Gedanken zu: Engel-Ausstellung im Bruder-Franz-Haus auf dem Kreuzberg

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Gedanken zu: Engel-Ausstellung im Bruder-Franz-Haus auf dem Kreuzberg, Originalartikel verfasst von Marion Eckert, veröffentlicht am 28.11.16 von Osthessennews

[…] Mancher skurrile Auswuchs sei in der Esoterik zu bestaunen, da werden Engel als Wunderfüller und Orakel angesehen. Dabei seien Engel ursprünglich ein religiöses Thema, das heute noch Konjunktur habe, jedoch nicht unbedingt in der Theologie.*

„The irony hits so hard“ – diese Ironie tut so weh: Wenn Engel in der Esoterik „skurrile Auswüchse“ sind, heißt das, dass sie in religiösem Zusammenhang weniger skurril sind? Inwiefern sind christlich-katholische Engel weniger skurril als esoterisch-okkulte Engel?

Welchen Unterschied macht die Ausprägung des Aberglaubens? In beiden Fällen handelt es sich um Hirngespinste. Rein menschlicher Phantasie entsprungen. Ohne seriös nachweisbaren Bezug zur irdischen Wirklichkeit.

Wer etwas anderes behauptet, sollte mal überlegen, ob ein Unterschied objektiv erkennbar wäre, wenn er den Begriff „Engel“ durch einen beliebigen anderen Begriff ersetzt. Zum Beispiel „Alien“, „Dämon“, „Fee“, „Froschkönig“…

Immerhin scheint man nicht mehr verheimlichen zu wollen, dass sich zumindest die Theologie schon längst von naiv-kindlich-volksfrömmlich-dümmlichem Glauben an Engel verabschiedet hat.

Sehnsucht: Womöglich. Engel: Nein.

[…] Die Sehnsucht nach einer schützenden Lichtgestalt an der Seite, nach einem persönlichen himmlischen Begleiter, haben wohl viele Menschen.

Diese Sehnsucht haben in erster Linie Menschen, bei denen vergessen wurde, religiöse Hirngespinste wie Engel zusammen mit dem Osterhasen, dem Weihnachtsmann, Feen und anderen Phantasiegestalten dorthin zu schicken, wo Phantasiewesen beheimatet sind: In der menschlichen Phantasie. Und Menschen, die sich lieber von hoffnungsvollen Illusionen täuschen lassen. Als sich der irdischen Wirklichkeit zu stellen.

Selbsterkenntnis durch Vertrauen auf Phantasiewesen?

Pater Georg zitierte: „Wenn du darauf vertraust, dass ein Engel auch deinen persönlichen Weg begleitet, wirst du entdecken, wozu du fähig bist. Du wirst deine Einmaligkeit spüren und den göttlichen Glanz deiner Seele.“

Es sei selbstverständlich jedem unbenommen, sich die Wirklichkeit nach eigenen Wünschen und Vorstellungen beliebig zu gestalten. Selbst wer als aufgeklärter Mensch in allen Bereichen seines Lebens die bewährten Methoden des kritischen Denkens und Abwägens zur Wahrheitsfindung erfolgreich anwendet, kann sich eine gedankliche Ausnahme für den religiösen Bereich einrichten. Und mit etwas Denkverzicht jeden beliebigen Unsinn für wahr halten.

Das tut auch kaum weh. Solange man nicht darüber nachdenkt. Denn würde man das tun, würde einen das unangenehme Gefühl befallen, das die kognitive Dissonanz meist mit sich bringt:

Der Moment, wenn einem der Unterschied zwischen religiöser, irrealer Wunschvorstellung und irdischer Wirklichkeit bewusst wird. Und die mehr oder weniger gut unterdrückte Ahnung, dass sich beides redlicherweise nicht miteinander in Einklang bringen lässt.

Verantwortungslos: Gezielte Irreführung

Wer aber meint, seinen Mitmenschen mit Verkündigungen aus seiner Scheinwirklichkeit gar einen Gefallen zu tun, der sollte mal einen Moment selbstkritisch in sich gehen. Und sich fragen, was es bedeutet, als erwachsener, ansonsten vermutlich klar denkender, geistig gesunder und aufgeklärter Mensch im 21. Jahrhundert Menschen dazu aufzufordern, auf Phantasiewesen wie Engel zu vertrauen. Und auf deren Unterstützung zu hoffen.

Und was es bedeutet, die unbestrittene Einmaligkeit von Menschen durch einen angeblichen „göttlichen Glanz“ zu relativieren.

Um zu erkennen, wozu man fähig ist, sollte man auf sich selbst vertrauen. Und sich dazu seiner eigenen Grenzen, aber natürlich auch seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten bewusst werden.

Willkommen in der Wirklichkeit

Das gelingt am besten, wenn man sich fiktiver Begleiter wie Trolle, Feen oder Engel entledigt. Und sich der irdischen Wirklichkeit zuwendet. Also der Wirklichkeit, in der auch Kirchen Blitzableiter haben. Und in der selbst tief gläubige Erzkatholiken nach links und rechts schauen, bevor sie eine Straße überqueren. Statt sich auf einen Engel zu verlassen, der sie ja angeblich beschützt.

Denn in der irdischen Wirklichkeit hat bis heute noch kein einziges überirdisches Wesen jemals auch nur einmal nachweislich ins Geschehen eingegriffen. Engel als Ursache für irgendwelche Ereignisse sind denkbar schlechte Hypothesen.

Auch in der Bibel kommen Engel vor.

In der Bibel kommen auch Dämonen, verhexte Schweine, verfluchte Feigenbäume, ein Nebenberufsexorzist, sprechende Schlangen, Zombies und jede Menge weiterer Dinge vor, die lediglich in der Phantasie von Menschen „existieren.“ Was sagt das aus? Außer, dass die Menschheit über eine blühende Phantasie verfügt?

Die Menschen hatten in der Bronzezeit und im Vormittelalter noch ein vergleichsweise geringes Wissen darüber, wie Dinge tatsächlich funktionieren und zusammenhängen. Da war selbst eine aus heutiger Sicht so unplausible „Erklärung“ wie das Wirken eines Schöpfergottes noch einleuchtender als zugeben zu müssen: „Wir wissen es nicht.“

Wir können das erklären…

Und natürlich kann man mächtig Eindruck schinden, wenn man vorgibt zu wissen, dass ein übernatürliches Wesen das Unerklärliche verursacht habe. Das steigert natürlich die Aufmerksamkeit gewaltig. Zumindest bei primitiven Wüstenvölkern in der Bronzezeit. Und bei erschreckend vielen Menschen selbst heute noch.

Pater Georg gab den Anwesenden den Gedanken mit: Jeder Mensch hat einen Geburtsengel, eine Schutzengel, der mehr ist als ein Beschützer in kritischen und gefährlichen Situationen.

Hierzu wäre es interessant von Herrn Georg zu erfahren, ob er wirklich ehrlich echt der Meinung ist, dass überirdische, unsichtbare Wesen in das irdische Geschehen eingreifen. Also so wirklich ehrlich echt. Denn das wäre die Voraussetzung dafür, dass diese Aussage nicht einfach nur ein dummes Geschwätz ist. Eine gezielte Irreführung von Menschen.

Gefährliche Irreführung

Und noch dazu eine gefährliche. Denn wer sich tatsächlich auf die Unterstützung von Hirngespinsten verlässt, wähnt sich womöglich in einer trügerischen Sicherheit. Statt zu versuchen, eine Situation möglichst realistisch einzuschätzen und realen Problemen mit tatsächlich wirksamen Mitteln zu begegnen.

Mehr als ein kostenloser himmlischer Dienstleister, der wenn es brenzlig wird zur Stelle ist. „Der Schutzengel als unser Geburtsengel begleitet unser Leben und hilft uns der Mensch zu werden, der wir nach dem Willen Gottes werden sollen.“

Ob man sich eine Phantasiefiegur als „mehr als“ irgendetwas vorstellt oder nicht, macht in der realen Welt keinen Unterschied. Imaginäre Freunde kann man sich völlig beliebig ausdenken und vorstellen.

Mehr als Jahwe: VSODor43fr9f

Und weil es sie nun mal nicht gibt, kann man über ihre angeblichen Eigenschaften einfach  jeden beliebigen Unsinn behaupten und verbreiten:

  • „Die Engel des Gottes VSODor43fr9f bieten sogar noch mehr als die christlichen Geburtsengel. Denn die Engel des Gottes VSODor43fr9f helfen auch noch im Haushalt mit, mähen Rasen und sorgen für schönes Wetter. Immer, wenn die Sonne scheint, sind die Engel des Gottes VSODor43fr9f für die aktiv, die an sie glauben.“

Das glauben Sie nicht? Warum nicht? Wenn Sie das in Frage stellen, verletzen Sie meine religiösen Gefühle.

[…] „Lassen Sie sich von den Engel[n] ansprechen. Lassen Sie sich in ihre Lebenssituation hinein Halt und Zuversicht schenken.

Nochmal zur Erinnerung: Wir schreiben das Jahr 2016 und befinden uns in Nordbayern. Ein erwachsener Mensch ruft andere Erwachsene dazu auf, sich von Phantasiewesen ansprechen zu lassen. Ein Nachrichtendienst nutzt das Internet, um diese Meldung weltweit zu veröffentlichen. The irony hits so hard…

Des Bürgermeisters Rat

So wünschte [der Bürgermeister] allen Besuchern der Ausstellung genügend Zeit ihren Schutzengel bewusst wahrzunehmen.

EngelVoraussetzung dafür, dass man etwas wahrnehmen kann, ist, dass dieses Etwas existiert. Und dass es wahrnehmbar ist – direkt oder indirekt.

Herr Bürgermeister, was meinen Sie: Wieviel Zeit braucht man, um Engel bewusst wahrnzunehmen? Und woran kann man dann erkennen, dass es tatsächlich Engel sind, die man wahrnimmt?

Braucht man statt Zeit nicht vielmehr zum Beispiel halluzinogene Drogen, Alkohol oder einfach direkt elektrische Impulse in bestimmten Hirnregionen, um Phantasiewesen bewusst wahrzunehmen?

Warum fordert ein Bürgermeister Menschen dazu auf, sich in religiöse Scheinwelten zu flüchten, statt klar und selbstverantwortlich zu denken?

Viel mehr Fragen als Antworten

Woran kann man erkennen, dass Engel nichts weiter als erfundene Hirngespinste aus längst vergangenen Zeiten sind? Illusionen, die nach heutigem Erkenntnisstand als Beleidigung menschlicher Vernunft und menschlichen Verstandes bezeichnen müsste? Wie kann man Engel von Wahnvorstellungen unterscheiden?

Und die wohl spannendste Frage: Was haben Menschen, die mit Religion ihr Geld verdienen davon, wenn sie Menschen derart in die Irre führen, dass diese womöglich tatsächlich darauf vertrauen, ein Engel würde sie beschützen?

Ganz einfach: Der behauptete, übergeordnete Gott gewinnt jedesmal dann an Macht, wenn Menschen etwas, das sie positiv wahrnehmen, diesem Gott zuschreiben. Oder seinen Erfüllungsgehilfen. Das funktioniert(e) so gut, dass kein Gott jemals auch nur einen Finger krumm machen musste. Oder was auch immer.

Die „stade Zeit“ sinnvoll nutzen

„Das passt sehr gut in die nun kommende stade Zeit, die so hektisch und närrisch ist, wie sonst kaum eine Zeit.“

Genau richtig:

  • Nutzen Sie die stade Zeit, um sich von närrischen Engelsvorstellungen zu befreien.
  • Werden Sie sich Ihrer Vernunft, Ihres Verstandes, Ihrer Grenzen und Ihrer Fähigkeiten bewusst.
  • Werden Sie sich der unvorstellbaren Unwahrscheinlichkeit und Einmaligkeit Ihrer Existenz bewusst.
  • Hinterfragen Sie alles, wozu Sie aufgefordert werden, daran zu glauben.
  • Erweitern Sie Ihren Horizont mit der Lektüre interessanter Bücher.
  • Nutzen Sie unsere Webseite wenigerglauben.de, um Ihre Glaubensgewissheiten zu hinterfragen.

Viel Erfolg!

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