Kommentar zu: Algermissen: „Ehe für alle ein Verstoß gegen Grundgesetz“

Lesezeit: ~ 6 Min.

Algermissen: „Ehe für alle ein Verstoß gegen Grundgesetz“ – Lichterprozession, Kommentar zu einem Artikel auf Osthessennews.de, veröffentlicht am 9.7.2017, Verfasser nicht genannt

Nach dreitägiger Dauer geht heute in Fulda der 17. Kongress „Freude am Glauben“ zu Ende. Der vom Forum Deutscher Katholiken steht unter dem Motto „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ (Lk 12,32). *

Wenn wie bei Bischof Algermissen die „Freude am Glauben“ zu „Hass gegen Menschen, die seine Ansichten nicht teilen“ führt, dann ist das nicht nur für seine verbliebene kleine Herde „zum Fürchten.“ Also für die Schafe, deren Vater weiß, was sie brauchen. Und zwar der Vater, der beschlossen hat, den Schafen seiner kleinen Herde „das Reich“ zu geben. Den zweiten Teil dieses Verses hatte man jedenfalls lieber mal weggelassen:

  • Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben. (Lk 12,32 EU)

Danach sieht es heute zum Glück so gar nicht mehr aus. Die Herde wird immer kleiner, aber ein Reich ist nicht in Sicht. Vielleicht hat es sich Jahwe ja inzwischen anders überlegt. Auch die darauf folgende Anweisung hatte es diesmal nicht zum Kongressmotto vom „Forum Deutscher Katholiken“ (das sind die mit der hässlichen Häufung kritikwürdiger Vorfälle (Zitat Dieter Graumann, Quelle: sueddeutsche.de)) geschafft:

  • Verkauft eure Habe und gebt den Erlös den Armen! Macht euch Geldbeutel, die nicht zerreißen. Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, droben im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst. Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz. (Lk 12, 33-34 EU)

Hätten Herr Algermissen und seine Freunde nicht noch viel mehr Freude am Glauben, wenn sie mal diese klare, unmissverständliche biblische Aufforderung befolgen würden? Oder ist der Schatz hienieden vielleicht doch wichtiger als die in Aussicht gestellte Belohnung droben im Himmel? Oder die ebenfalls fürs Jenseits angedrohte ewige Bestrafung zu lasch?

Eucharistische Anbetung – anno 2017

Eine Lichterprozession mit Marienweihe geht um 20 Uhr vom Kongresszentrum zur Stadtpfarrkirche St. Blasius, wo im Anschluss eine eucharistische Anbetung stattfand.

Mit anderen Worten: Jemand, der vorgibt, Backoblaten (die per aktueller Verordnung nicht aus glutenfreien, wohl aber aus genmanipulierten Zutaten bestehen dürfen) in das Fleisch eines vor rund 2000 Jahren gestorbenen Menschen zum Zwecke des Verzehrs desselben verwandeln zu können und der dieses Menschenfleisch vor dem Verzehr anbetet, meint, sich auf Grundlage dieser bizarren Absurditäten zu gesellschaftlichen Themen der Menschheit im 21. Jahrhundert äußern zu müssen. Und zwar nicht etwa nur zu dem Leben der Schafe seiner „kleinen Herde.“  Sondern zum Leben aller Menschen.

Etwa 450 Menschen zogen am Samstagabend etwa 40 Minuten lang durch die Fuldaer Innenstadt.

Da kann die kleine Herde sich ja glücklich schätzen, dass sie in einem Land lebt, in der die Religionsfreiheit  oder auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Grundgesetz verankert sind. Werte, die gegen den erbitterten Widerstand der christlichen Kirche durchgesetzt werden mussten.

Freude am Glauben

In einem Grußwort an die Teilnehmer des Kongresses „Freude am Glauben“ betonte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen, dass immer wieder diese Kongresse mit ihren Themen konkret in eine hochproblematische gesellschaftliche Entwicklung hineingegriffen hätten.

Dem Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen und seiner kleinen Herde sei jegliche „Freude am Glauben“ herzlich gegönnt. Auch wenn der Bischof meint, Menschen, die seine Vorstellungen zum Beispiel von Ehe für alle, oder auch von absurden Auferstehungslegenden nicht teilen übel beleidigen zu müssen, so ist auch das zu tolerieren. Respekt für seine Hasstiraden und seine rückwärtsgewandten, realitätsfernen Ansichten wird er ja kaum ernsthaft erwarten.

Algermissen kritisierete, dass in den vergangenen drei Jahren schrittweise die fundamentalen Grundlagen von Ehe und Familie ausgehebelt oder gar demontiert worden seien.

Zum Glück sind es nicht Herr Algermissen und die von ihm vertretene Institution, die die „fundamentalen Grundlagen von Ehe und Familie“ festlegen. Überhaupt frage ich mich einmal mehr, was ausgerechnet ein älterer, zeitlebens allein lebender Mann, der in der religiös erweiterten Scheinwirklichkeit einer patriarchialisch angelegten Ideologie lebt meint, zu Themen wie Ehe und Familie beitragen zu können.

Schwarzer Freitag – regenbogenbunt

Er sprach von einem „schwarzen Freitag“ vor einer Woche, als eine Mehrheit von 393 Abgeordneten des Deutschen Bundestages – darunter mehr als 70 der Union – für die Möglichkeit stimmten, dass homosexuelle Paare künftig eine Ehe schließen können.

Ehe für alleFür die Anhänger eines hoffnungslos antiquierten, frauenfeindlichen Weltbildes einer Wüstenreligion aus der Bronzezeit und derer Nachkommen mag dieser Freitag schwarz gewesen sein. Für alle anderen war er regenbogenbunt.

Ich halte es vielmehr für eine Schande, dass die seit Jahren überfällige Entscheidung zur Ehe für alle – im Vergleich zu anderen Ländern – in Deutschland erst so dermaßen spät gefällt wurde.

Verstoß gegen das Grundgesetz

„Für mich ein klarer Verstoß gegen Artikel 6 des Grundgesetzes“ sagte Algermissen.

Da können wir ja nur froh sein, dass es völlig egal ist, wie ein Herr Algermissen das Grundgesetz interpretiert. Seine Oberhirtenkollegen hatten sich darauf beschränkt, vor der Ehe für alle zu warnen.

Dass die katholische Kirche meint, vor irgendetwas warnen zu müssen, ist ja kein neues Phänomen: Frauenstudium, Verhütung, heliozentrisches Weltbild, Hexen, Masturbation, Sex vor der Ehe, Internet… Aber mit einer bloßen Warnung ist es bei Algermissen nicht getan. Da muss es schon ein „klarer Verstoß“ gegen das Grundgesetz sein. Aber was steht da eigentlich genau?

Der Artikel 6 GG lautet:

  1. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
  2. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
  3. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
  4. Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
  5. Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. (Quelle: gesetze-im-internet.de)

Es sei dem geneigten Leser überlassen, den von Herrn Algermissen klar erkannten Verstoß gegen den Artikel 6 nachzuvollziehen. Oder auch nicht.

Machterhalt als mögliches Motiv

Es zeige sich, dass der Bundeskanzlerin Machterhaltung wichtiger sei als die Treue zu Prinzipien, zumal alle in Frage kommen-den zukünftigen Koalitionspartner sich bereits auf die „Ehe für alle“ festgelegt hatten.

Machterhaltung ist ein gutes Stichwort. Denn schließlich dürften die Kirchendiener einen gravierenden Machtverlust befürchten: Wenn sie keinen Einfluss mehr auf die privatesten Angelegenheiten von Menschen haben. Es scheint aber auch allzu verlockend zu sein, Menschen bis ins Schlafzimmer hinein vorschreiben zu dürfen, was sie zu tun haben. Und natürlich auch zu lassen.

„Die Entscheidung der Abgeordneten führt zu einer Spaltung des Verständnisses von Ehe und zu deren schleichender rechtlicher Auflösung. Für die katholische Kirche ist solche fatale Änderung des allgemeinen Bewusstseins und Spaltung als Resultat der Bundestagsabstimmung grundsätzlich inakzeptabel.

Die katholische Kirche ist es doch, die mit ihrem Festhalten an längst überholten Vorstellungen versucht, das allgemeine Bewusstsein zu spalten. Niemand hat irgendeinen Nachteil durch die Legitimierung von gleichgeschlechtlicher Ehe.

Grundsätzlich inakzeptabel ist vielmehr die klerikale Selbstüberschätzung und Anmaßung, Menschen vorschreiben zu dürfen, wie sie ihr Leben zu gestalten haben.

Und das basierend auf den Stammesregeln eines kleinen Wüstenvolkes aus der Bronzezeit. Regeln, die später von Menschen mit mehr als fragwürdigem Geisteszustand nach deren Vorstellungen interpretiert und dogmatisiert worden waren.

Ehe für alle – tiefe Konfusion für Algermissen

Da die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft aus sich heraus keine Kinder hervorbringen kann, wird durch diese Öffnung der „Ehe für alle“ eine tiefe Konfusion des Verständnisses von Ehe herbeigeführt“ betonte dere Fuldaer Bischof.

Unter tiefer Konfusion leiden Menschen, die meinen, das Hervorbringen von Kindern sei das maßgebliche Kriterium für eine Ehe. Nochmal: Es sei Herrn Algermissen selbstverständlich völlig frei gestellt, wie er dieses Thema für sich selbst bewertet. Wenn ihm seine Weltsicht dann eine tiefe Konfusion beschert, ist das allerdings sein persönliches Problem.

Algermissen befürchtet einen „gesellschaftlichen Dammbruch“, der noch Folgen haben werde, wenn er an mögliche juristische Auseinandersetzungen für kirchliche Einrichtungen denke.

Das liegt dann aber nicht daran, dass Schwule und Lesben jetzt endlich heiraten dürfen. Sondern daran, dass es sich die kirchlichen Einrichtungen bis heute herausnehmen, eine Paralleljustiz inkl. eigenem Arbeitsrecht zu betreiben. Eine Einrichtung, die, anders als die Homoehe, tatsächlich im Konflikt mit bestehendem Recht steht.

Das so genannte „Kirchenrecht“ ist einer der skandalösen Zustände, die aus längst vergangenen Zeiten übrig geblieben sind. Und das der katholischen Kirche bis heute ermöglicht, ihre Interessen ungeachtet der rechtlich verbürgten menschlichen Würde und Freiheit durchzusetzen. Die Ehe für alle war sicher nur ein kleiner, aber wichtiger weiterer Schritt in Richtung Säkularität und Laizität.

Algermissen betont konfessionelle Spaltung

Und schließlich beklagt sich Algermissen noch über die Spaltung, die die Entscheidung des Bundestages für die Ehe für alle zwischen seiner katholischen und der evangelischen Kirche verursacht habe. Und betont, dass es „grundsätzliche Unterschiede zwischen der katholischen Kirche und der EKD“ gebe.

Nach Algermissens Erfahrung im ökumenischen Dialog seit nunmehr 48 Jahren „entfernen wir uns in ethischen und bioethischen Fragen immer weiter voneinander“.

Je weiter weg der Holzweg von der Lebenswirklichkeit der Menschheit im 21. Jahrhundert führt, desto schmaler scheint er zu werden…

Wer heute immernoch meint, die katholische Kirche sei eine brauchbare Quelle für die ethischen Standards der Menschen im 21. Jahrhundert, dem sei einmal mehr das Buch „Die Legende von der christlichen Moral – Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist“ von Dr. Andreas Edmüller zur Lektüre empfohlen.

Ehe in der Bibel

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
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