Frage zur Vergebung von Sünde

Lesezeit: ~ 5 Min.

In diesem Beitrag hatte ein Besucher gleich mehrere Fragen zum Thema Sünde. Wie es sein könne, dass die Menschen immernoch sündigen, obwohl doch Jesus Christus schon der Menschheit ihre Sünden vergeben habe.

Ob das Kreuz als alltägliche Erinnerung an die Sünden gedacht sei. Und schließlich, warum heute keine Wunder mehr geschehen würden, wie sie in der Bibel beschreiben seien, wenn doch Jesus auch heute noch unter uns sei.

Der zuständige Beantwortungspfarrer, der nur Fragen beantwortet, die ihm in den Kram passen, versucht in seiner Antwort, diese Fragen irgendwie zu bewältigen. Und liefert gar wundersame Wortspielereien:

Wenn Christen sagen, dass durch Jesus Christus den Menschen ihre Sünden vergeben wurden, ist damit gemeint, dass sie davon erlöst wurden, selbst zu versuchen, alles immer richtig zu machen.*

Nach Ansicht des Pfarrers bestehe Sünde nicht nur darin, Fehler zu machen. Sondern Sünde beschreibe das menschliche Wesen. Die Sünde bestehe darin, dass der Mensch sich selbst und nicht Gott zum Maß aller Dinge mache.

Was soll Sünde eigentlich bedeuten?

SuendeErst nachdem Gott durch Jesus selbst Mensch geworden sei, habe er sich ein Bild von der Unzulänglichkeit seiner eigenen Schöpfung machen können. Und deshalb könnten wir Menschen darauf hoffen, dass Gott uns auch weiterhin verzeihe.

Weil er ja seit Jesus quasi „am eigenen Leib“ erfahren habe, wie das so ist bei der Trockennasenaffenart, die sich diesen Gott und seine drei Drittel ausgedacht hatte. Wieso ein allmächtiger Gott seine Schöpfung überhaupt sündig erschaffen hat, bleibt erwartungsgemäß unbeantwortet.

Diese abstruse Interpretation hat mit der gottlosen, irdischen Realität genausowenig zu tun wie mit der christlichen Lehre. Denn die biblische Gesamtaussage ist eine andere. Und in Markus 16,16 wie folgt auf den Punkt gebracht:

  • Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. (Mk16, 16 LUT)

Heutzutage gehen immer mehr religiöse Verkünder dazu über, den zweiten Teil dieser Aussage, die Kehrseite dieses „Heilsversprechens“ geflissentlich zu übergehen. Oder wortreich so zu verunklaren, dass sich niemand mehr deswegen fürchten muss.

Kein Heilsversprechen ohne Strafandrohung

Befasst man sich unvoreingenommen mit den biblischen Mythen und Legenden, so findet man praktisch kein Heilsversprechen, dem nicht direkt oder im weiteren Kontext Androhungen fürchterlichster Bestrafungen gegenüberstehen. Und zwar für das Vergehen, das für den allmächtigen, monotheistischen Gott das einzig wirklich Schlimme zu sein scheint: Das Vergehen, diesen Gott nicht als die einzige, allem übergeordnete Allmacht anzuerkennen.

Sollte der Herr Pfarrer etwa erkannt haben, dass dieses furchtbar inhumane Bestrafungskonzept zwar vielleicht zur Führung eines primitiven antiken Wüstenvolkes oder zur Unterdrückung der Menschheit über fast 1000 Jahre hinweg getaugt haben sollte, heute nur noch absurd und unsinnig erscheint? Aber nein.

Man kann die biblischen Geschichten beliebig auslegen und deuten. Weder von den anonymen Verfassern, noch der angeblich für die Offenbarung verantwortliche Gott ist Einspruch zu erwarten. Egal, wie jemand zum Beispiel Sünde definiert.

Mit einem ganzen Arsenal an wohlbekannten Scheinargumenten und billigen rhetorischen Taschenspielertricks lässt sich auch die bizarrste biblische „Moral“ irgendwie so zurechtbiegen, dass viele nicht mehr merken, wenn plötzlich das genaue Gegenteil dessen behauptet wird, was eigentlich drinsteht in der Bibel.

Doch wie sehr sich Theologen und andere religiöse Angestellte auch bemühen, ihr belastendes biblisches Erbe zu bewältigen: Solange die Bibel als übergeordnete, endgültige, göttlich geoffenbarte Wahrheit behauptet wird, können sich Christen jederzeit auch auf die Stellen berufen, die heute meist wohlweislich ausgespart, weggelassen und nicht mehr verkündet werden.

Widersprüche? Kein Problem…

Aber zurück zum aktuellen Beitrag. Herr Pfarrer hat offenbar kein Problem damit, sich innerhalb von wenigen Sätzen selbst zu widersprechen. Der intime Kenner des göttlichen Willens schreibt:

Das [uns zum Maß aller Dinge machen] tun wir auch weiterhin, aber Gott hat uns das verziehen, …

Mit anderen Worten: Die menschliche Sünde besteht darin, Gott nicht als Maß aller Dinge anzuerkennen. Seitdem sein Sohn (bzw. ein Drittel seiner selbst) auf Erden wandelte, weiß Gott, dass Menschen ja gar nicht anders können. Und verzeiht uns deshalb auch diese größte aller Sünden. Wenn uns Gott also sowieso verzeiht, spielt es keine Rolle, ob wir sündigen oder nicht.

Doch genau das darf natürlich auch nicht sein. Sonst droht massiver klerikaler Autoritätsverlust. Und deshalb schiebt Herr Pfarrer seiner zunächst versöhnlichen Darstellung schnell noch das genaue Gegenteil hinterher:

Das heißt freilich nicht, dass wir tun und lassen sollen, was wir wollen.

Da alle Aussagen darüber, wer, wie oder was Gott überhaupt sein soll, mangels Beweis dessen Existenz und mangels einheitlicher schriftlicher Grundlage völlig beliebig getroffen werden können, fallen auch die krassesten Widersprüche oft gar nicht direkt auf.

Jesus: Im Grunde noch unter uns

Zum Thema Kreuz-Symbolik weiß Herr Pfarrer, dass das Kreuz kein Zeichen unserer Sünden, sondern für die Vergebung derselben sei. Sicher könnte er auf Nachfrage auch noch irgendeine Bibelstelle herauspicken, die die Richtigkeit seiner  Behauptung „beweist.“

Fassen wir die Aussagen der Antwort des Herrn Pfarrers zusammen, ergibt sich folgendes Bild:

  1. Erlösung bedeutet, dass Menschen davon erlöst wurden, selber zu versuchen, immer alles richtig zu machen.
  2. Seit Gott in Form seines Sohns auf der Erde war, weiß er, dass Menschen niemals frei von Sünde sein können.
  3. Sünde bedeutet nicht, Fehler zu machen. Sünde bedeutet, Gott nicht als Maß aller Dinge anzuerkennen.
  4. Trotzdem machen die Menschen genau das – aber Gott hat uns das verziehen. Jedenfalls dürfen wir das hoffen. (Wir dürfen hoffen, dass er verziehen hat?)
  5. Das Kreuz ist ein Symbol dafür, dass Menschen nicht in der Lage sind, nicht zu sündigen. Und dass sie deshalb darauf angewiesen sind, dass sich derselbe Gott, für den das Nicht-Anerkennen seiner Macht als größte Sünde gilt, seinen eigenen Sohn als Menschenopfer zu Tode foltern lassen musste, um den Menschen so ihre Sünden zu vergeben.

Es sei der Kreativität des geneigten Lesers überlassen, diesen Ideen irgendeinen Sinn oder einen irgendwie logischen Zusammenhang zu entlocken. Ich kann dabei leider nicht weiterhelfen. Und Herr Pfarrer beantwortet leider keine Rückfragen zu seinen Behauptungen.

Geist als Beweis?

Abschließend leitet Herr Pfarrer aus der Bibelstelle (Mt 25,40) ab, dass man daraus schließen könne, dass Jesus im Grunde noch unter uns ist. Körperlich seit seiner Himmelfahrt nicht mehr, aber in Form der Geschichten über ihn. Und, ganz wichtig, durch seinen Heiligen Geist.

Woran er erkennen kann, dass es sich tatsächlich um seinen, also um den Heiligen Geist von Jesus handelt, verrät Herr Pfarrer leider nicht. Er scheint Geister jedenfalls eindeutig identifizieren zu können. Ghostbusters©®™ lässt grüßen.

Bei so vielen Überlegungen über fiktive Götterwesen, deren Söhne und andere Geister kann es schon mal passieren, dass man die Beantwortung der letzten Frage vergisst. Und so erfahren wir leider nicht, warum heute keine Blinde mehr geheilt werden. Was im biblischen Vormittelalter offenbar noch durchaus üblich war.

Dabei wäre es wirklich interessant gewesen zu erfahren, warum selbst die wortgewaltigsten TV-Evangelisten heutzutage niemals sichtbare Krankheiten heilen. Zum Beispiel Amputationen. Oder andere, objektiv überprüfbare Erkrankungen.

Antwort aus weltlicher Sicht

  1. Biblische Mythen sind rein menschliche Hirngespinste und haben (außer indirekt durch die Menschen, die diese Hirngespinste für wahr halten) keine reale Auswirkung auf die natürliche Wirklichkeit. Es spielt heute keine Rolle mehr, wie primitive Menschen vor rund 2000 Jahren ihr Unwissen, ihre Ängste und ihre Hoffnungen zu bewältigen versuchten.
  2. Ein Kreuz ist ein äußerst perfides, brutales Todesfolterungsgerät. Wer ein solches Symbol braucht, um sich seiner Fehler bewusst werden zu können, sollte sich mal fragen, warum auch Ungläubige wissen, wie man sich verhalten sollte und wie nicht.
  3. Wunder gibts heute nicht mehr, weil kaum noch jemand bereit ist, etwas, was man sich (noch) nicht erklären kann als Beweis dafür anzuerkennen, dass hier ein überirdisches Wesen seine Finger (oder was auch immer) im Spiel hatte.
  4. Die widersprüchlichen Antworten des Herrn Pfarrers zum Thema Sünden, Gott, Jesus und Kreuz könnte man als Indiz dafür sehen, dass sich die widersprüchlichen biblischen Aussagen aus dem Vormittelalter nicht mehr mit dem Verstand, der Vernunft, der Logik und der intellektuellen Redlichkeit der Menschheit im 21. Jahrhundert in Einklang bringen lassen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Beitrag.

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