Wahrheit verlangt keinen Glauben

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Über das Thema Wahrheit haben sich schon viele kluge Köpfe dieselben zerbrochen. Was ist Wahrheit? Kann es überhaupt eine objektive, endgültige Wahrheit geben? Was bedeutet Wahrheit aus philosophischer Sicht? Oder in wissenschaftlichem, religiösem oder mathematischem Zusammenhang?

Bürgerrechtler, Musiker, Komponist, Autor und Verfechter des Säkularismus Dan Barker wird dieses Statement zum Thema Wahrheit zugeschrieben:

Wahrheit

Wahrheit verlangt keinen Glauben. Wissenschaftler  reichen sich nicht jeden Sonntag die Hände und singen:

« Ja, Gravitation existiert! Ich glaube an die Gravitation! Ich werde stark sein! Tief in meinem Herzen glaube ich, dass das, was hoch – hoch – hoch geht, auch wieder runter – runter – runter kommen muss! Amen! »

Wenn sie es doch täten, dann müssten wir denken, sie seien sich ganz schön unsicher darüber.
— Dan Barker

Der Begriff wird auf Wikipedia wie folgt definiert:

  • Dem Begriff Wahrheit werden verschiedene Bedeutungen zugeschrieben, wie Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, einer Tatsache oder einem Sachverhalt, aber auch einer Absicht oder einem bestimmten Sinn bzw. einer normativ als richtig ausgezeichneten Auffassung („Truism“ oder Gemeinplatz) oder den eigenen Erkenntnissen, Erfahrungen und Überzeugungen (auch „Wahrhaftigkeit“). (Quelle: Wikipedia)

Wie vielschichtig dieses Thema tatsächlich ist, lässt sich schon am Umfang der Seite zu diesem Begriff erahnen.

Wahrheit in Diskussionen mit Gläubigen

Auch in der Diskussion mit religiös Gläubigen spielt der Begriff Wahrheit immer wieder eine wichtige Rolle. Und hier sorgen die verschiedenen Bedeutungen regelmäßig für Missverständnisse. Zum Beispiel werfen Gläubige glaubensfreien Menschen mitunter vor, dass diese ja eine „absolute Wahrheit“ für sich beanspruchen würden. Dabei wisse doch auch die Wissenschaft erst nur einen verschwindend kleinen Bruchteil und könne vieles noch gar nicht erklären.

Doch dies muss keinesfalls zwangsläufig auch tatsächlich so zutreffen. Ein moderner, rationaler Standpunkt wird niemals auf eine absolute Wahrheit bestehen. Vielmehr hat es sich bewährt, die Wahrheit als eine Art Annäherung an die Wirklichkeit zu verstehen: Je mehr etwas mit der Wirklichkeit übereinstimmt, desto wahrer ist es. Was letztendlich die Wirklichkeit ist, lässt sich natürlich stets nur im Rahmen des limitierten, subjektiven Erkenntnisstandes sagen, der dem Menschen zur Verfügung steht.

Dogmatik vs Ergebnisoffenheit

Der wohl wichtigste Unterschied zwischen einem dogmatischen und einem rational-kritischen Standpunkt dürfte wohl die Offenheit gegenüber neuen Erkenntnissen sein. Anders als in der Dogmatik gelten gewonnene Erkenntnisse nur bis zum Beweis des Gegenteils. Sie können also durch neue Erkenntnisse jederzeit bestätigt, genauso aber auch widerlegt werden. Ein solcher Standpunkt ist jederzeit ergebnisoffen.

Puzzle

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Gläubige ihre Überzeugung, dass der von ihnen behauptete Gott tatsächlich existiert, ohne mit der Wimper zu zucken mit 100% angeben. Die Frage, ob sie sich irgendetwas vorstellen könnten, das sie auch nur einen winzigen Schritt von diesen 100% in Richtung 99% bringen könnte, wird oft verneint.

Interessant ist es nun nachzuforschen, wie das Gegenüber zu dieser absoluten Gewissheit gelangte. In den allermeisten Fällen läuft es dann auf „persönliche Empfindungen“ und auf Bibeltexte hinaus. Erst auf weitere Nachfrage wird dann vielleicht noch eingeräumt, dass die frühkindliche Prägung, meist durch die Eltern, ja auch eine Rolle gespielt haben dürfte.

Wer als religiös Gläubiger einem Glaubensfreien vorwirft, dass dieser eine absolute Wahrheit für sich beanspruchen würde, geht dabei meist von seinem eigenen, absoluten Wahrheitsbegriff aus. Dieser Begriff beruht jedoch nicht auf Erkenntnissen, etwa über Naturgesetze oder Logik. Sondern meist wie schon beschrieben in der Regel auf diffusen persönlichen Empfindungen und entsprechend interpretierten Bibelversen. Und eine dogmatische „Wahrheit“ ist das Gegenteil eines ergebnisoffenen Erkenntnisstandes.

Welche Wahrheit ist die wahrere?

Welche Wahrheit ist also die wahrere? Eine behauptete, absolute Wahrheit, die auf persönlichen Empfindungen und antiken Mythen basiert? Deren grundlegende Aussagen sich nicht mit dem heutigen Erkenntnisstand in Einklang bringen lassen?

Oder doch die Wahrheit, die trotz ihrer Lückenhaftigkeit in sich schlüssig und auch im Einklang mit der beobacht-, mess- und wahrnehmbaren Wirklichkeit ist? Oder die andernfalls eben nicht als absolut behauptet, sondern jederzeit durch neue Erkenntnisse ergänzt, korrigiert oder auch komplett widerlegt werden kann?

Tatsächlich gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, für die es bis heute so viele Belege gibt, dass sie allgemein und bis auf Weiteres als wahr anerkannt werden. Weil es bisher keine gegenteiligen, dafür aber immer mehr neue Erkenntnisse gibt, die die Wahrheit dieser Erkenntnisse bestätigen. Dazu zählen zum Beispiel die vier bisher bekannten Grundkräfte der Physik, also die starke und die schwache Wechselwirkung, die elektromagnetische Wechselwirkung und die Gravitation. Wobei natürlich nicht auszuschließen ist, dass es nicht auch noch weitere Kräfte gibt. Die aktuelle Forschung geht genau in diese Richtung: Mit einer fünften Kraft könnten viele Dinge erklärt werden, die sich mit den bisher als gesichert anerkannten Erkenntnissen noch nicht befriedigend beschreiben lassen.

Und hier sind wir wieder beim Fundstück der Woche, dem Zitat von Dan Barker. Es würde geradezu lächerlich erscheinen, wenn sich Wissenschaftler jeden Sonntag gegenseitig in einem Glauben an die Gravitation bekräftigen müssten. Durch die Übertragung von religiösem Verhalten in die rationale Welt wird der Unterschied zwischen Glauben und rationaler Erkenntnis deutlich.

 

 

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