Glück macht stark – Das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 6 Min.

Glück macht stark – Das Wort zum Wort zum Sonntag, verkündigt von Ilka Sobottke, veröffentlicht am 31.8.2019 von ARD/daserste.de

Darum geht es

In ihrer heutigen Fernsehpredigt gewährt Frau Sobottke einen Einblick in ihre religiös erweiterte Vorstellungswelt. Alles Positive sind für sie Gottesgeschenke, die ihr dabei helfen, alles Negative besser zu verkraften.

Kleine Gottesgeschenke erhalten die Einbildung

So viel Paradies in dieser Welt! Für mich sind das Gottesgeschenke! Blödsinn machen, Gottesgeschenk! Malefiz spielen und Muskelkater vom Lachen, Gottesgeschenk. Diskussionen bis tief in die Nacht. Gottesgeschenk! Mich machen solche Situationen glücklich und dankbar.
(Quelle der so als Zitat gekennzeichneten Abschnitte: Glück macht stark – Wort zum Sonntag, verkündigt von
Ilka Sobottke, veröffentlicht am 31.8.2019 von ARD/daserste.de)

Hier beschreibt Frau Sobottke eine Disziplin, die Gläubige beherrschen müssen: Die Kultivierung eines klassischen Bestätigungsfehlers.

Und so wirds gemacht:

GebetslogikAls Christ muss man sich dazu zunächst mal das von der biblisch-christlichen Mythologie vorgegebene, moralisch betrachtet katastrophale Gottesbild so zurecht biegen, dass ein „lieber Gott“ dabei herauskommt. Ein allmächtiges magisches Himmelswesen, das sich nichts mehr wünscht als eine Liebesbeziehung zu seinen Anhänger*innen.

Den Umstand, dass dieser Gott, während er seinen Anhänger*innen ein kleines „Gottesgeschenk“ nach dem anderen macht, zeitgleich nicht nur unvorstellbares Leid zulässt, sondern seinerseits auch noch ebenso unvorstellbar grausame, zeitlich unbegrenzte Dauerbestrafung mit physischer und psychischer Höllenfolter bei vollem Bewusstsein androht für das „Vergehen“, sich von ihm zeitlebens nicht lieben lassen zu wollen (genauer: sich ihm nicht zu unterwerfen), ignoriert man dabei am besten.

Klar: Als gläubiger Mensch ist man davon ja auch nicht betroffen.

Hat man sich diesen lieben Gott, der es selbstverständlich nur gut mit einem meint erstmal zurechtgebastelt, muss man nur noch alles, was einem positiv erscheint, zum „Gottesgeschenk“ erklären.

Ein solcher, sich selbst verstärkender, chronischer Bestätigungsfehler kann zur Folge haben, dass Menschen sich persönlich angegriffen fühlen, wenn man sie sachlich darauf hinweist.

Nicht alles ist Glück

Nun bleiben freilich auch Christ*innen nicht davor verschont, hin und wieder mit Situationen konfrontiert zu werden, bei denen nicht mal sie es fertigbringen, sie sich selbst als „Gottesgeschenk“ zu verkaufen.

Auch unter Christen (zumindest in der Mainstream-Fraktion) gelten heute religiöse Fanatiker, die auch Leid, Schmerz und Elend als Gottesgeschenk auffassen (wie zum Beispiel „Mutter Teresa„, der „Todesengel von Kalkutta“), für gewöhnlich als fragwürdig. Oder, bei entsprechend starker Ausprägung, auch als religiös verstrahlt. Wenn das Verhältnis zur Realität nicht mehr als gesund bezeichnet werden kann.

Zurück aus dem Urlaub das Gegenprogramm: Eine ist schwer krank, einer liegt im Sterben. Wo ist da jetzt Gott? Eine Mutter sagt zu mir ‚Ich weiß nicht mehr, wie ich meinen Kindern die Welt erklären soll. Ich komme nicht mehr klar. Diese egoistischen Sandkastenstreitigkeiten auf Kosten der ganzen Welt. Eine Höllenfahrt ohne Bremse.‘ Und die nächste: ‚Diese Idioten weltweit! Der Amazonas brennt, immer noch Krieg in Syrien und immer mehr Hetzer und Rassisten. Ich mach mir einfach Sorgen! In was für einer Welt werden meine Enkel leben?‘

Wir halten fest: Frau Sobottke ist es durchaus bewusst, dass die Wirklichkeit nicht ausschließlich aus Dingen besteht, die sie als „Gottesgeschenk“ bezeichnen würde. Im Gegenteil: Die Wirklichkeit kann auch unvorstellbar rücksichts- und gnadenlos sein. Auch ganz ohne menschliches Zutun.

Frau Sobottke stellt sogar die Masterfrage. Die man sich – auch und gerade als Berufsgläubige – unweigerlich stellen muss in Anbetracht des ganzen Elends: Wo ist da jetzt Gott?

Ja, wo isser denn?

Allein: Beim Stellen dieser Frage bleibt es dann auch schon.

Dieser Trick ist altbekannt: Benenne das Problem, oder sprich es zumindest, zum Beispiel verpackt in einer rhetorischen Frage, an. Und fahre dann mit deiner Rede fort, ohne die Frage beantwortet zu haben. Damit erweckst du den Eindruck, etwas zu dem Problem gesagt zu haben. Obwohl du die Frage gar nicht beantwortet hast.

Übrig bleiben: Die Einbildung, der liebe Gott würde das vermutlich und hoffentlich vergleichsweise sorgenarme Sobottkesche Leben mit Dingen wie „Blödsinn machen, Malefitz spielen, Lachen und Diskussionen bis tief in die Nacht führen“ verschönern.

Und auf der anderen Seite gibts eben auch alle Arten von Leid, Elend und Ungerechtigkeit.

Dass hier etwas nicht stimmt, nicht stimmen kann, scheint auch Frau Sobottke aufzufallen:

Wie geht das zusammen? Das Glück, der Urlaub und diese von Menschen inszenierten Höllen?

Ja – wie geht das zusammen? Sagen Sie es mir, Frau Sobottke! Sie behaupten diesen Gott, nicht ich…

Und jetzt wird es grotesk. Denn Ihnen geht es gar nicht um die Frage, warum Gott Ihnen Geschenke macht, während er unvorstellbares Leid und Elend zulässt (und auch selbst androht). Diese Frage lassen Sie einfach unbeantwortet.

Ganz offensichtlich geht es Ihnen nicht um die Theodizee. Sondern um Sie selbst:

Hauptsache, Frau Sobottke ist glücklich!

Mich macht das Glück stark. Vielleicht weil ich es als Gottesgeschenk verstehe. Medizin gegen die Hoffnungslosigkeit, gegen die Verzweiflung.

Schön für Sie, Frau Sobottke!

Beten
Quelle: Facebook

Erscheint Ihnen, ebenfalls wie mir bei Licht betrachtet die Vorstellung, Ihr Gott würde zwar trotz Allmacht und Allgüte nichts gegen Leid und Elend (auch nicht gegen das seiner Anhänger) unternehmen, während er Ihnen aber mit vielen kleinen Glücksgeschenkchen dabei hilft, nicht an der Wirklichkeit zu verzweifeln, für reichlich arrogant, egoistisch und moralisch höchst fragwürdig?

Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich gönne Ihnen jedes Glück der Erde.

Und wenn Sie sich gerne einbilden möchten, dass Ihr Glück Geschenke Ihrer Gottesvorstellung sind, dann tun Sie das gerne. Die Gedanken sind dank Aufklärung und Säkularisierung heute freier denn je. Und es sind ja Ihre Gedanken.

Aber was versprechen Sie sich davon, das öffentlich-rechtliche Fernsehpublikum an Ihren skurrilen Wunschvorstellungen teilhaben zu lassen?

Glück kann auch Mut machen

Keine Frage: Erlebnisse und Umstände, die glücklich machen, tragen bestimmt dazu bei, die längst nicht immer glückliche Wirklichkeit besser ertragen zu können. Sie können auch ermutigen, selbst aktiv zu werden. Und etwas gegen Missstände zu unternehmen.

Auch halte ich es ebenfalls für eine gute Idee, sich immer wieder bewusst zu machen, dass auch ein noch so kleines Glück zum Glücklichsein beiträgt. Und dass es sich deshalb lohnt, sich auch über das Glück zu freuen, das in ganz kleinen Dosen daherkommt.

Für diese Erkenntnis brauche ich allerdings keinen einzigen der vielen tausend Götter, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat.

Auch nicht, bzw. erst recht nicht den Gott, wie er für die biblisch-christliche Mythologie erdacht und mit angeblichen Eigenschaften, Absichten und Handlungen ausgestattet worden war.

Und mit dem man sich, wenn man ihn erstmal in der eigenen Wirklichkeit zugelassen und etabliert hat, unweigerlich so viele Widersprüche und Absurditäten ins Haus holt, dass man sich parallel eine gute Strategie zurechtgelegt haben sollte, wenn man die eigene intellektuelle Redlichkeit vor Schaden bewahren möchte.

Vernunft statt Realitätsverweigerung

Vielleicht kann ich nichts tun gegen die Brände am Amazonas. Vielleicht aber doch. Ich weiß genau, ich treffe jeden Tag Entscheidungen, die Einfluss haben darauf, wie die Welt sich weiterdreht. Und gerade weil Gott mich so beschenkt, trage ich eine Verantwortung. Ich will und ich darf nicht die Höllenfahrt befeuern.

Blessings
Quelle: Netzfund

Frau Sobottke, wenn Sie sich wirksam dafür einsetzen möchten, die Welt besser zu machen, dann wäre es doch naheliegend, sich erstmal damit abzufinden, dass sich redlicherweise nichts, was auf Erden geschieht, mit irgendewelchen überirdischen magischen Wesen in einen ursächlichen Zusammenhang bringen lässt.

Das, was Sie als Glück und Bestärkung empfinden, kommt ebenso wenig von Gott wie das Leid, gegen das Sie etwas unternehmen möchten. Ihr Gott ist bis zum Beweis des Gegenteils nichts weiter als die Einbildung, ein der menschlichen Phantasie entsprungenes Phantasiewesen hätte tatsächlich seine Finger (oder was auch immer) im Spiel.

Finden Sie sich mit der Wirklichkeit ab. Statt die Probleme, mit denen die Menschheit zu tun hat, als „Höllenfahrt“ zu religionisieren. Und verabschieden Sie sich von der entweder naiven und/oder illusorischen Einbildung, ein magisches Himmelswesen würde Sie mit Glücksgeschenken bei Laune halten. Ein Wesen, dem Sie für seine Untätigkeit und/oder Gleichgültigkeit auch noch meinen, dankbar sein zu müssen.

Lösungen beginnen immer dann zu funktionieren, wenn Menschen anfangen, sich Problemen mit Vernunft und klarem Kopf zu stellen. Wenn sie aufhören, Götter als Erklärung oder Entschuldigung für irgendetwas zu akzeptieren. Und wenn sie aufhören, auf deren Unterstützung zu hoffen, wenn sie sich in fiktiven Dialogen mit ihren Göttern unterhalten. Gebete löschen keine Brände.

A propos Verantwortung: Sind Sie ernsthaft der Auffassung, Menschen, die sich nicht einbilden, von Göttern beschenkt zu werden, würden weniger Verantwortung tragen als Sie? Ist Ihnen das Wohl des irdischen Lebens nicht Grund genug, sich dafür einzusetzen? Offenbar nicht. Denn sonst müssten Sie sie Ihre Verantwortung ja nicht auch noch als Gegenleistung für göttliche Geschenke definieren.

Glück für alle: Einladung zum Streit

Ich will mit denen streiten, die anderer Meinung sind, im Kontakt bleiben, trotzdem zuhören und versuchen zu verstehen.

Dann nehme ich Sie gern beim Wort, Frau Sobottke. Und freue mich auf Ihre – gerne ebenfalls streitbaren – Gedanken zu meinen Gedanken. Anders als zum Beispiel auf der Webseite fragen.evangelisch.de veröffentlichen wir auf AWQ.DE auch kritische Kommentare.

Was halten Sie zum Beispiel von meiner abschließend vorgeschlagenen, völlig gottlosen Zusammenfassung Ihrer heutigen Fernsehpredigt?

Diese Zusammenfassung besticht nicht nur durch den wesentlich geringeren Verbrauch an teurer öffentlich-rechtlicher Sendezeit.

Sondern auch durch den großen Vorteil, dass sie alle Menschen ansprechen kann. Gerade in Zeiten, in denen ja, zumindest hierzulande, immer weniger Leute überhaupt noch an Götter glauben.

Bei meiner Formulierung ihrer Message (ich vermute mal, dass das Ihre eigentliche Message sein soll) ist es egal, ob jemand an Gott, Götter, Göttinnen, Gottessöhne, Geister, Feen, den Klabautermann oder an gar nichts glaubt:

  • Lassen Sie sich von dem, was Sie glücklich macht darin bestärken, die Welt fairer, gesünder, glücklicher, besser zu machen.
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3 Gedanken zu „Glück macht stark – Das Wort zum Wort zum Sonntag“

  1. Der Artikel kontrastiert sehr gut die läppischen Gottesgeschenke einerseits und das große Leid auf der Welt andererseits. Es ist zudem interessant zu lesen, wie geschickt dieses Leid zwar angesprochen wird, anschließend jedoch flugs verschwindet und im weiteren Verlauf der Predigt keine Rolle mehr spielt. Übrig bleibt der Gottesjubel, und der Eindruck, dass die Frau Pfarrerin sich ganz dolle um die Wohlfahrt der Welt kümmert.

    Mir fällt dazu folgendes lehrreiche Gleichnis ein:

    Stellen wir uns vor, die gesamte Bundesregierung würde als große Delegation ein armes afrikanisches Dorf besuchen und bei der Abreise mit einer pompösen Geste ganze 25 Euro spenden. Das würde uns schäbiger vorkommen, als wenn die Delegation überhaupt nichts gespendet hätte. 25 Euro wären geradezu bösartig.

    Stellen wir uns zum Vergleich vor, der allmächtige Gott würde auf das Leid der Welt blicken und sich dann großmütig entschließen, der Frau Pfarrerin einen lustigen Malefiz-Abend mit ihrem Enkel zu spendieren. Wäre das angesichts des Leids auf der Welt nicht ebenso bösartig?

    Natürlich steckt das Glück oft im Kleinen. Und natürlich besteht die Kunst des Lebens oft darin, diese Kleinigkeiten zu entdecken und sich an ihnen zu erfreuen. Aber der Grund dafür ist, dass wir selber klein sind, und dass es das große Glück so selten gibt, und zwar deswegen, weil wir Menschen weitgehend machtlos sind. Dieser Umstand formt unseren Maßstab.

    Gott muss jedoch an einem anderen Maßstab gemessen werden. Es reicht nicht, auf Kleinigkeiten zu verweisen. Gott könnte mühelos, allein mit der Kraft seiner Gedanken, alle Krankheiten beseitigen, alle Wüsten zum Blühen bringen und jedem Dorf eine saubere Wasserquelle spendieren. Das wäre keineswegs großartig, sondern bloß das absolute Minimum, das man gerechterweise erwarten kann, wenn man bedenkt, dass es Gott nichts kostet. Aber stattdessen bekommt die Frau Pfarrerin, die sowieso ein sorgenfreies Leben hat, einen schönen Malefiz-Abend.

    Ich würde von der Frau Pfarrerin gerne erläutert bekommen, warum Gott sich stets von den großen Problemen fern hält. Ist das angesichts seiner Macht nicht unmoralisch?

    Antworten
  2. Danke für diesen Impuls! Ich habe unlängst das Ebook „Kann Religiosität unglücklich machen“ von Victoria Rationi (einer Religionspsychologin) gefunden (nocht aktueller: ihr Buch „Religionsparadox“), in dem sie weltweite Statistiken zur Zufriedenheit der Menschen anführt – aber ich denke hier schneidet eher der Islam schlecht ab. Aber trotzdem: auch für mich als gläubingen Menschen interessant!

    MfG Norbert

    Antworten

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