Niemals vergessen – Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 3 Min.

Niemals vergessen – Wort zum Wort zum Sonntag, gesprochen von Annette Behnken (ev.), veröffentlicht am 28.1.2017 von ARD/daserste.de

Und Vergessen macht doch nichts ungeschehen. Unsere Erinnerung ist Kampf gegen die Gleichgültigkeit. Sie ist politischer Kompass, der uns hilft, auf der richtigen Seite zu bleiben.*

Zu jeder Zeit waren Menschen stets davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu sein. Und zwar egal, auf welcher Seite sie waren. Deshalb ist es von größter Bedeutung, nach welchen Kriterien definiert wird, welche denn die richtige Seite ist. Das scheint nämlich keineswegs immer so klar zu sein, wie man bei einem Blick in die Geschichte und erschreckend aktuell auch heute wieder feststellen muss.

Die Erinnerung hat unser Land gerechter gemacht, menschenfreundlicher und lebenswerter. Weil wir uns erinnern, werden in unserem Land Behinderte nicht mehr umgebracht – wie damals, Menschen nicht wegen ihrer Religion oder politischen Meinung verfolgt.

Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit – alles Errungenschaften, die von Aufklärung und Säkularisierung gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen mühsam erkämpft werden mussten. Bitte niemals vergessen, wo die Werte tatsächlich herkommen, die man sich heute so gerne auf die Fahne schreibt.

Niemals vergessen – und beim Erinnern nichts vergessen

niemals vergessenWichtig beim Erinnern ist, dass man dabei nichts vergisst, verklärt oder weglässt. Zum Beispiel darf man nicht die höchst fragwürdige Rolle der christlichen Kirchen während der Nazidiktatur vergessen.

Und nicht vergessen sollte man auch, dass die Kirche in dem Zeitraum, in dem sie noch die Macht dazu hatte, Menschen selbst wegen ihrer (abweichenden) Religion oder politischen Meinung verfolgt und in unbekannt hoher Zahl ermordet hat.

Das alles im angeblichen und vermeintlichen Namen und Auftrag desselben Gottes, den die Christen heute noch für wahr halten und verehren.

Politische und Religiöse Ideologien unterscheiden sich hauptsächlich durch verschiedene Machthaber. Abgesehen davon lassen sich auffällig viele Parallelen und Übereinstimmungen feststellen. Und schon immer verstand es gerade das Christentum, sich zu seinem Vorteil an die gerade herrschende politische Macht anzupassen. Bis heute. Und trotz Säkularisierung.

Ergänzen sich bestens: Religiöse und politische Ideologie

Dank seiner Ansichten und Aussagen eignete sich zum Beispiel auch ein Martin Luther als Idol** für Adolf Hitler.

Die katholische Kirche forderte ihre Anhänger mit Plakaten dazu auf, bei der Volksabstimmung zum Konkordat mit Ja und bei der Reichstagswahl für Hitler zu stimmen. Und nannte auch gleich 8 Gründe, warum der Katholik das tun müsse (und nicht nur etwa solle). Der wichtigste Grund: Damit die Religion geschützt ist:

„Warum muß der Katholik die Reichstagsliste Adolf Hitlers wählen? Weil im nationalsozialistischen Staat an sich und durch das Reichskonkordat

  1. die Religion geschützt ist,
  2. der kirchliche Frieden gesichert ist,
  3. die öffentliche Sittlichkeit gewahrt bleibt,
  4. der Sonntag geheiligt wird,
  5. die Bekenntnisschule erhalten ist,
  6. das katholische Gewissen nicht mehr belastet ist,
  7. der Katholik vor dem Gesetz und im Staatsleben gleichberechtigt ist,
  8. die katholischen Vereine u. Verbände, soweit sie ausschließl. religiösen, charitativen und kulturellen Zwecken dienen, frei arbeiten können.

Deshalb muß der Katholik am 12. Nov. so wählen: Volksabstimmung: Ja – Reichstagswahl: Adolf Hitler”
(Quelle: concordatwatch.eu, abgerufen am 28.1.2017)

Es ist noch keine 100 Jahre her, da segneten christlicher Kirchendiener die Kampfflieger. Und einer behauptete gar, dass auch Atombomben in den Dienst der Nächstenliebe treten könnten (inzwischen fordern Kirchenvertreter zumeist die Abschaffung von Atombomben).

Der amerikanische Präsident mit Macht über tausende Atomwaffen bezeichnet sich selbst als den „besten Präsidenten, den Gott je erschaffen hat.“ Eben jener Präsident betonte kürzlich anlässlich seiner Amtseinführung, dass Gottes Schutz für Amerika das Wichtigste sei.

Christentum: Äußerst kompatibel

Diese wenigen Beispiele lassen sich praktisch beliebig vermehren. Sowohl in der Gegenwart, als auch in der gesamten Kriminalgeschichte des Christentums. Genauso, wie man niemals vergessen darf, dass es auch kirchlichen Widerstand gegen das Dritte Reich gab, darf man auch niemals vergessen, dass in diesem Zusammenhang sowohl die evangelische, als auch die katholische Kirche eine alles andere als rühmliche Rolle spielte.

Ganz offenbar waren der Angst vor klerikalem Machtverlust oder umgekehrt die Aussicht auf Machtgewinn weit wichtiger als die Verteidigung der Werte, für die man von kirchlicher Seite heute einzutreten behauptet.

Und abgesehen von dem (Fehl-)verhalten der diversen Kirchendiener bleibt festzuhalten, dass auch das Christentum für praktisch alles Beliebige instrumentalisiert werden kann. Das ist es, was Religionen so saugefährlich (Zitat: Pfarrer Meurer) macht.

Verstehen und kapieren

Wenn ich mich umsehe in der Welt, in diesen Tagen, dann denke ich, wir haben noch lange nicht genug erinnert. Verstanden. Kapiert.

Dem stimme ich zu. Zum Verstehen gehört, dass man sich der irdischen Wirklichkeit stellt. Statt immernoch archaische Geschichten von Göttern, Geistern und Gottessöhnen für wahr zu halten.

Und dass man kapiert, dass eine moderne Ethik für die Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert nicht mehr auf frag- und kritikwürdigen Moralismen aus der Bronzezeit und aus dem Vormittelalter basieren kann. Auf einer religiösen Scheinwirklichkeit. Mit einem fiktiven Gott an oberster Stelle.

Denn eins darf man ebenfalls niemals vergessen: Freie Gesellschaften wachsen nicht auf Bäumen!**

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und erlinkten Artikel.
**Wir haben keinen materiellen Nutzen von verlinkten oder eingebetteten Inhalte oder von Buchtipps.
***Quelle: concordatwatch.eu, abgerufen am 28.1.2017

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