Kirche – quo vadis? …. Gedanken zu Nachgedacht (258), Originalbeitrag verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 4.2.2018 von Osthessennews
Nachdem Frau Lander in ihrer sonntäglichen Nachgedacht-Kolumne wiedermal ein interessantes religiöses Thema aufgegriffen hat, hier einige Gedanken aus säkularer Sicht dazu:
[…] Religionskriege, Streitigkeiten und auch Weltkriege hat die Kirche überstanden. Ein Lichtblick in der Geschichte: Mitte des 20. Jahrhunderts verhieß das Zweite Vatikanum Reformen und Neuerungen.*
Das nenne ich mal eine interessante Zusammenfassung der Kirchengeschichte. Aus meiner Sicht sieht die eher so aus:
Kirche – quo vadis? – Was bisher geschah…
Nachdem die Kirche römische Staatsreligion geworden und dadurch an die Macht gekommen war, schrieb sie eine beispiellose Kriminalgeschichte, die 10 Bände füllt.
Religionskriege hat sie nicht überstanden, sondern angezettelt. Dabei hat sie es stets verstanden, sich mit allen beliebigen weltlichen Machthabern zu verbünden, wenn sie nur einen eigenen Vorteil (vulgo Macht und Geld) witterte. Gerade die Allianz zwischen den christlichen Kirchen und dem Naziregime ist sehr umfassend dokumentiert.
Nebenbei hatte der christliche Klerus während der knapp 1000 Jahre, in denen er die Macht dazu hatte, humanistische Werte unterdrückt sowie Fortschritt und gesellschaftliche Weiterentwicklung mit allen Mitteln verhindert.
Ein Lichtblick in der Geschichte: Die Beendigung des „finsteren Mittelalters“ durch Renaissance und in der Folge eine weitgehende Entmachtung der Kirche durch Aufklärung und Säkularisierung:
Kirche – quo vadis? – Neuerungen durch das II. Vatikanische Konzil
Seitdem ist aber wenig Vergleichbares passiert, was die Kirche womöglich in neue Bahnen lenken könnte.
Was die Autorin als „Lichtblick“ rühmt, ist aus heutiger Sicht keineswegs so fortschrittlich und revolutionär, wie man vielleicht meinen könnte. Beispiel: Die einzig wahre Religion sei selbstverständlich in der katholischen Kirche verwirklicht und müsse unter allen Menschen verbreitet werden:
- II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, 1965, 1.:
„(…) Fürs erste bekennt die Heilige Synode: Gott selbst hat dem Menschengeschlecht Kenntnis gegeben von dem Weg, auf dem die Menschen, ihm dienend, in Christus erlöst und selig werden können. Diese einzige wahre Religion, so glauben wir, ist verwirklicht in der katholischen, apostolischen Kirche, die von Jesus dem Herrn den Auftrag erhalten hat, sie unter allen Menschen zu verbreiten. (…)“ (23) (Quelle: hpd.de)
Gedanken- und Religionsfreiheit gehörte jedenfalls schon mal nicht zu den Neuerungen. Noch ein Beispiel für die großen Errungenschaften des 2. Vatikanischen Konzils?
- II.Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution „Gaudium et spes“, 1965, 18:
„(…) Der Keim der Ewigkeit im Menschen lässt sich nicht auf die bloße Materie zurückführen und wehrt sich gegen den Tod. Alle Maßnahmen der Technik, so nützlich sie sind, können aber die Angst des Menschen nicht beschwichtigen. Die Verlängerung der biologischen Lebensdauer kann jenem Verlangen nach einem weiteren Leben nicht genügen, das unüberwindlich in seinem Herzen lebt. Während vor dem Tod alle Träume nichtig werden, bekennt die Kirche, belehrt von der Offenbarung Gottes, dass der Mensch von Gott zu einem seligen Ziel jenseits des irdischen Elends geschaffen ist. Außerdem lehrt der christliche Glaube, dass der leibliche Tod, dem der Mensch, hätte er nicht gesündigt, entzogen gewesen wäre, besiegt wird, wenn dem Menschen sein Heil, das durch seine Schuld verlorenging, vom allmächtigen und barmherzigen Erlöser wiedergeschenkt wird. Gott rief und ruft nämlich den Menschen, dass er ihm in der ewigen Gemeinschaft unzerstörbaren göttlichen Lebens mit seinem ganzen Wesen anhange.“ (Quelle: ebenda)
Solche Zeilen lesen sich, als würden sie aus dem Mittelalter stammen und nicht aus den 1970er Jahren.
Kirche – quo vadis? – Ist die Kirche noch zu retten?
Brauchen wir ein drittes Vatikanum oder was kann unsere Kirche angesichts schwindender Priesterzahlen, großer Gemeindezusammenlegungen und fehlender Gottesdienstbesucher retten?
Wirtschaftlich gesehen ist die katholische Kirche nicht in der Verlegenheit, sich retten zu müssen. Sie muss nur darauf achten, dass sie nicht ihrer milliardenschweren staatlichen Subventionierung und umfangreichen Sonderprivilegierung verlustig wird. Zu diesem Zweck betreibt sie ein beispielloses und augenscheinlich höchst erfolgreiches Lobby-Netzwerk. Das sind die Strukturen, auf die es ankommt. Und nicht das Endkundengeschäft.
Der katholische Milliardenkonzern, der fast alle DAX-Unternehmen problemlos in die Tasche steckt, profitiert so gut am Wirtschaftswachstum, dass fehlende Gottesdienstbesucher praktisch nicht weiter ins Gewicht fallen. Im Gegenteil: Solange die Geldquellen sowieso kräftig sprudeln, lassen sich durch eine Dezimierung der Herde nochmal ordentlich Kosten einsparen.
Inhaltlich gesehen sieht die Lage anders aus. Warum die katholische Kirche klugerweise keine grundlegenden Reformen durchführen sollte, hatte der Philosoph Richard David Precht in diesem Beitrag während einer Maybrit-Illner-Sendung erklärt. Kurz sinngemäß zusammengefasst:
Die Katholiken in Deutschland machen nur 2% der Katholiken weltweit aus. Das „Erfolgsgeheimnis“ der katholischen Kirche ist der von ihr vertretene Standpunkt. Dieser macht sie unterscheidbar von anderen Ideologien.
Wenn jetzt in Deutschland immer mehr Menschen erkennen, dass dieser Standpunkt immer weniger ihren eigenen Überzeugungen entspricht, wird der Ruf nach strukturellen und inhaltlichen Veränderungen immer lauter.
Allerdings würde die katholische Kirche dasselbe Schicksal ereilen, das der protestantischen Kirche schon das sprichwörtliche Genick gebrochen hat. Denn in der Folge von grundlegenden Reformen war die protestantische Kirche nicht mehr unterscheidbar und damit beliebig geworden.
So ist es mit rein ökonomischen Gründen erklärbar, warum die katholische Kirche an ihren weltfremden und längst überholten, aber eben unverwechselbaren Dogmen und Grundsätzen genauso stur festhält wie an ihrer undemokratischen Wahlmonarchie mit ihrer patriarchaischen Struktur. Dass sie von einem Teil der 2% deutschen Katholiken dafür kritisiert wird kann sie problemlos verkraften, solange sie in anderen Ländern genau deswegen gefeiert und anerkannt wird.
Kirche – quo vadis? – In die Bedeutungslosigkeit
[…] Mittlerweile kenne ich mehrere Priester, die wegen ihrer Arbeitsbelastung krank geworden sind.
In der regulären Arbeitswelt hätten die Priester (und alle anderen Kirchenangestellten auch) weitaus bessere Möglichkeiten, gegen Missstände vorzugehen. Möglichkeiten, die die katholische Kirche mit ihrem eigenen bizarren Parallel-Arbeitsrecht unterbindet. Ein Skandal und eine Schande für einen Säkularstaat im 21. Jahrhundert.
Umgekehrt gibt es natürlich auch in anderen Berufen Menschen, die wegen ihrer Arbeitsbelastung krank werden.
Wo soll das alles hingehen? Was soll nur passieren, damit die Kirche auch noch die nächsten Jahre die Botschaft Jesu erhalten kann?
Je mehr Menschen erkennen, dass die Botschaft Jesu für moderne ethische Standards und auch für ihre Lebenswirklichkeit keine Rolle mehr spielt, wird diese Botschaft auch weiterhin an Bedeutung verlieren.
Das über Jahrhunderte bestens bewährte und äußerst lukrative christliche Belohnungs-Bestrafungskonzept hat – zumindest in aufgeklärten Gesellschaften – ausgedient.
Wohl niemand klaren Verstandes fürchtet sich heute noch vor einer Hölle oder hofft ernsthaft auf eine ewige göttliche Belohnung für das Verehren eines bestimmten Wüstengottes.
Eines Gottes, von dessen Tempel und Kirchen dereinst genauso nur noch Ruinen übrigbleiben werden wie von den Göttern, die sich Menschen früherer Kulturen ausgedacht hatten.
Kirche – quo vadis? – In der Oberpfalz gegen Null…
Wie die ungeschönte Realität in Bayern aussieht, zeigte gerade wieder aktuell eine repräsentative Umfrage des Radiosenders ANTENNE BAYERN.
- Für die exklusive ANTENNE BAYERN Studie wurden bei einer Online-Umfrage repräsentativ für die bayerische Bevölkerung insgesamt 2011 Personen befragt. Die Testpersonen sind im Alter zwischen 20 und 49 Jahren. (Quelle: antenne.de)
Die Frage: Gehst du jeden Sonntag in die Kirche? beantworteten 95% der Befragten mit „Nein.“ In der Oberpfalz waren es sogar 99% der Befragten, die nicht mehr jeden Sonntag in die Kirche gehen. (Quelle: antenne.de)
Diese Zahlen geben eine recht eindeutige Antwort auf die Frage Kirche – quo vadis?
Könnten folgende Fragen Antworten liefern?
Nein, Antworten können Antworten liefern.
[…] Sollte die Kirche nicht grundlegend umdenken?
Wie oben schon angedeutet: Nein. Die katholische Kirche kann es sich nicht leisten, grundlegend umzudenken.
Kirche – quo vadis? Scheiden tut weh…
[…] Die Kirche ist mein Zuhause, der Ort, an dem ich glauben und hoffen darf und in dem ich den Sinn meines Lebens gefunden habe. Es tut weh, dass sie zu schwinden scheint und ein Nachwuchsproblem hat.
Sie scheint nicht nur zu schwinden, sie schwindet tatsächlich. Ich kann nachvollziehen, dass die Autorin Angst vor dem Verlust von etwas hat, das für ihr bisheriges Leben offenbar von großer Bedeutung war.
Sich selbst einzugestehen, dass die vermutlich vom Kleinkindalter an eingetrichterten Glaubenswahrheiten in Wirklichkeit nichts weiter als menschliche Fiktionen sind, kann ein schmerzhafter Prozess sein. Wie jede Enttäuschung. Trotzdem hat jede Ent-Täuschung zur Folge, dass man nicht länger getäuscht ist.
Wer gar seinen Lebenssinn aus der Religion bezieht, für den kann die Befreiung vom Glauben schon erstmal eine existentielle (Sinn-)Krise bedeuten.
Aber wenn jemand wie zum Beispiel Frau Lander gar kein Problem mit der Absurdität der von ihr geglaubten, gelehrten und verkündeten Lehre hat und sich in der Kirche so wohl fühlt: Wieso sollte er oder sie sich dann überhaupt vom Glauben befreien wollen?
Dafür gäbe es freilich viele gute Gründe, allen voran die eigene intellektuelle Redlichkeit und Vernunft. Ein wirklichkeitskompatibles Weltbild hat enorme Vorteile gegenüber einer religiös erweiterten Scheinwirklichkeit.
Trotzdem ist es natürlich jedermanns und -fraus Sache, was jemand für wahr hält, wen oder was jemand verehrt, wovor sich jemand fürchtet und worauf jemand hofft.
Seit der Aufklärung sind die Gedanken wieder frei (naja, abgesehen von der katholischen Kirche, die ihren Mitgliedern bis heute vorschreibt, was sie zu denken haben).
Ich hoffe wirklich, dass die Kirche neuen Antrieb und einen neuen Geist findet, der sie über die nächsten Zeiten trägt, in denen wir Gläubige bei ihr Rettung und Zuhause suchen und finden.
Vor wem oder was wollen Sie denn gerettet werden, Frau Lander? Vor dem Verschwinden Ihrer Religion in der Bedeutungslosigkeit? Oder vor dem „Bösen“, das Ihr Noch-Bischof immer wieder mit bedrohlichen Worten beschwört? Und: Haben Sie kein eigenes Zuhause?
Kirche – quo vadis? Vorschlag für die Zukunft der Kirchen in Deutschland
Kirche und Staat sind, wie in anderen Ländern auch, endlich ordentlich getrennt. Der Staat verhält sich verfassungsgemäß weltanschaulich neutral. Die milliardenschwere Subventionierung wird ebenso beendet wie die völlig unverhältnismäßige Sonderprivilegierung der Großkirchen, angefangen von der frühkindlichen Indoktrination über „Extras“ wie das eigene Arbeitsreicht oder die kirchliche Parallel-Justiz bis hin zur Einmischung in die Privatangelegenheiten aller Menschen.
Die Kirche vertrtitt ihre Interessen als Interessensgemeinschaft oder Verein und kümmert sich um ihre Finanzierung über Mitgliederbeiträge und Spenden selbst. Nachdem sie ihr über die Jahrhunderte zusammengeraubtes, eingezogenes, erbetteltes oder sonstwie angehäuftes Kapital für tatsächlich soziale, also nicht etwa für missionarische Zwecke liquidiert hat.
Nach dieser Umstrukturierung kann die katholische Kirche in Zukunft ein von mündigen Menschen frei wählbares, spirituell-traditionell-folkloristisch-mythologisches Angebot als Privatangelegenheit für Erwachsene mit entsprechender Neigung anbieten.
Die sich dann auch weiterhin sonntäglich treffen können, um von ihrem Zeremonienmeister in Menschenfleisch verzauberte Backoblaten und in Menschenblut verzauberten Wein zu sich zu nehmen, während sie ihren Gott mit gemeinsamen Gebeten und Gesängen verehren und auf dessen Wiederkunft (oder die seines Sohnes oder worauf auch immer) warten.
Dafür braucht es dann auch keine Theologie an Universitäten mehr. Microsoft™ liefert für Windows™ 3.11 ja auch keine Updates mehr aus.
Fazit
Solange Kinder vor solchen Veranstaltungen verschont, keine gleichberechtigten Interessen verletzt werden, Glaube als Privatangelegenheit behandelt und nicht gegen geltendes Recht und Gesetz verstoßen wird, können Menschen in offenen und freien Gesellschaften ihre Freizeit und ihre Wirklichkeit gestalten, wie es ihnen gefällt.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
**Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Urhebers
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