Neulich auf Facebook…

Lesezeit: ~ 5 Min.

In einer Facebook-Gruppe, die eigentlich mal zur Diskussion zwischen Gläubigen und Glaubensbefreiten gedacht war, tauchte neulich dieser Hilferuf eines Religionskritikers auf:

„Ich brauche mal eure Hilfe. Ich habe für meine Kinder eine Regel aufgestellt: Wer mir nicht gehorcht, oder mir seine Liebe entzieht, kommt bis zu seinem Lebensende in meinen eigens dafür eingerichteten Folterkeller.

Aber ihr wisst ja, wie Kinder so sind. Es ist fast unmöglich, dass sie das 18 Jahre lang schaffen. Also brauche ich ein Schlupfloch. Wie wäre es, wenn meinen Erstgeborenen mal einen Tag lang so richtig nach Strich und Faden vermöble, ihn anschließend ersticke und dann nach ein paar Minuten wiederbelebe? Das würde seine Geschwister von ihrer Strafe erlösen.

Das Problem ist: Er möchte nicht! Unglaublich, oder? Wie kann ich ihn überzeugen? Ich habe ihn schon die Bibel lesen lassen, damit er dem Beispiel Jesus folgen kann, aber er ist zu bescheiden, um sich ein Leben lang von seinen Geschwistern mit Danksagungen und Geschenken überhäufen zu lassen.

Ich meine, ich könnte natürlich auch einfach die Regel ändern, aber ihr wisst ja, meine Wege sind unergründlich und mein Vorbild – der allmächtige, allwissende und barmherzige Schöpfer des Universums und allen Lebens – macht ja vor wie es geht und wird dafür angebetet und gefeiert.

Was wäre also vortrefflicher, als das Vorbild dieser anbetungswürdigen, gerechten Gestalt, voller Liebe nachzuahmen?“

Empörte Gläubige auf Facebook

Die erbosten Kommentare der anwesenden Gläubigen fielen erwartungsgemäß aus.  Es bedürfe unvorstellbar viel Hass und Ignoranz, um überhaupt Atheist sein zu können, hieß es da. Dieselbe Nutzerin spricht Atheisten gar das Recht auf Fortpflanzung ab:

Facebook-Post
Quelle: Screenshot Facebook, 1.6.2017

Ganz offensichtlich hatte einmal mehr die kognitive Dissonanz unbarmherzig und mit aller Härte zugeschlagen.

So augenscheinlich hatte die Analogie des Schreibers die Absurdität und Hirnrissigkeit der christlichen Glaubensgrundlage entlarvt, dass die Schmerzen für gläubige Christen schier unerträglich gewesen sein müssen.

Und das äußerte sich dann in persönlichen Beleidigungen. Und auch das altbekannte „Kein wahrer Schotte“- Scheinargument dem man auch in Facebook-Gruppen immer wieder mal begegnet, musste herhalten: Denn so wie hier dargestellt, würde ja heute kein wahrer Christ mehr glauben. Abgesehen von ein paar Fundamentalisten vielleicht…

Die Tatsache, dass es sich bei der geschilderten Geschichte einfach nur um eine exakte Analogie zur grundlegenden christlichen Moralvorstellung handelt, passt verständlicherweise niemand mehr in den Kram, der heute noch irgendwie halbwegs ernst genommen werden möchte.

Und der wahrscheinlich jede Menge Taktiken entwickelt oder übernommen hat, um diese absurde Lehre so umzubiegen, dass sie halbwegs erträglich erscheint. Die verbreitetste Strategie ist dabei wohl: Ignorieren.

Des Pudels Kern – auf den Punkt gebracht

Volker Dittmar hatte das Thema einmal mehr gewohnt treffend auf den Punkt gebracht.

Sein Kommentar:

Facebook„Natürlich können die Gläubigen nur unwirsch reagieren. Denn hier zeigt sich das Kernproblem christlichen Glaubens.

Sie können Dir nicht widersprechen, ohne den Finger in die eigene Wunde zu legen. Sie können Dir (Timo) nicht zustimmen, ohne den eigenen Unsinn offenzulegen.

Das Problem des Christentums ist, dass es auf eine völlig unsinnigen moralischen Basis aufbaut: der stellvertretenden Vergebung von Sünden. Das gibt es nicht: Nicht einmal Gott besitzt die Fähigkeit, an meiner Stelle etwas zu vergeben, was MIR angetan wurde. Vergebung ist eine Sache der Freiwilligkeit, es verletzt meine Autonomie, meine Menschenwürde, mich als Individuum, wenn jemand an meiner Stelle etwas vergibt, was MEINE Angelegenheit ist.

Stellvertretendes Vergeben durch ein Opfer

Es gibt kein „stellvertretendes Vergeben durch ein Opfer“, ganz gleich, um welche Art von Opfer es sich handelt. Außerdem ist Gott ein moralisches Monster, wenn er selbst etwas vergibt, was seine Sache ist, aber dafür ein Menschenopfer verlangt – oder er ist ein Gaukler, weil Jesus ja sein Leben nicht wirklich geopfert hat.

Keinem Mörder kann vergeben werden, weil das Opfer nicht mehr in der Lage ist, zu vergeben. Die Angehörigen können dem Mörder vergeben für das, was er ihnen angetan hat. Aber darin hat sich keiner einzumischen, man kann Vergebung nicht verlangen oder fordern, und man kann nicht – auch nicht als Gott – stellvertretend vergeben.

Christliche Moral: in höchstem Maße unmoralisch

An der Basis der christlichen Moral steht also etwas, was in höchstem Maße unmoralisch ist. Das hat man in der Antike noch anders gesehen, da glaubte man, es gäbe so etwas wie ein stellvertretendes Opfer (den berühmten „Sündenbock“). Je unschuldiger das Opfer, desto stärker die Kraft der Vergebung.

Heute halten wir das für barbarisch – auch Christen – und es ist gut, ab und zu mal die Christen daran zu erinnern, welche archaische Barbarei den Kern ihres Glaubens ausmacht.

Natürlich mögen sie das nicht und reagieren empört. Aber sich empört zu stellen ist die einzige Form, die sei haben, um diese Kritik zurückzuweisen. Es dient aber in erster Linie dazu, nicht weiter darüber nachzudenken, weil sie genau wissen, wohin das führt. […]

Welchen Sinn hatte der Tod von Christus am Kreuz?

Christopher Hitchens hat mal gefragt, ob es einen einzigen moralischen Akt gibt, den ein Atheist nicht begehen kann.

Den gibt es tatsächlich – genau das „stellvertretende Vergeben eines Vergehens“. Dazu sind Atheisten nicht in der Lage, fast alle würden das auch als unsinnig zurückweisen, für sich selbst als auch für alle anderen.

Das ist aber auch schon die einzige moralische Handlung, die ein Atheist nicht ausführen kann oder wird. Bei allem anderen gibt es keine Unterschiede zwischen Gläubigen und Ungläubigen aller Art.

Deswegen auch diese Art der Kritik: Uns kann nicht einleuchten, was der Tod von Christus am Kreuz für einen Sinn hatte. Wir können das nicht verstehen, und kein Christ kann uns das erläutern (Versuche dazu, wie hier, gibt es immer wieder, was dann dazu führt, dass die Diskussion sofort auf Nebengleise geführt wird).

Purer Unsinn

NOCHMAL: Kein Atheist versteht das Konzept des „stellvertretenden Vergebens von Sünden“. Das liegt daran, dass KEIN Christ erklären kann, was das soll. Das ist genau DER Grund, warum damals die Heiden das Christentum als „Torheit“ angesehen haben. Dieser Vorwurf konnte bis heute nicht ausgeräumt werden.

Ich kenne etwas mehr als ein halbes Dutzend theologischer Konzepte. Keines davon hat eine Mehrheit von Christen für sich, sondern ALLE werden von einer christlichen Mehrheit von Gläubigen wie auch Theologen abgelehnt. Ich halte JEDES dieser Konzepte für puren Unsinn.

Es ergibt weder logisch, noch moralisch, noch theologisch einen Sinn. Ich denke, ich habe auch über diese Frage sehr viel mehr nachgedacht als die Mehrheit aller Gläubigen.“

Das Konzept der Erbsünde

In einem weiteren Kommentar zu diesem Facebook-Beitrag geht Volker auf das Konzept der Erbsünde ein, das ja quasi der Dreh- und Angelpunkt christlicher Moral ist:

„Sünde ist ein erfundenes moralisches Konstrukt, mit dem man Menschen dadurch manipulierbar macht, dass man ihnen eine Schuld einredet.

In diesem spezielle Fall steht und fällt das Konzept mit der Erbsünde.

Das Konzept verstehen heute die meisten Christen nicht mehr, und das ist einer der Gründe, warum sie den „Opfertod Jesu“ nicht mehr erklären können. Weder sich selbst noch anderen.

So stehts in der Bibel

Kurz erklärt – das ursprüngliche Konzept (das so kaum noch ein Christ akzeptiert außerhalb fundamentalistischer Kreise):

Durch den ersten Ungehorsam gegen Gott (Paradiesgeschichte, Adam und Eva) vererbt sich auf jeden ihrer Nachkommen, über beliebig viele Generationen, eine Art „Sündhaftigkeit“. Daher wird jeder Mensch in Sünde geboren.

Die „Übertragung“ dieser Sünde geschieht durch den sexuellen Akt. Aus diesem Grund musste Jesus von einer Jungfrau geboren werden – sonst wäre er mit „Erbsünde befleckt“.

Die Opferung eines Unschuldigen – Jesus, der frei von jeder Sünde ist, auch der Erbsünde – wäscht mit dem Blut die Erbsünde ab, beseitigt aber nicht ihre Folgen.

Erst damit ist Gott befriedigt und kann vergeben – ohne Opfer kann er das nicht (Da spielt eine weitere Theologie mit rein, die „Satisfaktionslehre“).

Christentum: Im historischen Kern eine „magische Blut- und Opferreligion“

„Opferung“ ist ein magisches Ritual: Je unschuldiger das Opfer, umso stärker seine Wirkung. Je größer das Opfer, umso wirksamer. Das größte Opfer für einen Menschen ist, sein Leben für andere freiwillig hinzugeben (sich opfern zu lassen).

Sonst wäre das ja ein schlimmerer Ungehorsam als eine verbotene Frucht zu essen – nämlich ein Verstoß gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“. Die Freiwilligkeit macht daraus ein Opfer und keinen Mord.

Hat natürlich die Christen nicht davon abgehalten, später die Juden – statt der Römer – als „Christusmörder“ zu beschimpfen und zu verfolgen. So sind sie halt, die Christen – logische Konsequenz im Glauben ist nicht ihre Sache. Das hat nichts mit Können, sondern mit Wollen zu tun, nebenbei. Christen sind nicht doof, sie sind nur unwillig, über bestimmte Tabus nachzudenken. Und dann nützt ihnen auch die beste Intelligenz nichts. Werkzeuge, die man nicht verwendet, sind nutzlos.

Christentum ist also im historischen Kern eine „magische Blut- und Opferreligion“.

Das können viele Christen nicht ertragen und haben daher vergeblich versucht, das alles anders zu interpretieren. Das Kartenhaus fällt aber schon in sich zusammen, wenn man EINE Karte entfernt. Und es wird auch nicht besser, wenn man ein halbes Dutzend wegnimmt.“

*Quelle: Facebook, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Urheber.

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