Bibelauslegung 2017

Lesezeit: ~ 3 Min.

BIBELAUSLEGUNG ist der Versuch, die  jeweils gültigen ethischen Standards in eine Geschichtensammlung aus der Bronzezeit und aus dem Vormittelalter hineinzuinterpretieren.
– #wenigerglauben

Bibelauslegung

Viele gläubige Christen halten die Bibel für eine wertvolle Quelle ethischer Verhaltensregeln.

Abgesehen vielleicht von Hardcore-Fundamentalisten vertreten die meisten kirchlichen Verkünder heute überwiegend die ethischen Standards, die auch von der Allgemeinheit als gültig anerkannt sind.

Es bleibt ihnen ja auch gar nichts anderes übrig. Denn wer sich nicht selbst ins gesellschaftliche Abseits schießen möchte, der tut gut daran, zum Beispiel auf die Verbreitung von kruden, inhumanen göttlichen Strafandrohungen zu verzichten.

Die sich freilich genauso oft in der Bibel finden lassen wie Heilsversprechen. Auf die allerdings auch nur die hoffen dürfen, die bereit sind,  sich dem Wetter-Berge-Wüsten-Kriegs-Lieber-Gott Jahwe zu unterwerfen.

Was nicht heißt, dass es nicht auch solche gibt, die immer wieder die biblische Gut-Böse-Einteilung verkünden. Wie zum Beispiel der Fuldaer Bischof Algermissen.

Bibelauslegung 2017

Wer jedoch noch halbwegs ernst genommen werden möchte, der wendet meist eine andere Strategie an. Und beschränkt sich auf die Bibelstellen, die sich noch halbwegs mit modernen ethischen Standards in Einklang bringen lassen.

Das funktioniert vermutlich deshalb so gut, weil sich beim großen Teil der Light-Christen kaum noch jemand für die Bibel interessiert. Und deshalb ist man gerne bereit, die von religiösen Angestellten sehr einseitig dargestellte biblische Aussage für authentisch zu halten.

Dass diese dazu unzählige Bibelverse komplett weglassen, ganz nach Belieben für ungültig erklären oder bis ins Gegenteil uminterpretieren müssen, stört offenbar niemand.

Und dass man praktisch alles Beliebige mit der Bibel rechtfertigen kann, zeigt ein Blick in die Kriminalgeschichte des Christentums. Genauso, wie Christen heute ethisch angemessenes Verhalten mit der Bibel begründen, konnten ihre Glaubensbrüder (sehr viel seltener: Schwestern) früher Verfolgung, Unterdrückung und millionenfache Morde biblisch „legitimieren.“

Dem Herrn, in dessen Namen dies alles geschah und geschieht, scheint es indes völlig einerlei zu sein, ob sein sich auserwählt fühlendes Volk in seinem vermeintlichen Auftrag mordet oder liebt.

Bibelauslegung 2017

Woher wissen die Theologen und Verkünder nun aber, wie die schillernde Vielfalt biblischer Behauptungen richtig zu deuten ist? Indem sie moderne ethische Standards in eine Gesellschaftsordnung hineininterpretieren, die von und für Menschen aus der Bronzezeit und aus dem Vormittelalter verfasst worden war.

Damit erwecken sie den Anschein, unsere heutigen Gesellschafts- und Verhaltenskonventionen würden auf der biblischen Gesamtaussage basieren. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen: Das ist nicht der Fall. Moderne ethische Standards offener und freier Gesellschaften orientieren sich an der Freiheit und Würde des Individuums. Und nicht am angeblichen Willen eines erfundenen Gottes.

Sicher finden sich auch in der Bibel einige Sätze oder Teilsätze, die man so interpretieren kann, dass man halbwegs akzeptable Ergebnisse erhält.

  • Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet;

soweit – sogut. Diesen Aspekt stellen religiöse Verkünder in ihren Verkündigungen zur Bibelauslegung

meist in den Vordergrund. Eine hoffnungsvolle Illusion. Die für naive oder leichtgläubige Menschen vielleicht tatsächlich irgendwie tröstlich wirken könnte. Der zweite Satzteil dieser Bibelstelle lautet jedoch:

  • wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. (Mk 16,16 EU)

Out: Verdammung

Verdammung lässt sich heute nur noch schwer verkaufen. Die Menschheit hat sich in den letzten 2000 Jahren weiterentwickelt. Und zwar viel weiter, als es sich die unbekannten Autoren der biblischen Mythen und Legenden je hätten vorstellen können.

Aufklärung und Säkularisierung hatten der Kirche einen Großteil ihrer Macht entzogen. In einer offenen, freien Gesellschaft ist Glaube Privatsache. Un- und Andersglaube ist heute kein Grund mehr, Menschen mit Verdammnis zu bedrohen.

Jetzt kann man natürlich nicht einfach hergehen und das angeblich von Gott höchstselbst geoffenbarte (wahlweise: inspirierte) Wort dem heutigen sozio-kulturellen Entwicklungsstand der Menschheit updaten. Laut katholischem Dogma gilt die Bibel vollumfänglich als Gottes Wort.

Der letzte Versuch, wenigstens die schlimmsten Absurditäten des Alten Testaments zu bewältigen, bestand darin, dass man das Alte als durch das Neue Testament aufgehoben erklärte. Allerdings musste man dabei viele Stellen von der Aufhebung aussparen. Schließlich ist das Neue Testament so verfasst, dass es den Anschein erweckt, die Erfüllung von alttestamentarischen Prophezeiungen zu enthalten.

Cui bono?

Welchen Sinn hat eine Bibelauslegung, wenn das Ergebnis sowieso einzig von den Maßstäben des Lesers abhängt? Die dieser ja irgendwo her haben muss? Aus der Bibel kann er sie nicht haben. Weil die Bibel nun mal keine einheitliche Gesamtaussage liefert, die sich noch als Grundlage für eine moderne Ethik der Menschen im 21. Jahrhundert eignen würde.

Wieso verwenden manche Menschen heute noch so viel Zeit und Energie darauf, archaische Bibeltexte aus längst vergangenen Zeiten so umzudeuten und zu selektieren, dass sie mit den heutigen Werten in Einklang zu stehen scheinen? Ganz einfach: Damit versuchen sie, ihrer Lehre Relevanz zu verschaffen. Eine Bedeutung. Oder zumindest eine Daseinsberechtigung.

Denn auch Jahwe wird früher oder später dasselbe Schicksal ereilen wie alle andern Götter auch: Er wird samt Sohn, Geist, Mutter und den himmlischen Heeresscharen in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Wie schon tausende andere Götter vor ihm auch.

Und die Menschheit wird sich auch weiterhin selbst um die Grundlagen für eine freie, offene Gesellschaft bemühen müssen.

Christen sind Atheisten, was 2999 Götter angeht. Atheisten sind nur schon einen Gott weiter.

*Meme: #wenigerglauben

 

 

 

 

 

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