Gedanken zu: Kreuz als Provokation – Die Krux mit dem Kreuz

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Gedanken zu: Kreuz als Provokation – Die Krux mit dem Kreuz, Originalartikel veröffentlicht am 24. November 2016 von kath.net

[…] Das Kreuz als zentrales Zeichen des Christentums war und ist eine Provokation.*

Eine Provokation kann es zumindest für alle Menschen sein, für die ein Kreuz das ist, was es ist: Ein unvorstellbar grausames Todesfolterungsgerät. Das ein angeblich allmächtiger, allgütiger Gott bevorzugte, um durch die brutale Hinrichtung seines eigenen Sohnes seine Liebe zu den Menschen unter Beweis zu stellen.

Provokation des gesunden Menschenverstandes

Das provoziert allerdings. Zum Beispiel die Frage, wie es wohl um die Moral und um die ethischen Standards eines solchen Gottes bestellt ist.

Und es ist ein Symptom für die Verfasstheit dieser Gesellschaft, wenn sie aus Klassenzimmern und Gerichtssälen entfernt werden. Kreuze aber aus politischen Gründen eines faulen Kompromisses abzulegen, ist verantwortungslos.

Schon die Verwendung des Wortes „Symptom“ deutet darauf hin, dass Herr Algermissen die Umsetzung der eigentlich ja schon längst vollzogenen Säkularisierung wohl kaum positiv bewertet.

Ich halte das Aufhängen von Todesfolterungsgeräten verantwortungslos. Und umgekehrt erschließt sich mir nicht, inwiefern das öffentliche Zurschaustellen von Todesfolterungsgeräten ein Zeichen für Verantwortung sein soll?

Für die Heiden eine Torheit

[…] Sie bestätigt den Satz des Apostels Paulus, der Inhalt seiner Botschaft, „der gekreuzigte Christus“, sei „für die Heiden eine Torheit“ (vgl. 1 Kor 1,18-25).

Ich vergleiche. Und lese:

  • Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. (1. Kor 1, 25 EU)

Ohne einen seriösen Beleg ist eine solche Behauptung völlig beliebig. Und damit irrelevant. Das kann man leicht daran erkennen, dass man  Gott durch jedes beliebige andere Phantasiewesen ersetzen kann, ohne dass sich an der Plausibilität der Behauptung etwas ändert.

Denn ein Gott, der noch niemals irgendwie seriös belegbar in Erscheinung getreten ist, kann genauso beliebig behauptet werden wie jedes andere Phantasiewesen auch. Und natürlich deren angebliche Eigenschaften.

Judenchristen – Heidenchristen

Dies entspricht den frühesten Urteilen über den neuen Glauben.

Es entspricht nicht „Urteilen über den neuen Glauben.“ Sondern es entspricht eher der „Definierung des neuen Glaubens.“ Paulus war es, der die ursprünglich jüdische Endzeitsekte so umformte, dass sie auch von „Heiden“, also von Andersgläubigen angenommen werden konnte. Und später gar zur Staatsreligion erhoben wurde.

Den Spagat zwischen der Bewahrung des Judentums und der Kompatibilität zu anderen Religionen erkennt man an vielen Stellen in der Bibel. So auch im zitierten Korinterbrief:

  • Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkündigen Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. (1. Kor 1, 22-24 EU)

Bewegt vom gewaltsamen Tod

Die Hinrichtung Jesu vor den Mauern Jerusalems am Passah-Fest des Jahres 30 hat die Welt wie kein anderer gewaltsamer Tod bewegt und grundsätzlich verändert.

Auch hier möchte ich widersprechen. Nicht die Hinrichtung an sich hat etwas grundsätzlich verändert. Außer für den Getöteten natürlich. Sondern die Narrative, die Mythen und Legenden, die auf Grundlage einer möglicherweise tatsächlich stattgefundenen Hinrichtung in der Folge von Menschen erfunden worden waren.

Oder genauer: Die von früheren Gottessöhne-Biografien abgekupfert und der literarischen Phantasiefigur „Jesus Christus“ zugeordnet worden waren.

Lebenshingabe des leidenden Gottesknechtes

In Jesu Kreuzestod erfüllte sich die alttestamentliche Verheißung vom leidenden Gottesknecht, der durch seine Lebenshingabe stellvertretend Vergebung der Schuld, d. h. Heil für alle, erwirkt. Es war eine befremdliche Botschaft, die von Anfang an die Hörer spaltete, aber das Leben so vieler Menschen ganz tief veränderte.

Die wohl tiefste Veränderung erfuhren die ungezählten Millionen von Menschen, die tatsächlich wegen dieser befremdlichen Botschaft gespaltet worden waren. Oder auch verbrannt, erschlagen, gefoltert, ausgeraubt, gedemütigt, unterdrückt, zwangsbekehrt, verfolgt…

Wie viele Gläubige heute wohl noch wie offenbar auch Herr Algermissen ernsthaft davon ausgehen, bei den Jesusmythen handle es sich tatsächlich um die Erfüllung von Verheißungen aus der Bronzezeit?

Mehr Fragen als Antworten

Und wie immer bei verschwurbelten, vernebelten Verkündigungen wie dieser vom „leidenden Gottesknecht“ stellen sich mehr Fragen, als dass sich Antworten erkennen lassen. Die wichtigste Frage:

Was ist das für ein Gott, der seinen eigenen Sohn stellvertretend für die Vergebung der Schuld von anderen Menschen zu Tode foltern lässt?

Laut Bibel gibt es Heil keineswegs für alle. Sondern nur für die, die den behaupteten Gott anerkennen. Und sich ihm bis zur Selbstaufgabe unterordnen.

Die gewählte Sprache lässt unschwer erkennen, dass solche Aussagen mit der irdischen Wirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert bestenfalls noch so viel zu tun haben wie „Grimms Märchen.“

Abgesehen natürlich von denen, die in solch absurden und bizarren Vorstellungen noch irgendeinen tieferen Sinn zu erkennen meinen. Und die einem gewaltsamen Tod etwas Positives abgewinnen können. Ihn bewegend finden.

Neuer Zuständigkeitsbereich für Jahwe

Die Boten des gekreuzigten Messias trugen neue, für sie befreiende Kunde hinaus ins römische Reich.

Befreiend von den strengen Vorschriften und der umfassenden Reglementierung im Judentum und befreiend von der eigenen Bedeutungslosigkeit der Angehörigen der sozialen Unterschicht.

Dem Provinzialgott Jahwe war bis zum Ende der Bronzezeit schon eine Reihe von Zuständigkeitsbereichen zugeschrieben worden: Wetter, Wüste, Berge, Kriege…

Anders als die Götter, die sich die Menschen von jeher als exklusiv für ein bestimmtes Gebiet zuständig vorstellten (Liebe, Krieg, Wetter…), war eine Umdefinierung bei Jahwe offenbar am einfachsten möglich. So wurde aus dem früheren Ehemann der Göttin Aschera im Lauf der Jahrhunderte ein unverheirateter, dafür aber dreiteiliger, „lieber“ Gott.

Angeordnete Gläubigkeit

Das römische Reich wurde, wie praktisch alle anderen christlichen Nationen auch, auf Befehl hin christianisiert. Nicht, weil die christliche Lehre besonders human oder ethisch gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Sie ließ sich einfach am besten für sehr irdische Zwecke instrumentalisieren: Macht und Geld.

Die Menschen wurden zu ihrem vermeintlichen Glück gezwungen. Genauso, wie Gott alle Menschen dazu zwingt, ihn anzuerkennen. Denn wer dies nicht tut, dem droht Bestrafung in Form von zeitlich unbegrenzter Höllenqual.

Paulus, der erste christliche Theologe, weiß sich wenige Jahre später „zu allen Völkern“ gesandt.

Während sich Jesus noch wenige Jahre vorher ausdrücklich nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel (Mt 15,24) gesandt gewusst hatte. Nicht Jesus war Begründer des Christentums. Sondern Paulus.

Gehorsam bis zum Tod

Sein Evangelium hatte als Herzstück die Botschaft von Gottes Kommen zu den Menschen, ja seine wirkliche Menschwerdung in Jesus Christus, wie es der früheste christliche Hymnus beschreibt: „Er entäußerte sich und nahm Knechtsgestalt an, …er erniedrigte sich selbst, wurde gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7f).

Weiter gehts an dieser Stelle so (Hervorhebung von mir):

  • Darum, liebe Brüder – ihr wart ja immer gehorsam, nicht nur in meiner Gegenwart, sondern noch viel mehr jetzt in meiner Abwesenheit -: müht euch mit Furcht und Zittern um euer Heil! (Phil 2,12 EU)

Was gibt es für einen Herrscher – weltlich oder geistlich – besseres als wenn sich seine Untertanen mit Furcht und Zittern um ihr Heil kümmern? Wenn sie gehorsam bis zum Tod sind?

Paulus gibt Auskunft, worin der eigentliche Wert des grausamen Menschenopfers bestand:

  • […] damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu […] (Phil 2,10 EU)

Es geht also keineswegs um so kitschige Dinge wie die Würde und Freiheit der Menschen. Sondern schlicht darum, dass sich alle Menschen Gott unterwerfen sollen.

Religion und Wirklichkeit

Die Kniebeuge vor dem Kreuz ist je ein Sich-Hineinknien in die Wirklichkeit der Welt.

Ein religiöses Selbsterniedrigungsritual ist das Gegenteil von einer ernsthaften, rationalen Beschäftigung mit der irdischen Wirklichkeit. Das Festhalten an religiösen Wahngedanken setzt eine Realitätsverweigerung voraus.

Eine Kniebeuge vor einem Kreuz kommt einer Bankrotterklärung an Vernunft, Verstand und Würde gleich. Und an die intellektuelle Redlichkeit.

Und es gibt keine andere Religion, die so ehrlich den Blick in die Wirklichkeit aushält, wie das Christentum.

Es gibt hierzulande kaum einen anderen Bischof, der so konsequent in seiner religiösen Scheinwirklichkeit zu leben scheint wie Herr Algermissen. Und was soll denn überhaupt „ehrlich…aushalten“ bedeuten?

Das Christentum hält den Blick in die irdische Wirklichkeit deshalb aus, weil es die Augen vor der Wirklichkeit verschließt. Solche absolutistischen Ansprüche wie der hier geäußerte sind bezeichnend für Provokation à la Algermissen.

Ätschibätschi, mein Gott ist besser!

Und darum ist es so einmalig wie sein Gründer einmalig ist – überhaupt nicht auf eine Stufe zu stellen etwa mit Mohammed, Buddha oder Konfuzius.

Was für eine arrogante, überhebliche Behauptung. Es erinnert an eine klassische Sandkastenargumentation: „Ätsch, mein Gott ist viel besser als deiner…“- „Warum?“ – „Weil ich das sage!“…

Falls mit Gründer Jesus gemeint sein sollte: Jesus war, wie schon oben angedeutet, nicht der Gründer des Christentums. Das war Paulus.

Jesus von Nazaret war vermutlich ein exzentrischer jüdisch-aramäischer Wanderprediger, der als Führer einer Endzeitsekte das vermeintlich kurz bevorstehende „jüngste Gericht“ angekündigt hatte.

Womit er sich, wie wir heute, knapp 2000 Jahre später sagen können, grundlegend geirrt hatte.Wie schon alle anderen Endzeitprediger vor und nach ihm bis jetzt auch.

Was den biblischen Gottessohn Jesus Christus angeht: Der ist eine literarische Kunstfigur. Und somit nicht mal auf der Stufe von Menschen, die tatsächlich gelebt haben.

Eine Zeit, die eines christlichen Profils bedarf?

Das müssen wir uns immer wieder klarmachen in einer Zeit, die unseres christlichen Profils wesentlich bedarf.

Auch eine solche Selbstüberschätzung könnte man als Provokation auffassen. Die Zeit bedarf Menschen, die nicht mehr blind das glauben, was ihnen vermeintliche Autoritäten vorsetzen. Egal ob politische oder religiöse Machthaber.

Die Zeit bedarf Menschen, die Behauptungen kritisch hinterfragen. Menschen, die selbstständig und selbstverantwortlich denken und handeln.

Und Menschen, die sich weder von angeblichen Heilsversprechen in die Irre führen lassen, noch von erfundenen Bestrafungen bedrohen lassen. Menschen, die sich der irdischen Wirklichkeit stellen. Und solche, die den realen Herausforderungen mit wirksamen Mitteln begegnen. Und nicht mit Vertrauen auf erfundene Phantasiewesen.

Die Stunde ist gekommen…

[…] „Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf…“ (Röm 13,11).

Wenige Zeilen vor dieser Stelle lesen wir:

  • Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen. (Röm 13,1-2 EU)

Wieso taucht dieser Abschnitt heutzutage praktisch nirgends mehr in religiösen Verkündigungen auf? Wo er doch angeblich genauso göttlich offenbart oder inspiriert ist wie der zititerte Weckruf?

Warum passt die hier beschriebene „Herrschaft durch Gottes Gnaden“ heute nicht mehr in unsere Welt? Würde eine göttliche Legitimierung von weltlicher Macht heute als Provokation empfunden werden?

Die einzige Hoffnung

[..] So ist es: Das Kreuz ist unsere einzige Hoffnung, dass wir selbst durch unsere eigenen Kreuze hindurch zum Ostermorgen und zur Auferstehung gelangen.

Hier kommt nochmal die geballte Menschenverachtung und Arroganz zum Ausdruck, die schon als Markenzeichen des Verfassers dieses Zitates bezeichnet werden kann.

Er beansprucht für seine Ideologie, die ausschließlich einzig Glückseligmachende zu sein. Diese hoffnungsvolle Illusion wird ausgerechnet durch ein Todesfolterungsinstrument symbolisiert. Aber bitte nicht am Halskettchen. Das wäre Provokation.

Das Heilsversprechen besteht nicht etwa darin, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Sondern darin, Menschen mit einer Auferstehungslegende in die Irre zu führen. Und sie auf eine fiktive Belohnung im Jenseits zu vertrösten. Bis dahin heißt es: Aushalten, erdulden, erleiden – und zwar bis zum bitteren Ende. Religion ist größte Bluff aller Zeiten.

Ich mach mir die Welt,…

Natürlich sei es auch Herrn Algermissen zugestanden, sich seine private Wirklichkeit so zu gestalten, wie sie ihm gefällt. Auch die Gedanken eines Bischofs sind frei. Nicht mal Götter kennen sie.

Aber gerade bei öffentlichen Verkündigungen, die Herabsetzung Un- und Andersgläubiger, falsche Versprechen und exklusive Heils- und Wahrheitsansprüche beinhalten, kann es zu Kollisionen zwischen der religiösen Phantasiewelt und der irdischen Wirklichkeit kommen.

Denn nicht das Kreuz ist Provokation. Sondern Menschen, die meinen, ihre religiösen Fiktionen bis hin zu Wahngedanken hätten eine besondere Bedeutung für die irdischen Wirklichkeit aller Menschen.

Nachtrag

Ganz am Anfang des Originalbeitrages war im Zusammenhang mit zerstörten Gipfelkreuzen von „religiösem Hass aggressiver Atheisten“ die Rede. Zu diesem Thema gibts einen interessanten Beitrag** im Manglaubtesnicht-Blog.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel von kath.net.

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