Gedanken zu: Theologe zur Feuerbestattung – „Wir zerstören mutwillig ein Werk des Schöpfers“, Artikel veröffentlicht am 13. Oktober 2016 von idea.de
Während sich einige Theologen bemühen, die Absurdität ihres Betätigungsfeldes irgendwie zu bewältigen, beweisen andere immer wieder, dass man mit Absurdität auch anders umgehen kann.
Wer zum Beispiel einen Standpunkt vertritt, der so weit abseits jeglicher Realität liegt, der kann das absurdeste Zeug behaupten, offenbar ohne dass es ihm noch selbst auffällt.
Ein Beispiel aus der Kategorie: „Ist das ernst gemeint oder Satire?“ lieferte jetzt wiedermal der evangelikale „Nachrichtendienst“ idea.de. In dem Beitrag werden bizarre Ideen eines lutherischen Theologen Tobias Brendel aus Hilpoltstein zum Thema Feuerbestattung widergegeben.
Die Bibel kennt keine Feuerbestattung
Weil die Bibel nur die Körperbestattung im Erdreich oder im Felsengrab kenne, lehne er die Feuerbestattung ab, wird Brendel zitiert.
Nun, die Bibel kennt zum Beispiel auch keine Autos, kein Internet, keinen Strom, kein Handy und keine moderne Medizin einschließlich Schmerzmittel und Anästhesie. Nach seiner eigenen Argumentation sollte Herr Brendel also auch auf die Nutzung dieser und zahlloser anderer Dinge und Errungenschaften verzichten.
Und zwar konsequenterweise auf alles, was die Bibel nicht kennt. Stattdessen kann er dann ja sprechende Schlangen oder das Verhexen von Schweineherden befürworten. Diese kennt die Bibel.
Christen glaubten an einen Gott, der selbst in seiner Menschwerdung den Leib angenommen habe: „Verbrennen wir den Leib, zerstören wir ein Werk des Schöpfers mutwillig.“*
Das steht da tatsächlich. Ist demzufolge dann nicht auch das Verbrennen von Kalorien als mutwillige Zerstörung eines Werks des Schöpfers zu bewerten? Was ist mit Kaminholz, Rost oder Erdöl?
Wie schafft man es, sich so weit von der Realität zu entfernen, dass man tatsächlich ernsthaft annehmen kann, es gebe einen Unterschied zwischen dem, was von einer verbrannten und einer verwesten Leiche übrigbleibt? Und dann auch noch in Hinblick auf ein fiktives „ewiges Leben“?
…nicht nur ein Fortleben der Seele
Christen glaubten an die leibliche Auferweckung, nicht nur an ein Fortleben der Seele. Der Mensch des kommenden Reiches Gottes werde einen Leib haben: „Leib und Seele werden in ihm wieder vereint sein.“
Auch das steht da tatsächlich. Nur zur Erinnerung: Wir schreiben das Jahr 2016. Und hier geht es nicht um einen Schamanen eines im Urwald oder auf einer Insel isoliert lebenden Volkes. Sondern um einen „Theologen“ aus Mittelfranken. Ob Herr Brendel demzufolge seinen Wohnort in der Mitte der Erdscheibe wähnt?
Die biblische Auferstehungslegende ist nichts weiter als ein Plagiat früherer Legenden. Vor Jesus sind schon andere angebliche Göttersöhne auferstanden. Die anonymen Bibelschreiber schmückten ihre Geschichte so aus, dass Jesus sowohl als Mensch, aber natürlich auch als Gott anerkannt werden musste.
Das alles hat mit der irdischen, natürlichen Realität ungefähr so viel zu tun wie alle anderen Göttermythen auch, egal, ob es um Zeus, Horus, Dionysos, Baal, Thor oder eine beliebige andere Gottheit geht.
Realitätsverweigerer im Jahr 2016
Eine spannende Frage wäre es, wieviele von zum Beispiel 1000 oder 10.000 Menschen, die sich selbst als Christen bezeichnen, diese groteske Vorstellung, man müsse aufgrund einer vormittelalterlichen Auferstehungslegende eine Feuerbestattung ablehnen, ebenfalls teilen würden, wenn man sie konkret danach fragen würde. Auch die Einschätzung von zum Beispiel 100 Theologen zu diesem Thema wäre mal interessant zu erfahren.
Nicht, um damit der Wahrheit näher zu kommen. Sondern um eine Vorstellung davon zu bekommen, wieviele Realitätsverweigerer im Jahr 2016 unter uns weilen.
Auch wenn man überzeugt sei, dass Gott einen verbrannten Leib wiederherstellen könne, sollte man ihn nicht mit Absicht verbrennen angesichts des Wissens, dass er im ewigen Leben wiedererweckt werde.
Hier unterstellt Brendel, dass man wissen könne, dass man in einem „ewigen Leben“ „wiedererweckt“ werde. Außer der biblischen Mythen- und Legendensammlung ist im ganzen Artikel jedoch keine Quelle genannt, mit der dieses angebliche Wissen belegt werden könnte. Und dass die Bibel als Grundlage von Wissen ausscheidet, hat sich inzwischen auch bei den meisten, offenbar aber nicht bei allen Theologen herumgesprochen.
Müller, Wong oder Ohrenqualle?
Eine solche Annahme würde so viele unlogische Voraussetzungen und Schlüsse implizieren, dass es fast schon schmerzt: Ein wie auch immer gearteter Gott müsste sich also merken, wer zum Zeitpunkt seines Todes aus welchen Atomen bestand. Zum jüngsten Gericht müsste er dann entscheiden: Gehört dieses Atom jetzt zum Leib von Herrn Müller oder von Frau Wong? Oder doch zu der namenlosen toten Ohrenqualle im Südpazifik, in der sich das Atom derzeit befindet?
Und nach Auffassung von Herrn Brendel müsste er noch prüfen: War dieses Atom mal Bestandteil einer Leiche, die verbrannt wurde? Wie bewertet er wohl die zahllosen Menschen, die in seinem Namen und vermeintlichen Auftrag von besonders frommen und eifrigen Kirchendienern verbrannt worden waren?
Zusätzlich müsste es von jedem Vertreter der Trockennasenaffenart Homo sapiens sapiens (oder nur von Christen? Was ist mit anderen Tieren? Neandertalern?) eine Art zeitloses, virtuelles Persönlichkeitsbackup geben. Also das, was nach christlicher Lehre als „Seele“ bezeichnet wird.
Wer solches behauptet, gibt vor, Dinge zu wissen, die er nicht wissen kann. Und wenn man etwas nicht wissen kann, wieso sollte man es dann für wahr halten, indem man es glaubt?
Verschleierung der Realität
Der Leib habe eine herrliche Zukunft vor sich: „Dieser Gedanke wird durch eine Einäscherung, durch die dem Leib gezielt ein Ende gesetzt wird, verschleiert.“
In Wirklichkeit verschleiert Herr Brendel mit seinen absurden Glaubensvorstellungen den realistischen Blick auf die nachweisliche und ausnahmslos beobachtbare Tatsache, dass jeden Leib früher oder später das gleiche Schicksal ereilt: Er zerfällt in seine atomaren Bestandteile.
Laut Brendel wird auch Christus im Himmel Gestalt haben: „Nur so, nur im Leib, werden wir ihn erkennen und mit ihm Gemeinschaft haben – „von Angesicht zu Angesicht“ (1. Korinther 13,12): „Das ist unsere große, christliche Hoffnung. Und die gibt es nur mit Leib.“
Und deshalb macht es einen Unterschied, ob eine Leiche verbrannt wird oder verwest? Wie kann ein erwachsener, vermutlich ansonsten klar denkender Mensch ernsthaft so etwas annehmen und behaupten?
Vorstellungen wie diese bestätigen einmal mehr meine Einschätzung, dass Religionen ähnliche Symptome wie Wahnerkrankungen hervorrufen können. Inwiefern kann man die Annahme, nach dem Tod als Zombie in Gemeinschaft mit einem Zombie weiterzuleben, als große Hoffnung empfinden?
Theologische Unkenntnis
Dass sich heute auch Christen verbrennen lassen, liegt Brendel zufolge an theologischer Unkenntnis.
Die paradoxe Formulierung „theologische Unkenntnis“ suggeriert, Theologie könnte – bei entsprechender Kenntnis – für die natürliche, irdische Wirklichkeit brauchbare Erkenntnisse liefern. Das Gegenteil ist der Fall.
Denn Theologie basiert, wie der Name schon sagt, auf der (bis zum Beweis des Gegenteils falschen, unbegründeten und wohl bis auf Weiteres auch noch unbegründbaren) Annahme, der imaginierte Gott mit den ebenfalls imaginierten Eigenschaften sei eine reale Größe.
Deshalb ist die Theologie seit jeher damit beschäftigt, als angemaßte Wissenschaft ihre selbst erzeugten Scheinprobleme zu lösen. Ohne einen einzigen Erfolg – außer der Erkenntnis einiger Theologen, dass man redlicherweise kein Christ mehr sein kann. Es ist, als würden sie herausfinden, dass es den Baum, auf dessen Ast sie gerade sitzen um die Blätter zu unersuchen, gar nicht gibt.
Ein Verbleiben in der religiösen Scheinwirklichkeit hat dann so groteske Folgen wie die Ablehnung einer Feuerbestattung. Weil diese nicht den in der Bibel beschriebenen altjüdischen Bestattungsriten entspricht. Und weil man so das Werk eines Schöpfers mutwillig zerstören würde.
Zeremonieller Kannibalismus
Sicher haben Theologen auch „Erklärungen“ dafür parat, warum Jesus als leibhaftiges zweites Drittel eines monotheistischen Gottes mit multipler Persönlichkeit existieren kann, obwohl sein Leib seit Jahrtausenden gegessen und sein Blut getrunken wird, was die Bibel ja ebenfalls beschreibt:
- Nur wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben, und ihn werde ich am letzten Tag auferwecken. Denn mein Leib ist die lebensnotwendige Nahrung und mein Blut der Leben spendende Trank. Wer meinen Leib isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm. (Joh6, 54-55 EU)
Die Absurditäten der christlichen Lehre lassen sich heute nicht mehr mit Verstand, Vernunft, Logik, Anstand und intellektueller Redlichkeit in Einklang bringen. Zur großen Freude der Theologen. Die sich deshalb wohl auch in Zukunft noch an ihren religiösen Dauerschleifen werden abarbeiten können.
Wenn Wunsch auf Wirklichkeit trifft
Die meisten Theologen umschiffen und vernebeln wohlweislich die krasse Dissonanz zwischen religiöser Phantasie und natürlicher Realität. Und vermeiden es, Aussagen wie diese von Herrn Brendel zu treffen. Weil besonders dann, wenn es um angebliche Zusammenhänge mit der irdischen Wirklichkeit geht, die Absurdität der christlich-biblischen Lehre so augenscheinlich und offensichtlich wird.
Nochmal: Natürlich kann man sich auch einem unwissenschaftlichen Thema mit wissenschaftlichen Methoden nähern. Donaldisten tun genau das. Oder Märchenforscher. Aber die proklamieren nicht, dass ihre „Erkenntnisse“ etwas mit der irdischen Realität außerhalb ihrer Gedankenwelt zu tun haben.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.
!!! „Und den Auftrag der Schulen, diese Werte, ihre Ursprünge und Grundlagen, auf denen sie basieren zu lehren, statt Kinder…