohn darf mal verschnaufen.

Schmerzen, Mühsal und Schweiß statt Urlaub

Schmerzen statt Urlaub
Schmerzen statt Urlaub

Und auf Wunsch bringt es die Bibel auch auf einen ganz anderen Punkt:

  • Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen. Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes musst du essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück. (Quelle: 1. Mose 3,16-19 EU)

Aber ein Rückgriff auf die Genesis ist gar nicht erforderlich, um die angebliche biblische Aufforderung zum Urlaub zumindest deutlich zu relativieren. Dazu braucht man an der oben zitierten Stelle einfach nur weiterzulesen. Da steht dann:

  • Alles, was deine Hand, solange du Kraft hast, zu tun vorfindet, das tu! Denn es gibt weder Tun noch Rechnen noch Können noch Wissen in der Unterwelt, zu der du unterwegs bist. (Quelle: Pr 9,10 EU)

Kein Wort von Erholung, Entspannung oder gar Urlaub! Kraftvolles Handeln ist geboten! Und zwar nicht, um ein erholsames Leben zu haben. Sondern deshalb, weil man in der offenbar unweigerlich bevorstehenden Unterwelt dann sowieso zum Nichtstun verdammt sein wird…

Also ich werde das in diesem Jahr so machen – mein Urlaubsexperiment: Ich will den biblischen Ratschlag mal ausprobieren: Iss, trink, genieße!

Woher wissen Sie, dass dieser Ratschlag für Sie gilt, das mit dem „Mühsal…, im Schweiße deines Angesichts“ aber diesmal nicht, zumindest während Ihres Urlaubs? Nebenbei bemerkt, wem haben Sie es eigentlich zu verdanken, dass es Urlaub heute überhaupt gibt? In der Bibel ist von Urlaub keine Rede, da geht es bestenfalls um Erholung oder um Zeit, die für die Verehrung des Wüstengottes (ursprünglich des Sonnengottes, deshalb Sonntag) freizuhalten ist.

„Gesegneter“ Urlaub?

Ich mache das Urlaubsexperiment … Und Ihnen wünsche ich auch erholsame Ferien und einen gesegneten Urlaub!

Mühsal statt Urlaub
Mühsal statt Urlaub

Wie stellen Sie sich das mit dem „gesegneten“ Urlaub vor? Was genau verstehen Sie unter „Segnen“? Wie genau stellen Sie sich diesen Vorgang konkret vor? Woran erkennt man einen „gesegneten“ Urlaub? Was unterscheidet einen „gesegneten“ Urlaub von einem nicht gesegneten Urlaub? Kann einer Errungenschaft der Aufklärung und der Arbeiterbewegung überhaupt gesegnet werden?

Könnte es vielleicht am Ende gar sein, dass ein Begriff wie „gesegneter Urlaub“ bei näherer, objektiver Betrachtung nichts weiter als eine hohle, naiv-frömmliche, aber gähnend leere Worthülse ist? Vielleicht können Sie nach Ihrem Urlaub ja hierzu etwas Licht ins Dunkel bringen.

Und falls Sie zwischendurch doch mal Ihre Mails checken und diesen Beitrag lesen sollten: Hier finden Sie einige Buchtipps für eine erhellende Urlaubslektüre!**

Und wie bei jedem „Wort zum Sonntag“ stellt sich auch diesmal die Frage: Was an diesem religiösen Beitrag zur Erkenntnis, dass eine Pause ab und zu mal ganz sinnvoll sein kann, ist so bedeutsam, dass es eine staatlich subventionierte und sonderprivilegierte Verkündigung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen rechtfertigt?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
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