Wort Gottes in der Heiligen Schrift?

Lesezeit: ~ 2 Min.

Befragt man Christen, worauf sie ihre Glaubensgewissheiten aufbauen, wird praktisch immer das Wort Gottes, also die Bibel genannt. Die so genannte „Heilige Schrift“ sehen viele Gläubige als wertvolle Quelle, verbindliche Richtschnur oder gar als Schriftbeweis an.

Schon bei einfachsten Nachfragen beginnt dieses vermeintlich stabile Glaubensfundament sofort an allen Ecken zu bröckeln.

Wort Gottes: Offenbarung oder Inspiration?

Gemäß Dogma gilt die Bibel in der christlichen Lehre als „von Gott geoffenbart.“ Weil eine Offenbarung aber eine aktive Handlung eines Gottes bedeuten würde, wird der aktive Vorgang des Offenbarens kurzerhand zu einer passiven Inspiration umgebogen:

Nicht Gott hat sich den Menschen geoffenbart. Sondern die Menschen haben sich von Gott inspirieren lassen. Das diesbezügliche Dogma spricht indes natürlich nicht von einer Inspiration, sondern von einer Offenbarung.

Religiöse Diskussion: Die Kunst, ohne Beweise, ohne Tatsachen, ohne Argumente, ohne Logik den Anderen von etwas zu überzeugen, was zu seinem Nachteil ist. (Facebook)

Würden gläubige Christen nicht bei Bedarf darauf beharren, dass die Bibel eine übergeordnete Bedeutung und Geltung habe, wäre es ziemlich egal, ob sie durch eine göttliche Offenbarung oder Inspiration entstanden war.

Allerdings tun sie genau das, jedenfalls so lange, wie sie die Bibel als schriftliche Glaubensgrundlage angeben. Dann handelt es sich selbstverständlich um das Wort Gottes, das von Menschen aufgeschrieben worden war.

Fremder Aberglaube: Lächerlich! Eigener Aberglaube: Wahrheit!

Immerhin musste Jahwe nicht, wie in anderen Religionen, seine Anordnungen selbst verfassen. Für Christen ist das paradoxerweise sogar ein Beweis dafür, dass es sich dabei tatsächlich um Gottes Wort handelt. Weil es ja viel plausibler ist, dass Menschen es aufgeschrieben haben als wenn Gott persönlich die Schreibfeder geschwungen hätte.

Das mag jetzt schreiend komisch und lächerlich klingen. Aber mit solchen Aussagen wird man tatsächlich konfrontiert, wenn man sich mit Christen über das Wort Gottes unterhält.

Und je weiter man versucht, die Bedeutung der Heiligen Schrift als Glaubensgrundlage einzugrenzen, tun sich geradezu Abgründe auf. Auf die Frage: „Beinhaltet die ‚Heilige Schrift‘ das ‚Wort Gottes‘? antworten praktisch alle befragten Christen mit einem „Ja, natürlich!“. Aber beginnt man nun, ins Detail zu gehen, wird diese Aussage immer weiter eingeschränkt und relativiert.

Bis am Schluss nicht selten eine Version herauskommt, die sich kaum noch als eine allgemeinverbindliche schriftliche Grundlage für irgendetwas eignet. Schon gar nicht guten Gewissens.

Letztlich entpuppt sich das angebliche Wort Gottes als das, was es ist: Eine von unbekannten Menschen erdachte, immer wieder veränderte und übersetzte Schrift, aus der sich der Leser beliebig alles heraussuchen kann, was ihm in den Kram passt. Egal, ob zur Nächstenliebe oder zum Völkermord aufgerufen wird. Die eigene Interpretation der biblischen Texte ist, je nach Bedarf laut christlicher Lehre verboten – oder auch unbedingt erforderlich.

Wort Gottes

Die Quelle für religiöse Überzeugungen, die man praktisch genauso oft wie das Wort Gottes genannt bekommt, sind persönliche Erfahrungen. Diesbezügliche Nachfragen entlarven auch diese Grundlage als extrem baufällig, wenn man nur einmal ganz vorsichtig auf den Putz klopft.

Denn spätestens dann, wenn es um die Frage geht, wie persönliche Empfindungen zweifelsfrei einem bestimmten Gott aus der Bronzezeit zugeordnet werden können, ist es um die Glaubwürdigkeit und Plausibilität geschehen. Egal, welche theologisch-rhetorischen Tricks zur Bewältigung aus dem Ärmel gezaubert werden.

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