Gedanken zu Nachgedacht … (248) Zwischen höflich und sauer…

Lesezeit: ~ 5 Min.

Gedanken zu Nachgedacht … (248) Zwischen höflich und sauer… Originalbeitrag verfasst von Christina Lander, veröffentlicht am 26.11.2017 von Osthessennews

In der letzten Woche – leider Gottes – habe ich mehrfach Kontakte mit anderen Mitmenschen gehabt, die mich an den Rand der Höflichkeit getrieben haben.*

Leider Gottes? Frau Lander, ist Gott in Ihrer liberal-theologischen Weltsicht nicht mehr allgütig und allmächtig? Denn wenn Gott diese Eigenschaften hat, dann kann er es mit Ihnen, die Sie ja an ihn glauben, nur gut gemeint haben. Vielleicht war es ein Test, wie höflich Sie auf einen vermeintlichen Angriff reagieren.

Mir wurden Dinge unterstellt, die ich nicht getan habe, mir wurde Gelächter entgegengebracht, das ich nicht verdient habe. Ein Beispiel muss ich Ihnen erzählen – natürlich wahre ich die Identität der Person.

Sie wahren die Identität der Person? Oder meinten Sie deren Anonymität? Die Person würde ihre Identität doch nicht verlieren, wenn Sie ihren Namen veröffentlicht hätten…

Immer schön höflich…

Ich sagte: „Entschuldigung, aber ich dachte Sie seien nicht ansprechbar.“ Da ich mich durch ihre unhöfliche Art nicht wohl fühlte, musste ich ihr irgendwie sprachlich vermitteln, dass ich Hilfe benötigte, die ich aber von ihr nicht bekam und so fälschlicherweise in den Fachmarkt ging.

Ganz einfach: Die Fachmarktangestellte fühlte sich übergangen. Nur, weil sie nicht sofort alles hatte liegen und stehen lassen, um Ihre Reklamation zu bearbeiten, heißt das nicht, dass sie Sie damit angreifen wollte. Vielleicht hatte sie auch einfach nicht damit gerechnet, dass jemand auf die Idee kommen würde, ein Elektrogerät mit in den Baumarkt zu nehmen.

Und dann kam eine Antwort, die ich niemals erwartet hätte. Die Frau lachte mich aus. Sie sagte: „Nicht ansprechbar? Ansprechbar – ist das überhaupt ein Wort?“ Ein Lacher. — Sie können vielleicht erahnen, dass ich kaum etwas auf solch eine Antwort zurückgeben konnte.

Offengestanden kann ich das nicht erahnen. Ganz offensichtlich hatte sie versucht, die völlig banale Situation mit Heiterkeit zu retten. Ich kann in der Reaktion jedenfalls keine beklagenswerte Unhöflichkeit oder einen Angriff auf Ihre Ehre erkennen. Vielleicht kannte sie das Wort „ansprechbar“ auch tatsächlich nicht. Aber kann man ihr deshalb einen Vorwurf machen?

Und möglicherweise war das Lachen auch gar kein Auslachen. Sondern eine gewöhnliche Ersatzhandlung, mit der die Angestellte ihre Verwunderung über Ihre Ansprache überspielte.

Könnte es sein, dass Sie es vielleicht einfach nicht gewohnt sind, dass sich die Welt mal nicht nur um Sie dreht?

Einfach mal kurz warten, bis die Angestellte Zeit für Sie hat? Oder, wenns zu lange dauert und Sie keine Zeit haben, den Blickkontakt suchen und es mit einem höflichen „Entschuldigung…?“ versuchen?

Wenn Sie eine Episode wie die von Ihnen geschilderte so belastet, dass Sie sie in einem Online-Zeitungsartikel verarbeiten müssen, wäre dann nicht mal eine kleine Fortbildung in Sachen Selbstbewusstsein eine sinnvolle Sache? Neben diversen Seminaren gibts hierzu auch ein reichhaltiges Literatur-Angebot.

Die Crux der Nächstenliebe

Allerdings darf man einen Kunden nicht auslachen, man darf grundsätzlich niemanden auslachen. Und hier ist die Crux, bei der Nächstenliebe so schwierig wird: Wenn wir uns in unserer Ehre angegriffen fühlen und auch wenn uns jemand unrecht tut, ist es schwer, freundlich zu bleiben.

Sie scheinen sich ja sehr sicher zu sein, dass es die Absicht der Angestellten war, Sie in Ihrer Ehre anzugreifen und Ihnen unrecht zu tun. Dabei hatte sie Sie nur darauf hingewiesen, dass Sie sich bitte an die eigentlich allgemein bekannte Gepflogenheit halten mögen, keine Geräte in den Baumarkt mitzunehmen.

Und zwar nicht, um Sie zu ärgern. Sondern um Ihnen den Ärger zu ersparen, den Sie möglicherweise bekommen könnten, wenn Sie an der Kasse erklären müssen, dass Sie das Gerät mitgebracht und nicht aus dem Markt mitgenommen hatten.

Das Konzept der Nächstenliebe im christlichen Sinn taugt nicht für die Lebenswirklichkeit von Menschen im 21. Jahrhundert. Sie können sich getrost davon verabschieden. Denn Sie brauchen jemanden, der Ihnen (im übertragenen Sinne) auf die eine Wange schlägt, nicht auch die andere Wange hinhalten. Nutzen Sie einfach die Möglichkeiten der Kommunikation, um eine solche Situation souverän zu meistern.

Die zwischenmenschliche Kommunikation steckt erfahrungsgemäß voller Tücken: Was der Sender meint und was beim Empfänger ankommt, kann sehr unterschiedlich sein. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem seien zum Beispiel die Beiträge von Vera F. Birkenbihl empfohlen.

Ich darf das, weil Jesus das auch getan hat

Und Christen – so meine ich – sollten auch einmal Unrecht benennen dürfen, Jesus hat das mehrfach getan.

Genauso unbrauchbar wie die christliche Nächstenliebe ist auch die christliche Lehre an sich, wenn es um die Lebenswirklichkeit von Menschen im 21. Jahrhundert geht. Denn biblisch können Sie alles Beliebige rechtfertigen und begründen. Genauso wie das genaue Gegenteil.

Die Fachmarktangestellte könnte, wenn sie ebenfalls Christin ist, genauso argumentieren. Und sagen, dass sie als Christin Ihr Verhalten (das Betreten des Baumarktes mit einem mitgebrachten Elektrogerät, statt es bei der Reklamationsabteilung abzugeben), was in ihren Augen ja ebenfalls ein „Unrecht“ darstellt, ja wohl als Unrecht benennen dürfe. So wie Jesus das mehrfach getan hat.

Was Jesus, sollte er gelebt haben, tatsächlich getan oder nicht getan hat, wissen wir nicht. Was die literarische Kunstfigur Jesus Christus gesagt oder getan hat, ist religiöse Mythologie, festgehalten in biblischen Legenden. Die Begründung: „Ich darf als Christin Unrecht benennen, weil Jesus das auch getan hat“ ist gar keine Begründung. Sondern eine billige Ausrede. Und ein weiteres Beispiel dafür, dass sich in der Bibel „Begründungen“ für und gegen alles Beliebige finden lassen.

Die christliche Lehre taugt nicht als Moralquelle. Weil sie nicht mal die Mindeststandards erfüllt, die eine solche Quelle aufweisen muss. Hierzu empfehle ich einmal mehr das lesenswerte Buch „Die Legende von der christlichen Moral – warum das Christentum moralisch orientierungslos ist“ von Dr. Andreas Edmüller. Diese Beliebigkeit ist die eigentliche Crux, wegen der nicht nur die christliche Nächstenliebe so schwierig wird.

Höflich oder sauer: Was nutzt Ihnen mehr?

Wie wärs, wenn Sie die Situation mal unter dem Gesichtspunkt des Eigennutzes betrachten? Sie möchten Ihr defektes Gerät reklamieren. Welches Verhalten bringt Ihnen den meisten Nutzen? Wenn Sie das Verhalten der Angestellten als Angriff auf Ihre Ehre werten?

Nimmt Ihre Ehre tatsächlich einen Schaden, weil Ihnen im Baumarkt mal nicht die Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde, die Sie erwartet hätten? Ich denke nicht. Ganz egal, ob Sie die Angestellte tatsächlich verbal verletzen wollte oder nicht: Es spielt keine Rolle. Sie können da einfach drüberstehen.

Statt beleidigt und säuerlich zu reagieren, behandeln Sie die Verkäuferin doch einfach so, wie Sie selbst behandelt werden möchten. Ihr Selbstwertgefühl sollte nicht davon abhängen, ob eine Baumarktangestellte gute Manieren hat oder nicht.

Und wenn alle Stricke reißen und sich die Angestellte tatsächlich ehrverletzend verhält, dann haben Sie immernoch die Möglichkeit, den Marktleiter oder die Marktleiterin hinzuzuziehen und die Situation sachlich und höflich zu klären.

Höflich bleiben: Ist christlicher und ärgert mehr

[…] In diesem Zusammenhang erscheint mir aber wirklich nur Folgendes richtig: Sauer und laut zu werden, ist einfach, gefasst zu bleiben, ist schwierig – aber der bessere Weg.

Hierzu fällt mir folgende Strophe eines Gedichtes von Georg Bötticher über die christliche Doppelmoral ein:

  • Will sich dein Nachbar mit dir streiten
    Bei Tisch – so setz‘ dich nicht zur Wehr
    Verdopple deine Höflichkeit:
    ’s ist christlicher und ärgert mehr. (Quelle)

Und das schwierigste überhaupt ist es, dem anderen Menschen, der uns getroffen hat, zu verzeihen. Das allerdings ist so schwer, dass wir es wohl ein Leben lang einüben müssen.

Wenn Sie schon ein solch banales Kommunikationsproblem derart aus der Bahn wirft und Sie es als Frontalangriff auf Ihre Ehre auffassen, dann könnte dieser Lernprozess tatsächlich ein Leben lang dauern. Besonders dann, wenn Sie mal irgendwann mit wirklichen Angriffen konfrontiert werden sollten.

Ein gesundes Selbstbewusstsein kann dazu beitragen, in solchen Situationen höflich zu bleiben.

Höflich bleiben bei persönlichen Angriffen kann man lernen

Und hier noch ein schönes Beispiel, wie man persönliche Angriffe gekonnt in Wohlgefallen auflösen kann:

https://www.youtube.com/watch?v=jWkHDCZAFbE

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

 

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2 Gedanken zu „Gedanken zu Nachgedacht … (248) Zwischen höflich und sauer…“

  1. »Ich kam in den Laden und die Verkäuferin an der Kasse zählte gerade ihr Geld. Sie blickte nicht hoch und interessierte sich keineswegs für mein Erscheinen.«

    Wenn man Geld zählt, kann man auch nicht zwischendurch aufhören und Kunden bedienen, sonst muss man wieder neu mit dem Zählen anfangen. Es ist zwar manchmal lästig und kann – wenn man nicht darüber nachdenkt, dass die Person sich konzentrieren muss – unfreundlich wirken. Aber ich habe mir jedenfalls angewöhnt, Geld zählende MitarbeiterInnen nicht zu unterbrechen.

    Aber ich bin ja auch nur ein einfacher Atheist ohne Theologiestudium.

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