Gewalt und Glaube: Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 4 Min.

Im Wort zum Sonntag von Dr. Wolfgang Beck (veröffentlicht von ARD/daserste.de) geht es diesmal um das Thema Gewalt und Glaube.

Es könnte so schön sein: Der Löwe und das Lamm liegen nebeneinander. Das Kind spielt in der Nähe der Schlange und alle, die sich sonst das Leben schwermachen, vertragen sich.

Der Prophet Jesaja verrät auch, was erst geschehen muss, damit dieser irreale Universalfrieden eintritt. Nämlich ein hartes Durchgreifen Gottes:

  • Er richtet nicht nach dem Augenschein und nicht nur nach dem Hörensagen entscheidet er, sondern er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist. Er schlägt den Gewalttätigen mit dem Stock seines Wortes und tötet den Schuldigen mit dem Hauch seines Mundes. (Jes 11, 3-4 EU)

Gott scheint demzufolge ein eigenes Rechtssystem zu haben, nach dem er richtet. Wann jemand schuldig ist und deshalb von ihm getötet werden wird, kann man nur mutmaßen.

Die größte (und eigentlich auch einzig wirklich relevante) Schuld, die ein Mensch auf sich laden kann, ist nach biblischer Aussage die, sich nicht diesem Gott zu unterwerfen. Und deshalb beginnen auch die 10 Gebote mit diesem unbedingten Exklusivanspruch Gottes als einziger Gott. Auch die biblische Gesamtaussage droht ewige Bestrafung denen an, die nicht an Gott glauben.

Wie gehts nach dem Tierfrieden weiter? Mit religiöser Gewalt.

Interessant ist auch die weitere Geschichte, die Jesaja nach seinem irrealen Ausflug in die Tierwelt schildert:

  • Dann hört der Neid Efraims auf, die Feinde Judas werden vernichtet. Efraim ist nicht mehr eifersüchtig auf Juda und Juda ist nicht mehr Efraims Feind. Sie stoßen nach Westen vor wie im Flug, den Philistern in die Flanke; vereint plündern sie die Völker des Ostens aus. Sie ergreifen Besitz von Edom und Moab, die Ammoniter müssen ihnen gehorchen. Der Herr trocknet die Bucht des ägyptischen Meeres aus; er schwingt in glühendem Zorn seine Faust gegen den Eufrat und zerschlägt ihn in sieben einzelne Bäche, sodass man in Sandalen hindurchgehen kann. (Jes 11, 13-16 EU)

Da erscheint das gerade noch geschilderte Naturidyll doch gleich wieder ganz anders. Denn da wird munter weiter unterworfen und mit glühendem Zorn zugeschlagen, wo gerade noch Lamm und Wolf so friedlich gekuschelt hatten. Der geneigte Leser mag sich selbst überlegen, was von einem solchen Frieden zu halten ist.

Selbst nach dem göttlich veranlassten Tierfrieden geht es also mit unverminderter Gewalt weiter. Und zwar menschlicher wie göttlicher Gewalt. Und natürlich ist diese Gewalt jetzt legitim. Weil die Zugehörigen ja die ¨Guten¨ und die anderen die ¨Bösen¨ sind.

Mehr kann man von Texten, deren Ursprünge bis in die Bronzezeit zurückreichen, freilich nicht erwarten. Es geht hier also gar nicht um einen universellen Weltfrieden, sondern um die Legitimierung von Gewalt. Und zwar von religiöser Gewalt.

Die Kriminalgeschichte des Christentums

Ja, die Geschichte des Christentums hat auch viele dunkle Kapitel. Das muss immer wieder klar benannt werden, ohne den Fingerzeig auf andere Religionen oder atheistische Ideologien.

Wobei nicht zu vergessen ist, dass Religionen im vermeintlichen Namen und Auftrag ihres jeweiligen Gottes dunkle Kapitel geschrieben haben und schreiben, während Atheismus meist nicht der ursächliche Grund von zerstörerischen anderen Ideologien war. Denn auch bei einer wie der hier gewählten Formulierung könnte dieser Eindruck entstehen. Politische Ideologien unterscheiden sich von religiösen Ideologien praktisch nur durch verschiedene übergeordnete Anführer oder Machthaber.

Wenn christlicher Glaube selbstkritisch bleibt, dann bringt er, davon bin ich überzeugt, Menschen nicht gegeneinander auf, sondern führt sie zusammen.

Selbstkritik und Glaube passen nur schwer zusammen. Denn wer Glaube kritisch hinterfragt, wird jeden religiösen Glauben als Aberglaube entlarven. Bis zum Beweis des Gegenteils existieren nun mal keine Götter, Geister und Gottessöhne, außer in der Phantasie von Menschen.

Die Überzeugung von Herrn Dr. Beck kann ich nicht teilen. Denn das, was in der Bibel als verbindend dargestellt wird, bezieht sich ausdrücklich nur auf die Zugehörigen. Also auf die, die sich ebenfalls Jahwe unterwerfen. Wer dazu nicht bereit ist (zum Beispiel, weil er andere oder keine Götter verehrt), zählt zu den Bösen und wird bestraft werden. Wohl keine andere Aussage ist in der Bibel so unzweifelhaft und eindeutig formuliert wie diese.

Ingroup – Outgroup

Damit ist die christliche Lehre ein Konstrukt, das Menschen in Gut und Böse spaltet:  Die Gläubigen sind die Guten und werden belohnt werden, alle anderen sind die Bösen (weil sie diesen Gott nicht anerkennen) und werden deshalb bestraft werden. In der Soziologie spricht man von Ingroup und Outgroup.

Dass schon unterschiedliche Konfessionen innerhalb einer Religion genug trennendes Potential haben, zeigt ein Blick in die Geschichte – vom 30jährigen Krieg bis zu den Konflikten in Irland, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Natürlich ist es Herrn Dr. Beck anzurechnen, dass er das Thema Gewalt und Glaube überhaupt thematisiert und dabei nicht verschweigt, dass das Christentum auf eine unvorstellbare Kriminalgeschichte zurückschaut.

Klerikales Machtmonopol oder Friedensbewegung?

Dass der christliche Glaube heute von vielen Menschen als etwas im Grunde zumindest nicht Negatives wahrgenommen wird, hängt in erster Linie damit zusammen, dass der Kirche im Zuge der Aufklärung und Säkularisierung die Macht entzogen worden war, mit der sie über 1000 Jahre lang demonstriert hat, wozu sich das angebliche Wort Gottes problemlos instrumentalisieren lässt: Zu Verfolgung, Unterdrückung, Frauen- und Fremdenfeindlichkeit, kurz: Zu Gewalt aller Art.

Herrschte man einst über bzw. an der Seite von weltlichen Herrschern, wurde die Kirche nach und nach entmachtet und zurückgedrängt. Aus einer solchen Position heraus droht es sich schlecht mit Höllenfeuer. So war es, wollte man nicht alles verlieren, erforderlich, sich den durch die in der Folge der Aufklärung geschaffenen (bzw. wiederentdeckten) Werten anzupassen. Statt Un- und Andersgläubige mit dem Schwert oder in Form einer Lebend-Feuerbestattung zum rechten Glauben zu bringen, musste man sich wohl oder übel mit den ethischen Standards arrangieren.

Zeus, Anubis, Thor und tausende weitere Götter: Beste Gesellschaft für Jahwe

Da diese aber nicht auf erfundenen Provinzwüstengöttern, sondern auf der Freiheit und Würde des Individuums beruhen, gelingt es den Theologen heute immer weniger, irgendwo noch ihren Gott unterzubringen. Weder als Schöpfer, noch als Richter oder Lenker des irdischen Geschehens wird er noch gebraucht. Wer auch nur halbwegs ehrlich zu sich ist, fällt auf jenseitige Heilsversprechen genauso wenig herein wie auf eine Androhung von Bestrafung in Form von Höllenqualen.

Ausgerechnet eine monotheistische Religion wie das Christentum, dessen archaische Moralismen meilenweit von unseren modernen ethischen Standards entfernt sind, ist denkbar ungeeignet, hierzu etwas beizutragen. Von denjenigen, die durch massive Weglassung und Uminterpretierung ein humanistisches Weltbild aus ihrem Glauben destillieren, ist freilich kaum eine Gefahr zu befürchten. Doch solange diese ¨Light-Christen¨ noch dafür sorgen, dass etwa die Bibel als ¨Wort Gottes¨ und damit als übergeordnete Wahrheit behauptet werden kann, können sich auch Fundamentalisten und Extremisten auf genau dieses angebliche ¨Wort Gottes¨ berufen.

Und damit besteht die Gefahr, dass aus dem harmlosen, allgütigen lieben Gott wieder der Rache- und Kriegsgott Jahwe wird, der um Unterstützung im Kampf gegen den Unglauben angefleht wird. Das ist es, was Religionen so saugefährlich (Zitat Pfarrer Meurer) macht. Die brauchen dann einfach bei Jesaja ein paar Zeilen weiter zu lesen…

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Artikel.
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