Gedanken zu: Der liebe Gott weiß alles – zum Thema Fragen und Antworten

Lesezeit: ~ 5 Min.

Gedanken zu: Der liebe Gott weiß alles, Originalbeitrag zum Thema Fragen und Antworten verkündet von Rainer Woelki, veröffentlicht von domradio.de am 26.11.2017

Der liebe Gott weiß alles. Früher jedenfalls glaubte man das so.*

Glaubt man das denn heute nicht mehr so? Ist Gott in der katholischen Kirche seine Allwissenheit verlustig gegangen? In den 245 Dogmen mit Status „de fide“ (höchste Glaubensgewissheit der katholischen Kirche) steht:

  1. Gott besitzt eine unendliche Erkenntniskraft.
  2. Das Erkennen Gottes ist unendlich.
  3. Gott erkennt alles bloß Mögliche.
  4. Gott erkennt alles Wirkliche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
  5. Gott sieht in der scientia visionis auch die zukünftigen freien Handlungen der vernünftigen Geschöpfe mit unfehlbarer Gewissheit voraus.
    (Quelle: http://kath-zdw.ch/maria/245.dogmen.html)

Ein Wesen mit diesen Eigenschaften weiß doch die Antwort auf alle Fragen. Herr Woelki, wurden diese Dogmen mittlerweile gestrichen? Und wie siehts mit Allmacht, Omnipräsenz und Allgüte aus? Fragen über Fragen…

Bei Fragen: Google vertrauen

Heute vertraut man doch eher Google.

Verständlich. Denn schließlich liefern die Algorithmen von Google zu praktisch jedem beliebigen Suchbegriff Informationen, die diese Algorithmen für relevant erachten. Darauf, dass Google Ergebnisse liefert, kann man tatsächlich vertrauen. Ob die gefundenen Informationen ebenfalls vertrauenswürdig sind, ist eine andere Frage.

Tatsächlich erfüllt Google schon heute am ehesten die Attribute, die Menschen bisher Göttern zugesprochen hatten. Allem voran Allmacht, Allgegenwart und Allwissenheit.

[…] Scheinbar auf alle Fragen der Welt wissen Google, Siri oder Alexa oder wie immer auch unsere digitalen Helfer heißen, eine Antwort.

Künstliche Intelligenz ist heute in der Lage, riesige Datenmengen in Sekundenbruchteilen zu verarbeiten und selbständig zu lernen.

Während Menschen noch zu Wüstengöttern sprechen, die sich andere Menschen in der Bronzezeit ausgedacht hatten, entwickeln von Menschen konstruierte Intelligenzen bereits eigene Sprachen, Strategien – und ihrerseits neue künstliche Intelligenzen.

Antworten auf Grenzfragen unseres Lebens

Wie aber sieht es aus, wenn es um die Grenzfragen unseres Lebens geht? Wenn eine schwere Krankheit unser Leben bedroht? Wenn der Ehepartner uns sitzen lässt? Wenn Eltern ein Kind durch einen Unfall verlieren? Da sind die Internetriesen mit ihrem Latein ganz schnell am Ende.

Alle der hier genannten Beispiele sind Folgen von Ursachen, die diese Ereignisse zur Folge hatten. Wenn Algorithmen ausreichend viele Daten zur Verfügung haben, dann können sie zumindest Aussagen über Wahrscheinlichkeiten treffen, was zu den jeweiligen Ereignissen geführt haben könnte.

Die Frage, wie künstliche Intelligenz aus ethischer Sicht zu bewerten ist, spielt schon jetzt eine viel größere Rolle, als das vielen Menschen bewusst ist. Denn ähnlich wie zum Beispiel die Atomkraft birgt auch diese Technologie ungeahnte Chancen – und Risiken.

Zur sinnvollen Beantwortung solcher Fragen spielt der erfundene Wille eines ebenso erfundenen Gottes keine Rolle mehr. Vielmehr erfordert der Umgang mit diesen Technologien eine gewisse geistige und intellektuelle Reife.

Wer sich für dieses Thema interessiert, sollte sich mal das Programm der Transhumanen Partei Deutschland anschauen.

Gott: Eine allzu billige Vertröstung

Und wie sieht es dann mit Gott aus? Ist der Glaube an Gott nicht eine allzu billige Vertröstung? Erklärt Gott mir etwa, warum ich unheilbar krank bin? Warum mein Partner mich verlassen hat? Warum meine geliebte Tochter bei dem Unfall sterben musste?

Genau das ist Gott. Eine allzu billige Vertröstung. Genauer: Die Einbildung einer Vertröstung. Götter erklären mangels Existenz (bis zum Beweis des Gegenteils) genau – nichts. Ganz egal zu welchem Thema.

Ausnahmslos jede vermeintliche göttliche „Antwort“ lässt sich genausowenig mit irgendwelchen Himmelsmagiern in einen ursächlichen Zusammenhang bringen wie sonst irgendetwas.

Ich gebe zu – Gott hat keine einfachen Antworten, die im Bruchteil von Sekunden auf meinem Handy aufleuchten. Aber mir hilft Gott weiter.

Nein, Herr Woelki. Gott hilft Ihnen nicht weiter. Sie können ja nicht mal sagen, wer oder was mit Gott überhaupt konkret gemeint sein soll.

Was Ihnen vielleicht weiterhilft, ist Ihre persönliche Vorstellung eines Gottes. Der berufsbedingt vermutlich gewisse Ähnlichkeiten mit dem besagten Wüstengott Jahwe hat.

Gott hat nicht nur keine einfachen Antworten. Sondern keine.

Der von Herrn Woelki gespürte Gott ist für ihn da

Ich spüre, dass er für mich da ist, selbst wenn seine Antworten oft quälend lange auf sich warten lassen.

Warum, meinen Sie, sollte der Allmächtige für Sie da sein? Meinen Sie ernsthaft, Gott ist für Sie da, während er gleichzeitig nichts gegen das allgegenwärtige und täglich beobachtbare Leid und Elend auf der Erde unternimmt? Ein Leid, von dem auch Menschen nicht verschont bleiben, die diesen Gott genauso verehren Sie? Oder vielleicht sogar noch viel mehr?

Halten Sie das bei Licht betrachtet nicht auch für eine sehr absurde und vor allem reichlich arrogante Vorstellung?

Wie lange Sie auf eine göttliche „Antwort“ warten, hängt einzig davon ab, wie lange es dauert, bis irgendetwas passiert, das Sie als eine solche zu erkennen meinen. Früher oder später wird schon wieder mal irgendetwas passieren, das Sie als Antwort Ihres Gottes interpretieren. Und wenn nicht, dann entschuldigen Sie Ihren Gott eben einfach mit der „Unergründlichkeit“ seiner Wege.

Dieser rekursive Bestätigungsfehler (confirmation bias) ist die wohl wichtigste Voraussetzung für einen „starken Glauben.“ Gläubige setzen die Existenz ihres Gottes mit bestimmten Eigenschaften als wahr voraus und versuchen dann, ihre natürliche Lebenswirklichkeit mit diesem Gott in einen Kausalzusammenhang zu bringen.  Spätestens wenn dieses Gedankenkonstrukt die Lebensqualität des Betroffenen beeinträchtigt, spricht man von einer Wahnerkrankung.

Herr Woelki, natürlich ist es Ihre persönliche Privatangelegenheit, welche Götter Sie meinen zu spüren. Und wenn Ihnen die Vorstellung, Ihr Gott kenne alle Ihre Gedanken nicht absurd und peinlich, sondern vielleicht ja sogar tröstlich und irgendwie angenehm vorkommt, dann ist auch das selbstverständlich Ihre Privatangelegenheit. Die Gedanken sind seit Aufklärung und Säkularisierung frei. Nur: Was versprechen Sie sich davon, die Menschheit an Ihrer religiös erweiterten Scheinwirklichkeit teilhaben zu lassen?

Nicht so ganz alleine…

Mir helfen auch Menschen, die mir von ihrem Glauben an Gott erzählen. Die auf Gott alleine vertrauen, selbst wenn Gott ihnen das Leid der Welt nicht erklärt.

Das kann ich gut nachvollziehen. Es dürfte beruhigend für Sie sein, sich immer wieder zu bestätigen, dass Sie nicht ganz alleine sind in Ihrer religiös erweiterten Scheinwirklichkeit.

Wollten Sie nicht eigentlich herausarbeiten, dass Ihr Gott Sinnfragen besser beantworten kann als Google? Wieso schreiben Sie dann jetzt, dass Gott Menschen das Leid der Welt nicht erklärt? Oder haben diese Menschen nur noch nicht gelernt, Gottes „Antworten“ in ihrer Wirklichkeit erkennen zu können?

Mangelt es ihnen vielleicht am rechten, festen Glauben? Wenn es ihnen nicht gelingt, ihre Wahrnehmungen so zu deuten, dass dabei göttliches Eingreifen als Ursache herauskommt?

Und abgesehen davon: Diese Menschen helfen Ihnen ja auch, indem sie durch ihren Verbleib in Ihrer Herde Ihren Arbeitsplatz sichern.

Gott suchen und finden

Und ich bin mir sicher: Wer Gott sucht, der findet ihn! Immer und überall – auch ohne jede Suchmaschine dieser Welt.

Und ich bin mir sicher: Wer sich einen Gott einbilden will, der kann sich einen einbilden! Mit allen beliebigen Eigenschaften. Weil es faktisch keinen Unterschied macht, welche Eigenschaften einem Phantasiewesen angedichtet werden.

Herr Woelki, was meinen Sie: Welchen Gott findet wahrscheinlich wohl jemand, der zum Beispiel in Neu-Delhi geboren wird? Oder  in Nepal? Im Amazonas-Regenwald? Und woran könnte dieser Finder erkennen, dass er gar nicht Ihren (den einzig wahren), sondern irgendeinen anderen Gott „gefunden“ hat?

Wenn wir gerade beim Thema Fragen und Antworten sind:  Herr Woelki, wie lauten Ihre Antworten auf diese Fragen?

  1. Ist Ihr Gott mächtig genug, eine bessere als diese Welt zu erschaffen?
  2. Wenn ja: Warum hat er es nicht getan?
  3. Wenn nein: Stimmen Sie zu, dass Ihr Gott nicht allmächtig ist?
  4. Warum sollte man an Ihren Gott glauben?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

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