Wie menschlich war Jesus?

Lesezeit: ~ 3 Min.

JesusIn diesem Beitrag wollte ein Besucher wissen, wie menschlich Jesus wohl gewesen sei. In der Bibel sei nichts Näheres darüber zu erfahren, ob er denn auch gerülpst und gefurzt hat. Und auch über die sexuelle Orientierung sei nichts Näheres zu erfahren.

Der Pfarrer, der zwar für die Beantwortung von Fragen auf fragen.evangelisch.de zuständig ist und der aber trotzdem nur Fragen zu beantworten scheint, die ihm in den Kram passen, verfasste eine Antwort, bei der man wiedermal nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Zunächst räumt er ein, dass man sich natürlich Jesus so vorstellen könne, wie man wolle. Es sei ja gerade das Gute, dass die Bibel „darüber gerade nichts schreibt.“ Denn das lässt genug Spielraum für Spekulation. Und jetzt kommts: Allen Ernstes schreibt Herr Pfarrer:

Der Fehler ist nicht, wenn wir uns das eine oder das andere über Jesus vorstellen, das nicht in der Bibel steht, sondern, wenn wir anfangen zu behaupten, so und nicht anders sei es gewesen.*

Ganz offenbar scheint Herr Pfarrer also durchaus zu wissen, dass es einen Unterschied zwischen „vorstellen“ und „behaupten“ gibt. Denn bei allen Glaubensinhalten der christlichen Kirche handelt es sich ja schließlich ebenfalls um Dinge, die sich Menschen vorstellen oder genauer: irgendwann mal vorgestellt haben.

Und die aber trotzdem so behauptet werden, als handle es sich dabei um Tatsachen, nur weil sie in der Bibel stehen. Also um etwas, das man deswegen wissen könnte. Was natürlich höchst unlogisch ist. Denn was man wissen kann, müsste man ja nicht glauben.

Hier prangert Herr Pfarrer also genau das Verhalten an, das von allen religiösen Verkündigern ständig an den Tag gelegt wird.

Hinterfragen erwünscht?

Genauso wunderlich gehts weiter. Die Christen hätten sich ja schließlich schon immer Jesus nach ihren Wünschen vorgestellt und ausgemalt. Und dann mahnt Herr Pfarrer, ohne mit der Wimper zu zucken:

Problematisch wird es allerdings, wenn man das nicht mehr hinterfragt.

Offenbar scheint ihm nicht bewusst zu sein, dass seine Glaubenslehre höchstgradig allergisch auf Hinterfragen reagiert. Schon der kleinste Zweifel, die kleinste Rückfrage kann das ganze religiöse Wahngedankenkonstrukt problemlos zum Einstürzen bringen:

  • Warum sollte ich an Gott glauben? (Antwort von fragen.evangelisch.de: Es gibt keinen Grund, an Gott zu glauben)
  • Warum müssen Menschen noch erlöst werden, wenn Jesus doch schon für unsere Sünden als Todesopfer zu Tode gequält worden war?
  • Oder, die Theodizee-Masterfrage: Warum tut ein angeblich allmächtiger, allwissender und allgütiger Gott nichts gegen das Leid und Elend auf der Erde?

„Kritisch hinterfragen“ ist also die denkbar schlechteste Empfehlung für einen, der sein Geld damit verdient, dass Menschen genau das nicht tun. Sicherheitshalber schränkt er diesen aufklärerischen, selbstzerstörerischen Aufruf gleich nochmal ein:

Darum ist Ihr Ansatz zunächst einmal richtig: Stellen Sie in Frage, was gemeinhin behauptet wird, und für das es keine biblische Begründung gibt.

Zunächst einmal. Aber bitte nicht übertreiben. Und bitte nur das in Frage stellen, wofür es keine biblische Begründung gibt. Inwieweit eine kunterbunte Textsammlung mit höchst widersprüchlichen Narrativen aus der Bronzezeit und aus dem Vormittelalter als Begründung für irgendwas brauchbar sein soll, bleibt offen.

Jesus: Inter-, Homo-, Hetero- oder Asexuell? Egal, Hauptsache gelitten und gestorben!

Zum Thema Sexualität des jungfräulich geborenen Gottessohns merkt Herr Pfarrer an, dass „wir Christinnen und Christen“ „glücklich sein“ können, „dass die Bibel hier keine Aussage macht.“ Verständlich. Denn je vager das Bild des göttlichen Menschen oder des menschlichen Gottes bleibt, umso einfacher lässt es sich den persönlichen Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten und Bedürfnissen anpassen. Kein Gott, kein Jesus hat sich je deswegen beschwert. Trotz Allmacht und Allgegenwärtigkeit.

Das, so der Pfarrer, habe den Vorteil, dass sich so zum Beispiel auch Homosexuelle einfach einen schwulen Jesus vorstellen und sich ihm so näher fühlen könnten. Nur sollten sie deshalb nicht behaupten, Jesus sei homosexuell gewesen. Es sei im Grunde auch völlig egal, wie man sich Jesus vorstelle, denn:

Er war so radikal Mensch, dass er litt und starb.

Und er war so radikal Gott, dass er am dritten Tage wieder auferstand und hinauffuhr in die ewige himmliche Herrlichkeit. Warum ausgerechnet Leiden und Sterben die Tätigkeiten sind, die ein radikales Menschsein auszeichnen, bleibt unklar. Besonders bei einem, der ja nur drei Tage lang gestorben war…

Antwort aus weltlicher Sicht

JesusDer historisch möglicherweise belegbare Jeschua ben Josef, auch bekannt als „Jesus von Nazaret“, war einer von vielen jüdischen Endzeitpredigern. Außer der Tatsache, dass er wohl wahrscheinlich vor rund 2000 Jahren gelebt haben könnte, ist nichts Näheres über ihn überliefert.

Der biblische Jesus Christus ist eine literarische Kunstfigur, die nur einige Eckdaten mit dem eventuell historischen Jesus von Nazaret gemein hat. Nur die Bibel berichtet über ihn. Bei den Geschichten über ihn handelt es sich um Legenden und Mythen, die größtenteils und teils wortwörtlich von früheren Kulten und aus Biografien anderer angeblicher Gottessöhne kopiert worden waren. Deshalb ist es auch völlig einerlei, wie sich jemand diesen Jesus vorstellt.

Überlegungen darüber, wer, wie oder was diese Gestalt gewesen sein könnte, sind deshalb in etwa so sinnvoll wie Überlegungen darüber, welche Augenfarbe Zeus hatte. Oder wie die geflügelten Sandalen von Hermes wohl funktioniert haben könnten. Kann man natürlich machen, aber warum sollte man? Welche Erkenntnisse kann man sich davon erhoffen?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.

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