Mesliers Mémoire (6): Beengung

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Die meisten religiös Gläubigen nehmen ihren Glauben wohl eher nicht als Beengung von Herz und Geist wahr. Doch schon im 18. Jahrhundert hatte Pfarrer Jean Meslier festgestellt:

Der Mensch, verdummt durch seine Religion, unfähig seine eigene Natur zu erkennen, seinen Verstand zu bilden, Erfahrungen zu machen, fürchtet die Wahrheit, sobald sie sich nicht mit seinen Vorurteilen verträgt. Die Religion scheint keinen anderen Zweck zu haben als Herz und Geist des Menschen zu beengen.

Meslier: Beengung

Auch die These, Religion würde verdummen, dürften die meisten Gläubigen vermutlich vehement bestreiten. Nehmen sie ihre Glaubensüberzeugungen doch meist ganz anders wahr. Nämlich als wahrhaftig. Und ganz sicher wahr. Zweifel wäre ja Sünde.

Fragt man dann nach, wird aus dem zunächst sicher Gewussten dann oft eine starke Gewissheit. Und dann, nochmal nachgefragt, bleibt zumindest eine Hoffnung. Das Geglaubte könnte ja wahr sein. Weil man ja auch das Gegenteil zumindest nicht beweisen kann.

Jean Meslier hatte offenbar schon damals erkannt, dass Menschen dazu neigen, Dinge für wahr zu halten, die sie in ihren vorgefassten Ansichten zu bestätigen scheinen.

Dieses Phänomen wird heute mit dem Begriff „Bestätigungsfehler“ oder engl. confirmation bias bezeichnet.

Auch wenn diesem Denkfehler natürlich nicht nur religiös Gläubige erliegen, ist er doch im Zusammenhang mit religiösem Glauben sehr oft anzutreffen.

Beengung von Herz und Geist

Denn schließlich muss sich jeder Gläubige mit der Auslegung einer vormittelalterlichen Textsammlung und persönlichen Empfindungen als Grundlage für die eigene Glaubensgewissheit zufrieden geben.

Auch das christliche Gebot der Nächstenliebe stellt eine Beengung dar. Denn wichtiger, als nur die Nächsten zu lieben (was auch an sich schon wenig realistisch ist) wäre es, nicht nur mit den Nächsten fair umzugehen. Sondern auch mit den Fernsten.

Zum verordneten Denkverzicht kommen also auch noch Verhaltensanordnungen dazu, die nicht mehr oder nur noch sehr bedingt den heutigen Standards moderner Ethik entsprechen. Was kaum erstaunen kann. Wenn man bedenkt, von wem und zu welchen Zwecken Religionen erfunden worden waren.

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