Gemeindebrief: Es geht auch einfacher…

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Aus mir unbekannten Gründen hatte ich den Gemeindebrief der Pfarreiengemeinschaft Oberer Sinngrund und der Evangelischen Kirchengemeinde Wildflecken – Advent und Weihnachten 2016 in meinem Briefkasten.

Trotzdem kann man sich ja mal ein paar Gedanken machen und eine kleine Antwort verfassen:

Sehr geehrter Herr Löw,

Wie ich der Überschrift des Vorwortes entnehme, richtet sich dieser Gemeindebrief an Ihre Mitchristen. Auch wenn ich nicht zu den Mitchristen zähle, habe ich mir Ihren Brief trotzdem durchgelesen und mir einige Gedanken dazu gemacht:

[…] Mit seinen 95 Thesen prangerte Martin Luther vor allem die „Unbarmherzigkeit“ des Ablasshandels der Kirche an. Es war und ist ein weiter Weg, die einende Erkenntnis der Barmherzigkeit Gottes erfahrbar zu machen, obwohl sich doch zumindest an der Basis wohltuende Gemeinschaft eröffnete. Ein gutes Beispiel ist unser gemeinsamer Pfarrbrief.

Göttliche Barmherzigkeit: Beliebig definierbar

Der Klerus, der mit dem Ablasshandel den Grundstock des kirchlichen Reichtums ergaunerte, hatte diesen Trickbetrug genauso als Barmherzigkeit Gottes ausgegeben. Denn wäre der behauptete Gott nicht barmherzig, würde er seiner sündigen Schöpfung ja gar nicht erst die Möglichkeit bieten, sich durch den Kauf von Ablässen vermeintliche Vorteile zu verschaffen.

Genauso beliebig wie Götter, kann also auch deren angebliche Barmherzigkeit definiert werden. Die genannte wohltuende Gemeinschaft an der Basis zeigt nur, dass offenbar immer weniger Menschen bereit sind, die künstlich durch Konfessionen geschaffenen und vorgegebenen Abgrenzungen anzuerkennen.

Diese Entwicklung dürfte wohl eher darauf zurückzuführen sein, dass in Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen von religiöser Scheinwirklichkeit befreien, den Übriggebliebenen gar nichts anderes übrig bleibt, als sich zusammenzutun. Zumindest an der Basis. Kein Gott hat sich je dazu geäußert. Oder zu irgendwas anderem.

Heilswahrheit göttlicher Barmherzigkeit tatsächlich erfahrbar?

[…] Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Heilswahrheit der göttlichen Barmherzigkeit hier und heute tatsächlich auch erfahrbar wird.

Herr Löw, was genau meinen Sie mit diesem Appell? Was verstehen Sie unter einer „Heilswahrheit der göttlichen Barmherzigkeit“? Worin besteht die göttliche Barmherzigkeit Ihrer Meinung nach?

Ein angeblich allmächtiger, allgütiger, allwissender Gott, der nichts gegen das Leid und Elend in der Welt tut und der Menschen dafür mit Höllenqualen bedroht, wenn sie sich nicht von ihm lieben lassen wollen, kann kaum als barmherzig bezeichnet werden. Er müsste vielmehr der unterlassenen Hilfeleistung angeklagt werden.

Sollten wir uns deshalb nicht viel mehr dafür einsetzen, dass die Menschlichkeit hier und heute tatsächlich auch erfahrbar wird? Die gibt es nämlich, anders als imaginierte Gottheiten, wirklich. Empathie und Altruismus sind Fähigkeiten, die die Menschen und andere Lebewesen der Evolution zu verdanken haben.

Und Mitmenschlichkeit ist doch Aufgabe aller Menschen, nicht nur der hierzulande immer weniger werdenden Anhänger eines bestimmten Wüstengottes aus der Bronzezeit? Im Interesse der Mitmenschen, und nicht, um einem Gott mit äußerst fragwürdigen moralischen Maßstäben zu gefallen?

…ist von der Gemeinschaft auszuschließen

Der Liebesbund Gottes wird nach biblischem Maßstab eben nicht durch die Teilnahme sündiger Menschen am Glaubensleben verletzt, sondern eher durch den Ausschluss dieser Menschen.

In hunderten Dogmen der katholischen Kirche ist haarklein definiert, wer für welches „Fehlverhalten“ von der Gemeinschaft auszuschließen ist. Deshalb dürfte es für Ihren katholischen Kollegen kein Problem sein, im nächsten Gemeindebrief dann darzulegen, aus welchen Gründen Menschen natürlich vom Glaubensleben auszuschließen sind.

Trotzdem wird er vermutlich darauf verzichten – heutzutage kann man es sich als Kirche nicht mehr leisten, zahlende Mitglieder zu verprellen. Egal, ob oder woran sie noch glauben.

Das Erbarmen Gottes erwies sich dann dadurch, dass er seinen einzigen Sohn in die Welt sandte um uns zu erlösen. Welch ein Beweis seiner Barmherzigkeit.

Die angebliche Erlösung bestand nicht darin, dass Gott seine Sohn in die Welt sandte. Sondern dass er sich diesen zu seiner eigenen Befriedigung und zur Versöhnung als Menschenopfer auf die denkbar grausamste Art und Weise zu Tode hatte foltern lassen. Welch ein Beweis seiner Barmherzigkeit.

Friedliches Ereignis?

Wir feiern bald dieses so friedliche Ereignis unserer Versöhnung mit Gott.

Nach katholischer Auffassung besteht die Versöhnung nicht in der Geburt des angeblichen Gottessohnes. Sondern in dessen Kreuzigung, ebenfalls verklärend mit „Erlösung“ umschrieben.

Natürlich möchte man sich seinen Wunschgott heute nicht mehr als einen vorstellen, der sich selbst Menschenopfer darbringt. Noch dazu eines, bei dem sein eigener Sohn (wahlweise auch sein eigenes zweites Drittel) hingerichtet wird.

Wenn ein allmächtiger Gott keine andere Möglichkeit hat, sich mit seiner missratenen Schöpfung zu versöhnen, dann frage ich mich, was das für ein Gott sein soll. Ein Gott, der seine Schöpfung ja auch schon mal fast komplett ertränkt hatte. Weil sie ihn genervt hatte.

Aufstrahlendes Licht aus der Höhe?

Das aufstrahlende Licht aus der Höhe wird in der Feier der Heiligen Nacht so ungemein greifbar.

Welches Licht? Aus welcher Höhe? Inwiefern greifbar? Wie sicher können Sie ausschließen, dass es sich bei den von Ihnen beschriebenen Phänomenen einfach nur um die völlig natürliche und völlig gottlose Wirkung eines feierliches Settings mit vertrauten Liedern, Kerzenschein und menschlicher Gemeinschaft handelt?

Könnte das, was Sie mit aufstrahlendem Licht aus der Höhe bezeichnen, auch einfach nur Ihrer religiösen Wunschvorstellung entsprungen sein? Dann fände ich die Formulierung „ungemein greifbar“ ziemlich unpassend.

Denn religiöse Fiktionen sind nun mal eben nicht „ungemein greifbar.“ Sondern „ungemein beliebig definierbar und realitätsfern.“ Auch, wenn sie im Gemeindebrief verkündet werden.

Erfahrbare Liebe Gottes?

Wir wünschen Ihnen die erfahrbare Liebe Gottes […]

Wünschen Sie die sich nicht eigentlich für sich selbst? Weil Sie ja damit Ihr Geld verdienen, dass Ihnen noch jemand abnimmt, die behauptete Liebe Gottes sei tatsächlich erfahrbar?  Woran können Sie erkennen, dass das, was Sie als erfahrbare Liebe bezeichnen, tatsächlich von dem von Ihnen angenommenen Gott stammt? Und nicht vielleicht doch einfach nur von den Menschen selbst?

Menschliches Leben kann tatsächlich nur dort als heilsam erfahren werden, wo alle Sünder sein dürfen und im barmherzigen Annehmen und Ertragen dieser Grundbefindlichkeit einander neues Leben zusprechen.

Heilsam? Sündig sein ist eine Grundbefindlichkeit? Neues Leben zusprechen? Herr Löw, könnten Sie mir bitte diesen Satz mal in eine verständliche Formulierung übersetzen? Mir erschließt sich der Sinn auch nach mehrmaligem Durchlesen leider nicht.

Klare Botschaft im Gemeindebrief?

Wir […] wollen uns bemühen, […] die Weihnachstsbotschaft erfahrbar zu machen.

Was auch immer Ihre Weihnachtsbotschaft sein soll: Wenn Sie etwas tatsächlich erfahrbar machen möchten, dann wäre sicher ein erster hilfreicher Schritt, eine klare, verständliche Sprache zu verwenden. Und in der Versprachlichung auf nebulöse Verklärungen und verklärende Vernebelungen zu verzichten. Könnte man Ihr Vorwort zum Beispiel einfach so zusammenfassen:

  • Seien Sie kein Ar***! Sondern verhalten Sie sich anständig sich selbst und Ihren Mitmenschen gegenüber und seien Sie nicht nachtragend!

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*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus der eingangs genannten Veröffentlichung.

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