Gedanken zu: Festgottesdienst Maria Aufnahme in den Himmel – Wallfahrtskirche auf dem Gehilfersberg war bis auf den letzten Platz besetzt, Originalartikel veröffentlicht am 19.08.16 von Osthessennews, verfasst von Winfried Möller
Die Frauen des Famgo – Teams boten vor der Kirche Kräuter an, so dass sich jeder ein Sträußchen zusammenstellen konnte, das dann im Gottesdienst von Pfarrer Dr. Jean Parfait Ntsama gesegnet wurde.*
Einmal mehr wäre es interessant zu erfahren, wie sich die Frauen des Famgo- (ein Ableger von Femen?) Teams, aber auch Herr Dr. Ntsama oder die restlichen Teilnehmer dieser Zeremonie sich das mit der „Segnung“ konkret vorstellen.
Was unterscheidet wohl ihrer Meinung nach gesegnete von ungesegneten Kräutern? Wenn „segnen“ tatsächlich irgendeine positive Wirkung haben sollte: Wieso segnet man dann nicht einfach pauschal alle Kräuter dieser Erde? Also auch die, die noch nicht abgeschnitten wurden? Oder reicht dazu die Zauberkraft eines katholischen Pfarrers nicht aus?
Und wenn doch sowieso schon der ganze Erdkreis jährlich von oberster Stelle gesegnet wird, sind da die Heilkräuter nicht sowieso schon mit eingeschlossen?
Wieso findet es offenbar niemand generell seltsam, wenn im Mitteleuropa des 21. Jahrhunderts bestimmte Pflanzen verzaubert werden? Und zwar nicht im Rahmen einer Asterix-und-Obelix-Inszenierung, sondern richtig ernsthaft?
Mit Jahwe auf dem Gehilfersberg
Immerhin spricht einiges dafür, dass ein Zauberspruch besonders wirksam ist, wenn er auf dem Gehilfersberg angewendet wird. Bevor Jahwe zum „lieben Gott“ der Christen wurde, war er schließlich ursprünglich selbst ein Berggott, wie der Bibel zu entnehmen ist.
Wie würden Christen es beurteilen, wenn zum Beispiel ein zurückgezogen lebendes Bergvolk in Peru seine Heilkräuter in einer Zeremonie im Namen einer von ihm erdachten und verehrten Gottheit vom Schamanen „segnen“ lassen würde? Aberglaube? Weniger wirksam als ein katholischer Segen?
Oder, aus westlich-aufgeklärter Sicht vielleicht einfach nur lächerlich? Aber wieso ist dasselbe Ritual dann plötzlich nicht mehr lächerlich, wenn es von einem katholischen Priester zelebriert wird?
Für Menschen, die nicht über ein aufgeklärtes Weltbild verfügen, mag ein solches obskures Ritual wie eine Kräutersegnung vielleicht eine besondere Bedeutung haben. Für diese Menschen wäre göttlicher Einfluss schlicht die plausibelste Erklärung für die ihnen ansonsten unerklärliche Wirkung bestimmter Kräuter und Gräser.
Aber für Menschen, die Autos, Handys und Internet nutzen? Also Menschen, die, abgesehen von ihren religiösen Wahngedanken, überwiegend und weitestgehend aufgeklärt sein dürften? Zum Beispiel über die Zusammenhänge zwischen bestimmten Pflanzen, deren Wirkstoffen und den dadurch verursachten Wirkungen?
Gott für das Elend Anderer danken
[…] Die Töchter und Söhne Gottes seien nicht die Reichen und Mächtigen, sondern die Armen, Trauenden und Hungrigen. Ihnen gehöre das Reich Gottes. Der Sinn unseres Lebens und einer Gemeinde müsse sein, von diesem Gott dankbar Zeugnis zu geben.
Mit dieser Formulierung wird die eigentliche, unangenehme Aussage mehr oder weniger geschickt vernebelt und verschleiert:
Christen verfolgen ja das Ziel, nach ihrem Tod in das Reich Gottes aufgenommen zu werden. Wenn Gott die Armen, Trauernden und Hungrigen in sein Reich aufnimmt, dann müsste demzufolge ja der Sinn des Lebens eines Christen sein, arm, traurig und hungrig zu sein.
Natürlich möchte nicht mal ein katholischer Priester seinen Schafen empfehlen, vorsätzlich arm, traurig und hungrig zu sein. Obwohl das ja, wenn man dieser Aussage Glauben schenkt, die Chancen deutlich erhöhen würde, postmortal in das Reich Gottes aufgenommen zu werden. Deshalb verlangt er dieses auch nicht. Sondern er fordert nur dazu auf, von diesem Gott „dankbar Zeugnis zu geben.“
Besonders leicht fällt es, dankbar Zeugnis zu geben, wenn man selbst nicht von Armut, Trauer und Hunger betroffen ist. Wenn man seine Zeit damit verbringen kann, auf dem Gehilfersberg Heilkräuter-Verzauberungszeremonien beizuwohnen.
Außerordentlich zynisch, heuchlerisch und geradezu schizophren ist es, in Anbetracht der aktuellen weltweiten Situation einem angeblich allmächtigen, allwissenden, allgütigen Gott für irgendetwas zu danken.
Statt einem ganz offensichtlich unfähigen, unwilligen oder sadistischem Gott auch noch zu danken, müsste er zunächst mal wegen unterlassener Hilfeleistung verklagt werden. Die einzige Entschuldigung für Gott ist, dass er nicht existiert.
*Die als Zitat gekennzeichnete Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.
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Aha - Frau Kiess redet sich ein, Ihr Gott meine es gut mit "uns". Schon mal was von der Theodizee-Problematik…