Blasphemieparagraf

Lesezeit: ~ 3 Min.

Der Blasphemieparagraf ist ähnlich absurd wie das Gesetz, im Westminster Palace nicht sterben zu dürfen.

Manch archaische Relikte in unseren Gesetzen dienen womöglich nur der allgemeinen Aufheiterung.

– Roman Ummerlée via Facebook

Blasphemie-Paragraf

Inhalt

Im so genannten Blasphemieparagraf (§166 StGB) steht:

  • (1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
  • (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
    (Quelle: gesetze-im-internet.de)

Kritik am Blasphemieparagraf

Diese Vorschrift wird aus verschiedenen Gründen scharf kritisiert. Neben einer Einschränkung des Grundrechtes auf Meinungsfreiheit ist auch die Unklarheit des Begriffes „Beschimpfung“ ein Problem. Eine Übersicht über die wichtigsten Kritikpunkte gibts bei Wikipedia.

Interessant ist auch die Geschichte dieses Paragrafen: So forderten etwa 2006 Stoiber, Söder und Konsorten eine Verschärfung des Paragrafen.

Kurt Tucholsky brachte seine Meinung dazu wie folgt auf den Punkt:

  • „Ich mag mich nicht gern mit der Kirche auseinandersetzen; es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren, die sich strafrechtlich hat schützen lassen.“
    (Quelle: Wikipedia)

Der gbs-Vorstandssprecher Dr. Michael Schmidt-Salomon formulierte die Kritik am Gotteslästerungsparagrafen wie folgt:

  • “In der Praxis hat dieser Paragraph zu einer völligen Verkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses geführt”,  führte Schmidt-Salomon aus. “Namhafte Künstler wie Kurt Tucholsky oder George Grosz wurden mithilfe dieses Zensurparagraphen gemaßregelt. Tatsächlich aber wurde der öffentliche Friede niemals durch kritische Kunst bedroht, sondern vielmehr durch religiöse oder politische Fanatiker, die nicht in der Lage waren, die künstlerische Infragestellung ihrer Weltanschauung rational zu verarbeiten.” (Quelle: hpd.de)

Petition der Giordano-Bruno-Stiftung von 2006

In einer Petition hatte die Giordano-Bruno-Stiftung bereits 2006 gefordert:

  • Alle Versuche, die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit einzuschränken, müssen sofort eingestellt werden! Konkret: §166 StGB darf nicht verschärft, sondern sollte ersatzlos gestrichen werden! Die Religionen dürfen vom Gesetzgeber keineswegs den Freibrief erhalten, sich gegen Kritik zu immunisieren. Wer Zensur erlaubt, will Denken verbieten!
  • Auf internationaler Ebene muss entschieden dafür gekämpft werden, dass die gängige Praxis, Religionskritiker zu inhaftieren, zu foltern, zu ermorden, in aller schärfster Form geächtet wird und empfindliche Sanktionen nach sich zieht. Die Durchsetzung der Menschenrechte hat oberste Priorität. Sowohl religiöse Traditionen als auch ökonomische Interessen müssen sich dem unterordnen.
  • Die Verantwortlichen in Medien und Politik müssen endlich vernünftige Bedingungen für eine offene Debatte über Religionen schaffen. Die Angst vor der „Verletzung religiöser Gefühle“ hat bei vielen Medienvertretern „Scheren im Kopf“ erzeugt. Konsequente Religionskritiker kommen nicht nur in islamischen Ländern, sondern auch in Westeuropa kaum zu Wort, viele religionskritische Stellungnahmen werden aufgrund vorauseilender Resignation bzw. Selbstzensur gar nicht erst veröffentlicht.
  • Wer (wie „Jyllands Posten“) fremde Religionen kritisiert, sollte dringend auch vor der eigenen Tür kehren! Wer von einer aufklärerischen Position heraus den Islam kritisiert, sollte in seiner Kritik die anderen Weltreligionen (insbesondere die artverwandten Religionen Judentum und Christentum) nicht aussparen. Die autoritätsfixierten, apokalyptischen Wahnvorstellungen, die den gegenwärtigen islamischen Fundamentalismus bestimmen, findet man in ähnlicher Ausprägung auch bei strenggläubigen Christen und Juden. Es erzeugt ein falsches Bild, wenn man das Übel allein bei den Muslimen sucht. (In diesem Sinne empfehlen wir „Jyllands Posten“ sowie anderen einseitigen Islamkritikern die unten abgebildete Karikatur „Prähistorisches Museum“, die im Auftrag der Giordano Bruno Stiftung erstellt wurde… Es ist übrigens nicht zu befürchten, dass irgendeine größere Zeitung diese Karikatur abdrucken wird…)
  • Der weltweit boomende Fundamentalismus ist nicht zuletzt Ausdruck gravierender politischer, ökonomischer und sozialer Missstände in der Welt. Die westliche Politik sollte sich bemühen, diese Missstände zu beheben, statt die Prinzipien der Aufklärung auf dem Altar einer kurzsichtigen Diplomatie zu opfern. Letzteres wäre schon allein deshalb verfehlt, da Fundamentalisten dazu neigen, jedes Zugeständnis ihrer weltanschaulichen Gegner als Zeichen der Überlegenheit ihres eigenen Glaubenssystems zu interpretieren.
  • All jene, die sich den Werten von Humanismus und Aufklärung verpflichtet fühlen, sollten den Mut aufbringen, öffentlich Farbe zu bekennen. Es ist an der Zeit, Klartext zu sprechen, gerade auch in Bezug auf Religion. Wir dürfen uns nicht länger davor drücken, in aller Deutlichkeit zu formulieren, wofür wir eintreten und wogegen wir uns wenden. Die Fortführung des Projekts der Aufklärung verlangt nicht nur kluge Köpfe, sondern auch die Fähigkeit zum aufrechten Gang…
    (Quelle & gesamter Text der Petition: leitkultur-humanismus.de)

Etwa 15 Urteile jährlich

Noch hat die Kirchenlobby alles im Griff. Und so kommt es auch heute noch immer wieder zu Verfahren, in denen Menschen wegen angeblicher Verstöße gegen den Blasphemieparagraf §166 verklagt werden. Alle Anstrengungen, diese weltfremde Verordnung abzuschaffen, konnten in erster Linie die C-Parteien bis jetzt immer erfolgreich verhindern.

So wurde zum Beispiel Albert Voß für sein Projekt spruchtaxi.de wegen Gotteslästerung angeklagt. Einen Beitrag dazu gabs im Ketzerpodcast.

*Veröffentlichung des Meme mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.

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