Gedanken zu: Weihnachtshochamt des Bischofs – Algermissen kritisiert aktive Sterbehilfe und eine Welt, „die aus vielen Wunden blutet“

Lesezeit: ~ 5 Min.

Gedanken zu: Weihnachtshochamt des Bischofs – Algermissen kritisiert aktive Sterbehilfe und eine Welt, „die aus vielen Wunden blutet“, Originalartikel verfasst von Julius Böhm, veröffentlicht am 25.12.2016 von Osthessennews

„Gott hat uns mit dem Kind in der Krippe die Hand ausgestreckt und begegnet uns auf Augenhöhe. Gott ist nicht jenseitig distanziert, uninteressiert an unseren Leiden und Tränen.

Herr Algermissen, wie können Sie eine solche Behauptung mit Ihrem Verstand, Ihrer Vernunft, Ihrem Wissen und Ihrer intellektuellen Redlichkeit vereinbaren? Auch Ihr Gott ist genauso ¨jenseitig distanziert¨, wobei ¨permanent abwesend, weil bis zum Beweis des Gegenteils nicht existent¨ die passendere Beschreibung wäre, wie alle anderen Götter auch, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat.

Da es noch nicht mal eine allgemein gültige Definition des Begriffes ¨Gott¨ gibt, können Sie sich Ihren natürlich so zurechtimaginieren, wie er Ihre Bedürfnisse am besten befriedigt. Auch Jahwe ist das völlig einerlei, was Sie in seinem angeblichen Willen, Namen und Auftrag verkündigen.

Einzig der ¨Begegnung auf Augenhöhe¨ kann ich insofern zustimmen, als dass Ihre Begegnung mit Ihrem Gott tatsächlich auf Augenhöhe stattfindet, nämlich in Ihrer Vorstellung.

Gegen solche und andere Hirngespinste aller Art ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Gedanken sind frei, nicht mal Götter kennen Sie. Problematisch wird es erst, wenn Sie meinen, aus Ihrer religiösen Scheinwirklichkeit heraus Dinge in der irdischen Wirklichkeit bewerten zu müssen. In dieser strecken keine Gotteskinder ihre Händchen nach uns aus.

Angenommen, Ihr behaupteter Gott würde tatsächlich mit den von Ihnen propagierten Eigenschaften existieren. Dann wäre dieser, wie Sie behaupten, am irdischen Leid also nicht uninteressiert. Das bedeutet, Sie stellen sich ernsthaft einen Gott vor, der nicht uninteressiert das irdische Leid und Elend mitverfolgt, ohne etwas Wirksames dagegen zu unternehmen? Trotz angeblicher Allmacht und Allgüte? Einen solchen Gott könnte man bestenfalls als ignoranten Sadist bezeichnen, nicht aber als gütiges, wohlwollendes Wesen!

Des Rätsels einfache Lösung

All diese grotesken, notwendigerweise unlösbaren Widersprüche lösen sich schlagartig in Wohlgefallen auf, wenn man aufhört, so zu tun, als gäbe es diesen Gott tatsächlich.

All die Geschenke, die wir uns am heiligen Abend gegenseitig geschenkt haben, wären nutzlos, hätte es nicht das dieses große himmlische Geschenk gegeben, das wir heute hier feiern.

Was für eine (gewohnt) arrogante Anmaßung. Das ¨große himmlische Geschenk¨ bestand in einem Menschenopfer, das sich Ihr behaupteter Gott zu seiner eigenen Befriedigung dargebracht hatte, um damit denen, die an ihn glauben, seine Liebe zu beweisen. Da sich die Kirche nicht mal einig ist, wer genau, wie, wann und wovon genau durch diese Todesfolterung einen Nutzen hatte, hat oder haben wird, ist es gerade dieses ¨große himmlische Geschenk¨, das völllig nutzlos war.

Und nicht zuletzt deshalb ist die Menschheit gerade dabei, sich von diesen absurden archaischen Mythen und Legenden zu befreien. Wohingegen Weihnachtsgeschenke tatsächlich nutzvoll sein können – auch wenn der Nutzen manchmal darin besteht, dass man zumindest versucht hat, jemandem damit eine Freude zu machen.

Bedeutung einer hoffnungsvollen Illusion

Sozusagen ein Strohhalm, an dem wir uns festhalten können.

Eine Gottessohnlegende als Strohhalm für Menschen mit wirklichen Problemen? Inwiefern trägt ein ¨nicht uninteressierter¨, aber völlig untätiger Gott zur Lösung von Problemen bei? Abgesehen vielleicht von der hoffnungsvollen Illusion, mit der Sie die Menschen auf Ihrem Holzweg entlangführen?

Das Weihnachtsfest 2016 begingen die Christen trotz der Unsicherheit, der Krisenherde und der Unfähigkeit der Politik, Lösungen zu finden.

Als Vertreter einer religiösen Scheinwirklichkeit schimpft es sich besonders gut auf die unfähige Politik. Man hat ja seinen Strohhalm, durch den man sich die göttliche Weisheit reinziehen kann.

„In einer Zeit, da der Mensch sich zunehmend als sein eigener Schöpfer gebärdet und man leichtfertig mit ungeborenem Leben umgeht, da der Mensch nurmehr die Summe seiner Gene zu sein scheint und genetische Diagnostik zur Bestimmung menschlichen unwerten Lebens führt, da feiern wir das Fest der Menschwerdung Gottes“, so der Oberhirte in seiner Festpredigt.

Das Erkennen der unfreiwilligen Komik dieser Aussage überlasse ich dem geneigten Leser.

Usque ad extremum

Gott sei bis zum Äußersten gegangen, bis in die letzten Winkel, um alle zu erreichen. Das sei die Bedingung der Möglichkeit des tröstlichen Lichtes der Weihnacht angesichts einer aus vielen Wunden blutenden Welt.

Gott ist überhaupt nicht gegangen. Menschen, die diesen Gott für wahr gehalten haben, sind bis in die letzten Winkel gegangen, um alle zu erreichen. Die Folge war eine aus vielen Wunden blutende Welt. Und eine Welt, in der – Schwert und Feuer sei Dank – das Christentum bis heute überleben konnte. Wenn Sie mit ¨bis zum Äußersten¨ die Todesfolterung meinen: Die hat, mit einer Gesamtdauer von nur etwa 3 Tagen, verhältnismäßig wenig Leid erzeugt, zumal der Gekreuzigte danach ja wieder auferstanden sein soll.

Gleichgültigkeit und Werteverfall

Algermissen sprach von Gleichgültigkeit und einem Werteverfall, der sich immer mehr abzeichnen würde.

Gleichgültigkeit legt ein nicht uninteressierter, aber trotz Allmacht tatenlos zusehender Gott an den Tag. In der irdischen Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: Selbst Themen wie die aktive Sterbehilfe, jahrhundertelang durch klerikalen Einfluss mit hanebüchenen Argumenten tabuisiert und abgelehnt, werden jetzt endlich aus Sicht des Menschen behandelt und geregelt.

Denn nicht der behauptete Wille eines behaupteten Gottes, sondern das persönliche Wohl von Menschen ist die oberste Instanz. Und dazu gehört auch, unter entsprechenden Voraussetzungen sein Leben würdevoll beenden zu dürfen.

Werte mit Verfallsdatum

Sehr wohl von Gleichgültigkeit betroffen ist jedoch die von Ihnen, Herr Algermissen, vertretene Ideologie. Deren Werte auf einer provinzialen Wüstenreligion aus der Bronzezeit basieren, die im Vormittelalter zweckmäßig ausgelegt, ergänzt, angepasst und dogmatisch festgelegt worden waren. Werte, in denen unsichtbare überirdische Wesen an oberster Stelle stehen, verfallen zurecht.

Der Mensch maße sich an, sein eigener Schöpfer zu spielen, der Umgang mit ungeborenem Leben sei leichfertig, der Mensch sehe sich selbst nur noch als die Summe seiner Gene und genetische Diagnostik führe zur Bestimmung unwerten menschlichen Lebens.

Diese Interpretation zeigt, wie weit weg von der irdischen Wirklichkeit Herr Algermissen zu sein scheint. Was aber auch nicht weiter verwundern kann, wenn jemand noch Schöpfungsmythen für wahr hält. Wer das Thema Sterbehilfe quasi mit der im 3. Reich praktizierten ¨ Euthanasie¨ gleichsetzt, stellt damit unter Beweis, dass er offenbar keine Ahnung von dem hat, worüber er hier spricht.

Algermissen und die Sterbehilfe

„Im September passierte in Belgien etwas, was ich selbst für unfassbar halte: Ein unheilbar kranker Junge wurde mit aktiver Sterbehilfe getötet und der weltweite Protest – auch hier in Deutschland – blieb völlig aus“.

Was hier wie ein Mord dargestellt wird, erscheint in einem anderen Licht, wenn man die Grundlagen kennt, auf denen in Belgien aktive Sterbehilfe seit 2014 gesetzlich erlaubt hat:

  • Das belgische Parlament hatte 2014 die Altersbeschränkung für Sterbehilfe aufgehoben. Es ist seither das einzige Land weltweit, das für Kinder jeden Alters Sterbehilfe erlaubt. Sie ist dann möglich, wenn die Eltern sowie Ärzte und Psychologen zustimmen. Voraussetzung ist außerdem, dass das Kind nachweislich eine rationale Entscheidung getroffen hat und im Endstadium einer unheilbaren Krankheit mit unerträglichen und nicht zu lindernden Schmerzen ist. (Quelle: zeit.de)

Die Anmaßung besteht darin, Menschen ihr Recht auf ein würdiges Sterben abzusprechen und dafür einen Schöpfer zu behaupten, gegen dessen unbekannten Pläne dies angeblich verstoßen würde.

Zeugenschaft – wovon?

„Wenn wir uns als Kinder Gottes wiedererkennen“, sagte Bischof Algermissen zum Abschluss seiner Festpredigt, „können wir Zeugen der Menschwerdung Gottes sein und mit dieser Zeugenschaft die Welt ein Stück menschlicher machen und verändern – und sie hat es weiß Gott nötig.“

Diese Zeugenschaft ist irrelevant, weil es keinen Kausalzusammenhang zwischen dem irdischen Geschehen und einem behaupteten, nicht uninteressierten, aber abwesenden Gott gibt. Was Gott weiß und was nicht, lässt sich nicht sagen, jedoch völlig beliebig behaupten. Was sich allerdings sicher sagen lässt: Es scheint ihm völlig einerlei zu sein.

Wäre es deshalb nicht viel sinnvoller und zielführender, wenn sich die Menschen als Menschen erkennen würden? Mit all ihren Schwächen, aber eben auch mit all ihren Fähigkeiten? Dann gäbe es im Dom zu Fulda künftig sicher auch wieder mehr als genug freie Sitzplätze für alle, die trotzdem noch den Ausführungen des Herrn Algermissen beiwohnen möchten.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalartikel.

FacebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterredditpinterestlinkedintumblrmail

Deine Gedanken dazu?

Fragen, Lob, Kritik, Ergänzungen, Korrekturen: Trage mit deinen Gedanken zu diesem Artikel mit einem Kommentar bei!

Wenn dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns über eine kleine Spende in die Kaffeekasse.

Ressourcen

Gastbeiträge geben die Meinung der Gastautoren wieder.

Wikipedia-Zitate werden unter der Lizenz Creative Commons Attribution/Share Alike veröffentlicht.

AWQ unterstützen

Jetzt einfach, schnell und sicher online bezahlen – mit PayPal.

Wir haben, wenn nicht anders angegeben, keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalten oder von Buchtipps.

Neuester Kommentar