Gibt es eine Hölle? – Gedanken zu einem Beitrag auf fragen.evangelisch.de
Kathrin wollte von Pfarrer Muchlinsky wissen, wie das denn jetzt genau sei mit der Hölle. Durch eine Diskussion sei sie verunsichert worden, ob sie sich denn wirklich so sicher sein könne, dass sie dereinst zu den „Guten“ zählen würde.
Denn schließlich vertraue sie ja auf Gottes Liebe. Und auch den „Bösen“ könnte Gott ja mit Versöhnung begegnen. Stellt sich Kathrin jedenfalls so vor. Das wäre ja auch viel angenehmer als das mit den Höllenqualen, wie sie im „Neuen Testament“ der Bibel so sadistisch-detailliert wie bildreich beschrieben werden.
Auf Facebook brachte Marcus Müller die Antwort wie folgt auf den Punkt:
- Ein Gott, der dafür sorgt oder auch nur zulässt, dass Menschen dafür, wie sie sich aufgrund ihrer Gene, Kultur und individueller Lebenserfahrung verhalten, in einem metaphysischen Folterkeller landen, wäre eine absurde Monstrosität. Ich wüsste nicht, wieso man ein solches Wesen anbeten sollte, außer wegen des Stockholm-Syndroms.
Die Hölle aus evangelischer Sicht
Pfarrer Muchlinsky versuchte hingegen, die Frage aus seiner evangelischen Sicht irgendwie zu bewältigen. Ein Hauptproblem scheint ihm jedenfalls bewusst zu sein. Er schreibt:
Das Problem ist, dass es in der Bibel, also in der Grundlage unseres Glaubens, unterschiedliche Aussagen zu diesem Thema gibt.*
Dieses Problem besteht natürlich nicht nur in Bezug auf die Hölle. Vielmehr sind praktisch alle biblischen Aussagen so indifferent, dass sich, oft schon im selben Absatz, eine gegenteilige oder zumindest einschränkende Aussage finden lässt.
Das hat einerseits den Vorteil, dass sich biblische Texte für praktisch jede beliebige Sichtweise verwenden lassen: Einfach das Gewünschte herauspicken und den Rest weglassen. Andererseits kann ein solches Sammelsurium natürlich keine eindeutige, verbindliche Grundlage für irgendetwas darstellen.
Alle – oder doch nur manche?
Und so wundert es kaum, dass die von Herrn Muchlinsky zitierte Bibelstelle Kol 1,15-20, in der „Paulus“ zunächst noch angibt, Gott wolle alles auf Erden und im Himmel mit sich versöhnen, direkt im Anschluss diese Einschränkung erfährt (Hervorhebung von mir):
- Auch euch, die ihr einst Fremde wart und feindlich gesinnt in bösen Werken, hat er nun versöhnt durch seinen sterblichen Leib, durch seinen Tod, auf dass er euch heilig und makellos und untadelig vor sein Angesicht stelle; wenn ihr nur bleibt im Glauben, gegründet und fest, und nicht weicht von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt und das gepredigt ist allen Geschöpfen unter dem Himmel. Sein Diener bin ich, Paulus, geworden. (Kol 1,21-23 LUT)
Ganz offenbar muss man also sehr wohl schon hienieden dran glauben, wenn man dereinst nicht dran glauben möchte. Das würde aber natürlich der Vorstellung widersprechen, dass es eigentlich egal sei, was jemand zu Lebzeiten veranstaltet hat:
Mit anderen Worten: Das, was Gott getan hat – nämlich sich mit allen zu versöhnen – gilt eben auch für wirklich alle Menschen.
Nein. Gott bietet diese Liebe nur an (…das gepredigt ist allen Geschöpfen…). Aber auf Erlösung dürfen nur alle die hoffen, die bereit sind, diesen Gott anzuerkennen und sich ihm zu unterwerfen.
Denn wäre es tatsächlich so, dass Gottes Liebesangebot uneingeschränkt für alle Menschen gelten würde, wäre Glaube damit ja völlig überflüssig. Da dann doch lieber einen evangelischen Wohlfühl-Kuschelgott, an den man dann ja auch problemlos glauben kann…
Die biblische Gesamtaussage
Wenn man sich aber nicht nur die jeweils passenden Stellen herauspickt, ergibt sich eine biblische Gesamtaussage, die in Mk 16,16 wie folgt zusammengefasst ist:
- Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. (Mk 16,16 LUT)
Hatte sich im „Alten Testament“ Jahwe noch persönlich und auf Erden um die Durchsetzung seiner Kriegs-, Vernichtungs-, Rache- und Eroberungsgelüste gekümmert, bietet das „Neue Testament“ eine andere Dimension dieses Konzeptes. Die Bestrafung findet hier nicht mehr im Diesseits statt. Sie ist zwar immernoch „Chefsache“, aber jetzt im „Jenseits.“
Und weil sich eine solche fiktive Bedrohung natürlich nicht nachprüfen lässt, mag sie für schlichte, unterwürfige oder unkritische Gemüter wohl noch bedrohlicher gewirkt haben als die Gewaltexzesse im „Alten Testament.“ In denen Gott noch verblüffende Ähnlichkeit mit einem perfiden, grausamen und gnadenlosen Warlord hat, wie es sie wohl auch in der Bronzezeit schon gab.
Rettungsversuch Nr. 1022293
In seiner weiteren Antwort verstrickt sich Herr Muchlinsky einmal mehr in Widersprüche. Erst schreibt er:
[…] und man ist sich mittlerweile darüber einig, dass es vor allem auf das Gericht ankommt und nicht so sehr auf den Urteilsspruch.
Und kurz darauf sieht die Sache dann ganz anders aus:
[…] Da niemand dort wirklich ganz ohne Sünden erscheinen wird, bleibt die Frage, was die Konsequenzen sind.
Also wie jetzt? Man ist sich einig, dass es nicht so sehr auf den Urteilsspruch ankommt, und trotzdem bleibt die Frage, was die Konsequenzen sind? Die Konsequenzen hängen doch vom Urteilsspruch ab?
Die verzweifelten Versuche, die Vorstellung eines lieben Gottes irgendwie aus den biblischen Mythen herauszuretten, nehmen mitunter groteske Züge an.
Kaum zu glauben, dass sich ansonsten vermutlich aufgeklärt und rational denkende Menschen im 21. Jahrhundert noch zu solchen irrationalen theologischen Winkelzügen versteigen können, nur um biblische Absurditäten mit ihren Wunschvorstellungen in Einklang zu bringen.
Die schlimmsten Verbrecher
Sie merken, persönlich bin ich also „auf Ihrer Seite“ in dieser Diskussion, allerdings würde das natürlich auch bedeuten, dass wir nach dem Jüngsten Gericht auch die schlimmsten Verbrecher wiedersehen würden. Das ist für viele Menschen eine furchtbare Vorstellung.
Und nochmal verfängt sich Herr Muchlinsky in seiner eigenen „Logik.“ Denn wenn der Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit eine angebliche Läuterung, also das Erkennen der eigenen Schuld vorausgegangen sein soll, dann wären ja auch die schlimmsten Verbrecher geläutert. Und damit ebenfalls von ihren Sünden befreit. Sonst könnten sie ja gar nicht „bei Gott“ sein. Welche Rolle würde es dann überhaupt noch spielen, was sie vorher zu Lebzeiten veranstaltet hatten?
Diesen Umstand kann man natürlich auch ignorieren. Und stattdessen die Vorstellung, im Jenseits (was für sich genommen ja schon absurd genug wäre) auf die Verbrecher aus der diesseitigen Welt zu treffen einsetzen, um Menschen noch mehr Angst einzujagen.
Vier Überlegungen zum Thema Hölle
- Es handelt sich bei allen Himmel-Hölle-Behauptungen ausnahmslos um von Menschen zu bestimmten Zwecken erdachte Fiktionen. Die für die irdische, natürliche Wirklichkeit faktisch irrelevant sind. Was sich Menschen vor knapp 2000 Jahren über einen jenseitigen Richter und dessen inhumanes Belohnungs-Bestrafungs-Konzept ausgedacht haben, ist genauso egal wie alle anderen Göttergeschichten auch. Zwischen diesen Geschichten und der natürlichen Wirklichkeit lässt sich kein Kausalzusammenhang herstellen. Nur behaupten. Und behaupten kann man alles Beliebige – und das genaue Gegenteil.
- Wer diese Hölle-Phantasien trotzdem für wahr hält, stößt auf jede Menge Widersprüche und Aussagen, die sich nicht mit der Vorstellung eines „Lieben Gottes“ in Einklang bringen lassen. Eines Gottes, der, nebenbei bemerkt, trotz angeblicher Allmacht und Allgüte augenscheinlich nicht in der Lage oder willens war, eine weniger leidvolle Welt als diese zu erschaffen.
- Die Bibel fordert Menschen zu einem bestimmten Verhalten auf. Über allem steht die Anerkennung des behaupteten Gottes. Für die Einhaltung wird eine (fiktive) Belohnung in Aussicht gestellt. Und für die Nichteinhaltung eine ebenso fiktive, zeitlich unbegrenzte physische und psychische Dauerbestrafung durch Höllenqualen. Wem ein solcher Gott zu unsympathisch ist, der lässt einfach den Bestrafungsteil weg. Und imaginiert sich seinen Wunschgott einfach als „Lieben Gott.“
Somit ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch dieser Gott endgültig den anderen Göttern aus der Beliebigkeit in die Bedeutungslosigkeit gefolgt sein wird. - Was ist von Menschen zu halten, die – vermutlich sogar wider besseres Wissen – andere Menschen in solch absurden Vorstellungen noch bestärken? Und die vorgeben, Dinge zu wissen, die sie nicht wissen können?
Die Menschheit steht heute wahrlich vor anderen Herausforderungen als das immer wieder neue Zurechtbiegen von absurden vormittelalterlichen Mythen und Legenden. Es ist längst offensichtlich, dass Hölle- und andere religiöse Mythen zur Bewältigung dieser Herausforderungen weder erforderlich noch geeignet sind.
*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag zum Thema Hölle auf fragen.evangelisch.de
Ich dachte zuerst, ich bin im falschen Film, als ich mir Frau Behnkens Einlassungen über den Tod angehört habe. Wenn…