Vater unser: Glaubensfrage an Weihbischof Schwaderlapp – Gebete für ein geistliches Leben

Lesezeit: ~ 7 Min.

Vater unser: Glaubensfrage an Weihbischof Schwaderlapp – Gebete für ein geistliches Leben, Originalbeitrag verfasst von Dominikus Schwaderlapp, veröffentlicht am 09.02.2017 von domradio.de

Weihbischof Dr. Schwaderlapp beantwortet im Internet Glaubensfragen. Offenbar aber nicht alle. Sondern nur die, die ihm in den Kram passen. Wie zum Beispiel diese:

Welche Gebetsbücher bzw. Gebete würden Sie einem jungen Menschen auf dem Weg geben, wenn dieser ein geistliches Leben führen möchte? Und haben Sie Tipps für ein gutes geistliches Leben? (Takuro Johannes S.)*

Hier einige Gedanken zu den Antworten von Herrn Schwaderlapp:

Christentum ist erster Linie Beziehung zu Christus, Glaube an ihn, Vertrauen auf ihn und seine Botschaft.

Herr Schwaderlapp, warum sollte man das tun? Warum sollte man eine Beziehung zu einer literarischen Kunstfigur anstreben? Wenn es diesen Christus (und nicht nur das historisch möglicherweise belegbare Vorbild Jesus von Nazaret) wirklich geben sollte, warum muss man dann trotzdem an ihn glauben?

Ist nicht der Umstand, dass man an Christus nur glauben kann, ein deutliches Indiz dafür, dass es auch das zweite Drittel des behaupteten Gottes einfach nicht gibt? Und zwar deshalb, weil sich zwischen dem irdischen Geschehen und einer behaupteten überirdischen Macht nun mal redlicherweise und bis zum Beweis des Gegenteils kein Kausalzusammenhang herstellen lässt?

Dialog mit einem Phantom

Und wenn es um einen persönliche Beziehung geht, dann gehört dazu notwendigerweise der Dialog, das Gespräch. Wir können auch mit Menschen keine persönliche Beziehung eingehen, wenn wir nicht mit ihnen reden.

Mit dem nicht unbedeutenden Unterschied, dass Menschen auf eine Ansprache antworten können, wenn sie wollen. Götter antworten nicht. Und zwar auch dann nicht, wenn sich Gläubige dies ganz sehr wünschen. Oder irgendwelche Wahrnehmungen als göttliche Antwort interpretieren.

Dialog bedeutet, dass sich beide Seiten aktiv an einem Gespräch beteiligen. Was bei Gesprächen mit Göttern genauso wenig der Fall ist wie bei Gesprächen mit beliebigen anderen Phantasiewesen. Weil es bei Gebeten immer nur Sender, aber keinen antwortenden Empfänger gibt, sind Gespräche mit Gott immer nur Monologe. Und keine Dialoge.

Eine besondere Bedeutung hat das Vater unser, jenes Gebet, das Christus uns selbst gelehrt hat. Es sollte zum täglichen Gebetsrepertoire jedes Christen gehören. Es lohnt sich, dieses Gebet einmal sehr sorgfältig Wort für Wort zu betrachten und zu durchdenken.

Vater unser en detail

Na dann wollen wir mal:

  • Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name.

Das Gebet richtet sich also an einem im „Himmel“ ansässigen Vater, der unser Vater sein soll. Offenbar gehen Christen davon aus, dass ihr Gott nicht nur bei der Zeugung seines Sohnes Jesus (wahlweise seines zweiten Drittels) seine Finger im Spiel hatte. Sondern irgendwie der Vater von uns allen ist.

unsichtbarer Freund
„Ich bin hier, weil ich einen unsichtbaren Freund habe. Und du?“

Nach allgemeinem Verständnis bezeichnet man mit Vater seinen Erzeuger. Unklar ist, inwiefern dem hier angesprochenen Wesen eine Vaterrolle zukommen kann. Jedenfalls scheint dieser Vater Wert darauf zu legen, verehrt zu werden. Erstaunlich, dass ein angeblich allmächtiger Gott offenbar darauf besteht, von bestimmten Vertretern seiner Schöpfung überhaupt verehrt zu werden.

Eine Vaterfigur eignet sich natürlich gut für die Konstruktion einer Gottesvorstellung. Denn auch einem strengen Vater kann man unterstellen, dass er aus Liebe zu seinem Kind streng ist. So lässt sich auch Leid und Elend zum Liebesbeweis Gottes umbiegen: „Das muss alles so sein, das hat alles so seinen Sinn, auch wenn ich ihn nicht verstehe. Er wird es schon gut mit mir meinen…“  Dieses Urvertrauen in einen wohlwollenden Vater kann man sich so auch für die angebliche Beziehung von und zu Gott zunutze machen.

Göttlicher Machtanspruch

  • Dein Reich komme.

Dieses, oberflächlich betrachtet unscheinbare und harmlose Sätzchen formuliert einen Wunsch, in dessen Sinne unzählige Millionen von Menschen verfolgt, gequält und ermordet wurden. Von Gläubigen, die ihre Berufung darin sahen, tatkräftig dazu beizutragen, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht. Bevorzugt mit Feuer und Schwert.

Dass Gott ein „Reich“ haben soll, lässt vermuten, dass er nicht allmächtig ist. Denn sonst wäre sein Reich ja schon längst überall. Und müsste nicht erst noch kommen. Und wessen Reich ist denn dort, wo Gottes Reich noch nicht ist? Wer hat noch Platz neben einem allmächtigen Monogott?

  • Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.

Wessen Wille sollte denn sonst geschehen, wenn nicht der des allmächtigen, einzigen Gottes? Auch hier stellt sich wieder die Frage: Wer oder was kann denn einen allmächtigen Monogott daran hindern, seinen Willen durchzusetzen? Ohne den laut Bibel doch sowieso nichts geschieht?

Freilich beinhaltet dieser Wunsch auch eine elegante Option, jegliche Verantwortung auf den imaginären Übervater abzuschieben. Die Menschen, die sich dieses Gebet ausgedacht hatten, hatten offenbar noch die Vorstellung, das Universum sei in Himmel und Erde eingeteilt. Kein Wunder – diese Menschen wunderten sich jeden Abend, wohin die Sonne verschwindet…

Genug gelobt – jetzt wird gefordert!

Nachdem es bis hierher lediglich um die Belange des Götterwesens ging, sind nun seine Untertanen dran:

  • Unser tägliches Brot gib uns heute.

Hätten die Leute Ihr Brot heute nicht, dann wäre es kein tägliches Brot. Menschen, die diese Bitte äußern, scheinen einen schwach ausgeprägten Sinn für die Wirklichkeit zu haben. Denn Brot kommt aus dem Backofen. Und nicht von Göttern. Ob jemand genug zu Essen hat, hängt von verschiedenen Ursachen ab. Götter geben nichts. Auch kein Brot. Egal, ob man sie darum bittet oder nicht.

  • Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Interessant ist auch der Satz von der Schuldvergebung. Hier erheben sich die Gläubigen zum Vorbild ihres allmächtigen Gottes: „Schau her, wir vergeben einander, also vergib du uns auch.“

Nun ist es ja keineswegs so, dass gläubige Menschen generell ihren Schuldigern vergeben. Andererseits ist das Vergeben von Schuld auch keine christliche Erfindung.

Welchen Wert kann die eingebildete Vergebung einer Schuld durch ein imaginäres Götterwesen haben? Natürlich mag es dem Schuldigen (inwiefern und nach wessen Maßstäben überhaupt schuldig?) eine Erleichterung verschaffen. Wenn er sich einbildet, Gott persönlich habe ihm vergeben.

Noch keiner der vielen tausend Götter, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat, hat auch nur ein einziges Mal nachweisbar mitgeteilt, dass er tatsächlich irgendwem irgendeine Schuld vergeben hat. Eine solche Vergebung ist lediglich ein imaginierter, behaupteter Vorgang. Eine Vergebung von Gott ist nicht mehr wert als eine Vergebung von Tarzan. Oder Schneewittchen.

Wer oder was ist das Böse?

  • Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Und wieder stellt sich die Frage: Wer oder was soll denn das Böse sein? Von dem Menschen erlöst werden müssten? Diese dualistische Vorstellung von Gut und Böse passt nicht zu der Vorstellung eines allmächtigen, allgütigen und alleinigen Gottes.

Während die große Mehrheit der Hobby- und Gelegenheitschristen solche Widersprüche zumeist geflissentlich ignoriert, haben die Theologen einen bunten Blumenstrauß an rhetorischen Tricks auf Lager, mit denen sie dieses grundsätzliche Problem einer jeder gottbezogenen Religion zu bewältigen versuchen.

Meistens kommt dann ein so genannter „freier Wille“ ins Spiel, der es Menschen ermöglichen soll, sich gegen Gott zu entscheiden.

Wenn mit „das Böse“ die so genannte Erbsünde gemeint sein soll: Die hatte nach christlicher Auffassung Gott selbst seiner bevorzugten Spezies angedichtet. Wieso sollte er diese jetzt davon befreien, wenn er sie zuvor erst selbst damit ausgestattet hatte?

Eifersüchtiger Gott

  • Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Das sollte einem allmächtigen, alleinherrschenden Gott auch klar sein, ohne dass es ihm Vertreter einer bestimmten Trockennasenaffenart auf einem unbedeutenden Planeten ständig entgegenmurmeln. Welche Vorstellung müssen die Menschen, die sich diesen Gott bzw. dieses Gebet ausgedacht hatten, von ihrem Gott gehabt haben? Nun, Gott selbst bezeichnet sich ja zum Beispiel in den zehn Geboten als einen „eifersüchtigen Gott.“ Da kann es nicht schaden, seine Unterwürfigkeit als Anhänger dieses Gottes lieber einmal mehr als zu wenig zum Ausdruck zu bringen.

Und das eigene Ego profitiert schließlich auch davon, wenn man sich als Kind „unseres Vaters“ fühlt, eines Vaters, der gleichzeitig Inhaber des Reichs, der Krafft und der Herrlichkeit in Ewigkeit ist.

Das ist der gleiche Effekt wie wenn sich jemand damit brüstet, dass er mit einem Promi oder hochrangigen Politiker befreundet ist: Ein bisschen dieser „Macht“ färbt schließlich auch auf jede noch so gescheiterte Existenz ab. Wer sich einem Gott unterordnet und diesen erhöht, der erhöht sich damit auch selbst. Das hat zur Folge, dass sich Menschen als Angehörige eines „auserwählten Volkes“ fühlen. Mit jedem Vater unser ein bisschen.

Unterwürfigkeit und naive Hoffnung

Mein Fazit: Im „Vater unser“ kommt einerseits eine Unterwürfigkeit bis hin zur Selbstaufgabe und andererseits die naive Hoffnung auf das Wohlwollen einer überirdischen Vaterfigur zum Ausdruck. Ein Gott, der solche Unterwerfungsgesten von seinen Anhängern verlangt, scheint sich seiner Macht alles andere als sicher zu sein.

Einem allmächtigen Gott könnte es völlig einerlei sein, ob jemand seine Macht anerkennt oder nicht. Das Gebet spiegelt einfach nur die Hoffnungen, Wünsche und Ängste einer kleinen, unsicheren, schwachen, esoterischen Endzeitsekte wider.

Das gibt es die Psalmen, jene alttestamentlichen Gebete, die auch zum festen Gebetsschatz Jesu gehörten und Kern des Stundengebetes der Kirche bilden. Den Psalmen ist keine menschliche Situation fremd: Freude und Leid, Dankbarkeit und Zorn, Angst und Verzweiflung. Es ist gut, wenn wir uns diese Worte zu eigen machen können.

Psalmen: Absurdes aus der Bronzezeit

Warum sollten wir uns Worte wie zum Beispiel diese zu eigen machen?

  • Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen. (Ps 51,19 EU)
  • HERR, steh auf, dass nicht Menschen die Oberhand gewinnen; lass alle Heiden vor dir gerichtet werden! (Ps 9,20 LUT)
  • Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten! Dass doch die Blutgierigen von mir wichen! Denn sie reden von dir lästerlich, und deine Feinde erheben sich mit frechem Mut. Sollte ich nicht hassen, HERR, die dich hassen, und verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit ganzem Ernst; sie sind mir zu Feinden geworden. (Ps 139, 19-29 LUT)
  • Du schiltst die Heiden und bringst die Gottlosen um; ihren Namen vertilgst du auf immer und ewig. Der Feind ist vernichtet, zertrümmert für immer, die Städte hast du zerstört; jedes Gedenken an sie ist vergangen. (Ps 9, 6-7 LUT)
  • Zerbrich den Arm des Gottlosen und Bösen / und suche seine Bosheit heim, dass man nichts mehr davon finde. Der HERR ist König immer und ewig; die Heiden sollen aus seinem Lande verschwinden. (Ps 10, 15-16 LUT)

Auch hier zeigt sich wieder die verzweifelte, trotzige Hoffnung eines kleinen, unterdrückten Wüstenvolkes, das sich tatkräftige Unterstützung von seinem himmlischen Kriegsgott erhofft.

Aber welche Bedeutung sollen solche Fiktionen aus der Bronzezeit noch für die irdische Wirklichkeit der Menschen im 21. Jahrhundert noch haben? Was will mir Gott mit diesen inhumanen, widerlichen Gewalt- und Machtphantasien mitteilen? Ich will es nicht wissen.

Alltäglicher Normalfall?

Die geistliche Lektüre schlechthin ist die Heilige Schrift und hier noch einmal besonders das Neue Testament.

Ich halte die Lektüre der Bibel für die zuverlässigste Methode, sich von der christlichen Lehre zu verabschieden. Dazu muss man nur mal kurz die religiöse Vernebelungsbrille ablegen.

Es geht – wie gesagt – um die Beziehung zu Jesus Christus. Und diese Beziehung kann nur tiefer und intensiver werden, wenn ich ihn besser kennenlerne.

Egal, wie gut jemand Jesus Christus kennen lernt: Dieser wird dadurch keinen Deut realer.

Das Zwiegespräch mit Jesus sollte zum alltäglichen Normalfall werden.

Ich empfinde es alles andere als normal, sich als erwachsener, geistig gesunder und ansonsten vermutlich klar denkender Mensch alltäglich mit fiktiven Phantomen zu unterhalten.

Rosenkranz: Religionsberieselung in Endlosschleife

Mir persönlich hat darüber hinaus der Rosenkranz sehr geholfen. Auf den ersten Blick mag er nicht sonderlich „cool“ wirken, aber den Rosenkranz beten, bedeutet, das Leben Jesu mit den Augen seiner Mutter zu betrachten. Gibt es eine bessere Perspektive?

Vater unser und RosenkranzJa, zum Glück gibt es jede Menge bessere Perspektiven als Gebete wie das Vater unser oder gar das „Rosenkranz“-Gebet. Welche Perspektive soll die stupide, endlose Wiederholung von unterwürfigen Anrufungen, absurden religiösen Märchen und die detaillierte Schilderung brutalster Gewalt Menschen bieten?

Was macht es mit Menschen, die sich solchen Unsinn in Endlosschleife immer und immer wieder einreden? Am Ende glauben sie vielleicht sogar selbst, was sie sich da gebetsmühlenartig selbst eintrichtern.

Wem nutzts?

Eine solche Flucht in religiöse Scheinwirklichkeiten mag vielleicht einen gewissen autosuggestiven, irgendwie beruhigenden Placeboeffekt bewirken.

Aber was soll ein Gebet wie das Vater unser oder der Rosenkranz mit der natürlichen, irdischen Wirklichkeit zu tun haben? Gebete bieten bestenfalls eine Perspektive, die mit der Perspektive vergleichbar ist, die auch Drogen oder Alkohol bieten können. Tatsächlich bewirken Gebete nichts, jedenfalls nicht in der gewünschten Art und Weise. Nämlich, dass der verehrte Gott daraufhin irgendetwas unterlässt oder tut. Zum Beispiel, seinen Allmachtsplan zu ändern.

Ob Vater unser, Bibellektüre oder Rosenkranz: Natürlich sei es jedem selbst überlassen, womit er seine unvorstellbar kurze, völlig unwahrscheinliche und einmalige Lebenszeit verbringt. Menschen haben aber mit Sicherheit mehr Potential als die Verehrung und Anbetung von imaginären Götterwesen.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

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