Pfingsten verändert alles – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 5 Min.

Pfingsten verändert alles – Das Wort zum Wort zum Sonntag, Originalbeitrag verkündet von Gereon Alter, veröffentlicht am 3.6.2017 von ARD/daserste.de

„Es müsste jetzt etwas passieren …“, hat Peter Handke sein Werk [„Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“] einmal kommentiert. „Es müsste Pfingsten kommen, wo alle mit Feuerzungen sprechen, oder was auch immer. Aber das passiert eben nicht.“ – Verblüffend, dass gerade Handke seine Hoffnung auf Pfingsten setzt.*

Oder auf was auch immer.

Einer, der sich selbst immer wieder als Atheist bezeichnet hat. Gerade er traut dem alten christlichen Pfingsten zu, den Narzissmus und die Vereinzelung in unserer Gesellschaft zu überwinden?

Das Stück beinhaltet noch weitere religiöse Motive. Wie etwa die Klagemauer, die zum Ende hin zur Himmelspforte umfunktioniert wird. Auch Vertreibung und Erleuchtung spielen eine Rolle.

Ob Handke tatsächlich „dem alten christlichen Pfingsten“ etwas zutraut, lässt sich nur vermuten. Oder, wie im heutigen Wort zum Sonntag, als (rhetorische) Frage formulieren.

Pfingsten: Wie veranschaulicht man Geister?

Nicht um die dicke Taube, die morgen in so mancher Kirche wieder auf die Häupter der Gläubigen niedergelassen wird. Und auch nicht um die gut einstudierte Begeisterungsrhetorik und die schwärmerischen Gesänge, die andernorts zu hören sein werden. All das sind sicher gut gemeinte Versuche, Pfingsten irgendwie zu veranschaulichen. Auf mich wirken sie allerdings meist recht künstlich.

Wie sollte es auch sonst wirken? Denn wie sollte man Menschen im 21. Jahrhundert noch Geisterwesen veranschaulichen? Oder wenigstens irgendwie plausibel machen können? Solche Versuche können nur künstlich wirken. Oder, von außen betrachtet, lächerlich. Deshalb ist es gut nachvollziehbar, dass jemand in der Öffentlichkeit damit lieber nicht in Verbindung gebracht werden möchte.

Ich bin da eher bei Handke. Für mich geht es an Pfingsten um eine Kraft, die unsere gesamte Gesellschaft verändern kann.

Diese Kraft kommt von den Menschen. Und nicht, wie in der Pfingstlegende dargestellt, von einem überirdischen Geisterwesen.

Nicht nur diese oder jene Kirchengemeinde, sondern alle Menschen guten Willens. Es ist die Kraft, die spürbar wird, wenn Menschen wieder miteinander reden.

Und welche Rolle spielt dann der von Ihnen angenommene, vekündigte, verehrte und als allmächtiger, allgütiger Schöpfer behauptete Gott noch? Wenn es, wie Sie richtig bemerken, gar nicht mehr von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion abhängen kann, ob Menschen sich menschlich verhalten oder nicht?

Perspektivenwechsel – tatsächlich?

Wenn es gelingt, etwas auch mal aus der Perspektive eines anderen zu sehen.

Wobei Sie aber schon lieber Dinge aus der Perspektive von anderen sehen, die die gleiche Perspektive haben wie Sie, oder? Wenn Sie zu den Wort-zum-Sonntag-Verkündigungssendungen  jeweils das  Wort aus säkular-atheistisch-humanistischer Perspektive lesen möchten, dann lade ich Sie jedenfalls herzlich dazu ein.

Wer weiß, vielleicht verschafft Ihnen dieser Perspektivenwechsel ja noch weitere wertvolle Erkenntnisse…?

Handke stellt die alles verändernde und zusammenführende Kraft nicht auf der Bühne dar, er weckt sie in den Zuschauern! Besser hätte es auch ein christlicher Theologe nicht inszenieren können.

Ein christlicher Theologe hätte zusätzlich noch die Hürde bewältigen müssen, etwas darstellen zu müssen, das es gar nicht gibt: Eine von außen wirkende höhere Macht, die die Menschen dazu bringt, aufeinander zuzugehen. Und da kämen dann sicher sehr schnell wieder dicke Tauben, eine Windmaschine und vielleicht noch etwas Pyrotechnik ins Spiel…

Pfingsten geschieht, wo Menschen sich nach echter Begegnung und lebendiger Gemeinschaft sehnen und beginnen sich kraftvoll dafür einzusetzen.

Hier ist wohl einmal mehr der Wunsch der Vater des Gedankens: Wo Menschen sich nach echter Begegnung und lebendiger Gemeinschaft sehnen und beginnen sich kraftvoll dafür einzusetzen, da sehnen sich Menschen nach echter Begegnung und lebendiger Gemeinschaft und beginnen sich kraftvoll dafür einzusetzen.

Auch Menschen mit Glauben an ganz andere Geisterwesen und natürlich auch solche, die rational denken und deshalb keine Götter, Geister und Gottessöhne für wahr halten, können sich so verhalten.

Miteinander sprechen hat nichts mit Tauben, Sturm und Flammen zu tun

Es handelt sich dabei um rein menschliches, natürliches Verhalten. Und nicht um das Wirken von außerirdischen Geistern. Oder von übernatürlichen Wesen. Außer bei Taubenzüchtern, Meteorologen und Feuerwehrleuten hat Miteinander-sprechen nichts mit Tauben, Sturm und Flammen zu tun.

Und es ist Aufgabe der Menschen, aufeinander zuzugehen und miteinander zu reden. Denn bis zum Beweis des Gegenteils ist nicht davon auszugehen, dass irgendein Gott, Geist oder Gottessohn in irgendeiner Weise jemals auch nur einmal in der Erden Lauf eingegriffen hat oder jemals eingreifen wird.

Mit zunehmenden Verschwinden der christlichen Religion verschwindet zusehends auch der trennende, abgrenzende Aspekt, den diese als monotheistische Glaubenslehre mit absolutistischem Wahrheitsanspruch zwangsläufig mit sich bringt.

Abgesehen von den christlich-fundamentalistischen Spinnern würde heute wohl niemand mehr auf Erfolg hoffen, wenn er einen „Heiligen Krieg in Gottes Namen“ anzetteln würde. Was in anderen, nicht säkularisierten Religionen ja durchaus auch heute noch an der grausamen Tagesordnung ist.

Und das passiert manchmal an Orten, an denen man es gar nicht erwarten würde.

In der echten Welt, meinen Sie? Also da, wo echte Menschen miteinander zu tun haben? Und wo Geister und Götter nur in der menschlichen Phantasie „existieren“? Wer hätt’s gedacht…

Echte Begegnungen, auch ohne Pfingsten

Für mich hat das diesjährige Pfingstfest in einem Theatersaal begonnen. In dem Moment, in dem mir aufgegangen ist, wie wichtig echte Begegnungen für mein Leben sind.

Wie sehr auch ich mich nach lebendiger Gemeinschaft sehne.

Dann setzen Sie sich doch dafür ein, die Gemeinschaft zu beleben! Ihr Gott ist allmächtig. Der kommt auch sehr gut ohne Sie aus. Sicher hat er Verständnis, wenn Sie sich voll und ganz Ihren Mitmenschen und natürlich auch sich selbst widmen. Und wenn nicht, dann wäre das sein eigenes Problem, nicht Ihres…

Und es war ein Atheist, der das in mir wach gerufen hat.

Ganz offenbar deshalb, weil er eben das menschliche Bedürfnis nach Kommunikation und Miteinander in den Vordergrund gestellt hat. Und weil man aus der Außensicht viel besser erkennen kann, dass die Menschen selbst gefordert sind, aufeinander zuzugehen.

Weil eben keine Wind- oder Feuergeister existieren, die die Menschen dazu bringen, sich (mit-)menschlich oder sonst irgendwie zu verhalten.

Weltweite Kommunikation – dank Wissenschaft und Forschung

Dass heute Menschen überall auf dieser Erde miteinander und über alle Landes-, Sprach- und sonstige Grenzen hinweg kommunizieren können, ist keinen heiligen Geistern zu verdanken.

Sondern der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung. Also den Menschen, die sich mit der natürlichen Wirklichkeit auseinandergesetzt haben. Und die immer besser verstanden, wie die Dinge tatsächlich funktionieren und zusammenhängen. Statt weiter an vormittelalterliche Geistermythen und Götter-Legenden zu glauben.

Die biblische Pfingstgeschichte ist längst bedeutungslos geworden. Denn Götter und Geister kommen in der natürlichen, irdischen Wirklichkeit nur noch als das vor, was sie sind: Menschliche Phantasiegebilde.

Im heutigen „Wort zum Sonntag“ geht es gar nicht mehr um irgendwelche göttlichen Einflüsse oder magische Feuerzauber, wie sie in der Bibel beschrieben werden. Sondern einfach nur darum, dass sich Menschen (mit-)menschlich verhalten sollten. Nicht das, was Pfingsten tatsächlich ausmacht – das angebliche Wirken eines angeblichen „Heiligen Geistes“ steht im Vordergrund. Sondern ein völlig natürliches menschliches Bedürfnis nach Kommunikation und Miteinander.

Statt wie zu erwarten und wie auch zu Pfingsten 2017 wieder irgendwo sinngemäß zu hören: „Seht her, wie mächtig unser heiliger Geist ist, der an Pfingsten durch die Köpfe seiner Anhänger weht!“ lautet die Message: „Das komische Tauben-Geister-Brimborium ist mir eigentlich eher peinlich und es ist Sache der Menschen, aufeinander zuzugehen und miteinander zu reden.“

Nicht Pfingsten verändert alles. Sondern, wie in diesem Beispiel, konnte offenbar die beklemmende Erfahrung im Rahmen eines Theaterstückes, wie sehr Menschen darunter leiden können, wenn sie nicht miteinander sprechen, das Denken verändern.

Und den Fokus auf das richten, worum es wirklich geht: Um das menschliche Miteinander.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
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