Gedanken zu: „Es ist ein Trauerspiel, wie viele Christen Mission ablehnen“

Lesezeit: ~ 7 Min.

Gedanken zu: „Es ist ein Trauerspiel, wie viele Christen Mission ablehnen“ – Originalbeitrag veröffentlicht am 08. Januar 2018 von idea.de

[…] Sie [Deutschlands größte Fachmesse für Berufe in Mission und Entwicklungshilfe, der Jugendmissionskonferenz (JuMiKo), Anm. d. Red.] fand am 7. Januar in Echterdingen bei Stuttgart unter dem Thema „Gebet: Gott. Machen. Lassen.“ mit gut 5.000 Teilnehmern statt.*

Schon allein am Motto dieser Veranstaltung wird deutlich, warum die kirchliche Entwicklungshilfe scharf kritisiert werden muss. Denn wer sich die Wirklichkeit um einen imaginären Himmelszauberer erweitert, von dem er erwartet, dass dieser seinen Allmachtsplan ändert und wunschgemäß ins irdische Geschehen eingreift, wenn man ihn darum bittet, der vermischt absurde religiöse Wüstenmythologie mit der natürlichen Wirklichkeit.

Die Vorstellung, man könne mit einem Gebet Gott etwas machen lassen (was ja eine der möglichen Aussagen dieses Mottos ist), zeugt von massivem Realitätsverlust bzw. Realitätsverweigerung. Mit einem Wesen, dass sich per Definition der menschlichen Erkenntnis entzieht, lässt sich redlicherweise nichts in einen ursächlichen Zusammenhang bringen.

Mit anderen Worten: Niemand kann sagen, ob es nun Jahwe, Anubis oder der Gestiefelte Kater war, der angeblich etwas gemacht hat, nachdem man einen Gott darum gebeten hatte. Das ist solange kein Problem, wie man zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheidet.

Auf göttliche Hilfe zu hoffen ist, wie auf eine Überweisung von Dagobert Duck zu hoffen.

Jesus habe einen eindeutigen Befehl gegeben, nämlich: „Geht hin und macht zu Jesusjüngern alle Völker“, sagte Scheffbuch.

Ein Befehl, der schon Millionen von Menschen das Leben gekostet hat. Und weiteren Millionen ihre Freiheit, ihre Kultur und ihre Identität.

Jesus hat auch noch andere Befehle gegeben. Hier nur ein Beispiel:

  • Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist. (Mt 18,6 LUT)

Herr Scheffbuch, woran unterscheiden Sie, welche „eindeutigen Befehle“ von Jesus heute noch gelten und welche nicht? Un- und Andersgläubige missionieren oder ersäufen?

Als Christ, für den die biblischen Mythen und Legenden als „Wort Gottes“ eine übergeordnete Bedeutung haben, können Sie beides problemlos biblisch rechtfertigen.

Kirche: Keinen. Einzigen. Cent.

Was ist wichtiger: Evangelistische Verkündigung oder soziale Entwicklungshilfe?

Was für eine geradezu widerwärtig zynische Frage.

[…] Er ging ferner auf die Frage ein, ob evangelistische Verkündigung wichtiger sei als soziale Entwicklungshilfe. Darüber werde auch hinter den Kulissen der JuMiKo diskutiert, berichtete Scheffbuch. Er halte das für einen „nutzlosen Streit“: „Es gibt kein Christenleben ohne Taten der Liebe im Namen von Jesus.“ Allerding tue eine Christenheit, die nur noch die aktuellen politischen, karitativen und moralischen Aufgaben kenne, besser daran, sich „zu liquidieren und den Betrieb dem Roten Kreuz zu vermachen“. Christen hätten in erster Linie nur eine Botschaft: „Sie haben die Nachricht von Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen weiter zu tragen.“

Kirche: Keinen. Einzigen. CentDiese Aussage sollte genügen, um niemals mehr auch nur einen einzigen Cent an irgendeine christliche Einrichtung zu spenden. Kirche: Keinen. Einzigen. Cent.

Das gilt selbstverständlich auch für sämtliche Milliardensummen, die der Staat der Kirche in den Rachen wirft. Und auch für die Einrichtungen aller Konfessionen:

Denn auch bei den Katholiken ist die karitative Hilfe außer zum Geldverdienen hauptsächlich und vorrangig Mittel zum religiös-missionarischen Zweck. In der Broschüre Nr. 95A, herausgegeben von den deutschen Bischöfen am 27. April 2015 heißt es unmissverständlich (man beachte die Reihenfolge, Hervorhebung von mir):

  • In lebendigen Gemeinden und Gemeinschaften bemüht sie [die Kirche, Anm. d. Red.] sich, weltweit diesem Auftrag durch die Verkündigung des Evangeliums, die Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente sowie durch den Dienst am Mitmenschen gerecht zu werden. (Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, Seite 7)
  • Kirchliche Einrichtungen dienen dem Sendungsauftrag der Kirche. (ebenda, Seite 9)

Die Aufforderung, die Christenheit solle sich liquidieren, halte ich für überzogen. Es würde völlig genügen, die Kirchen zu liquidieren. Schon ein Teil dieses Vermögens würde genügen, Armut dauerhaft zu beenden. So wäre nicht nur die Armut, sondern auch die Kirche Geschichte. Win-Win, sozusagen.

Postreligiöse Entwicklungshilfe

Die verbliebene Christenheit könnte dann ja zum Beispiel eine Interessensgemeinschaft oder eine Art Traditionsverein gründen, um ihre Rituale zu pflegen und um ihre Ideen zu verbreiten. Auf eigene Kosten.

Die kirchlichen Hilfseinrichtungen müssten von sämtlichen Missionierungsabsichten befreit werden. Oder man vermacht sie tatsächlich, wie von Herrn Scheffbuch vorgeschlagen, nichtkirchlichen Organisationen.

Damit wäre dann auch gleich unterbunden, dass Bischöfe den Menschen in Entwicklungsländern erzählen, Kondome würden AIDS verursachen und wer sie verwende, sei des Teufels. Die Verwendung von Spendengeldern für Bildung ist dann sinnvoll und unterstützenswert, wenn mit Bildung Aufklärung und nicht religiöse Indoktrination gemeint ist.

Gott erhört keine Gebete

Auf Gott vertrauen – auch wenn er scheinbar Gebete nicht erhört

Das „scheinbar“ in dieser Zwischenüberschrift suggeriert, dass Gott in Wirklichkeit oder zumindest unter irgendwelchen Bedingungen Gebete schon erhören würde. Das ist bis zum Beweis des Gegenteils nicht der Fall.

Noch kein einziger Gott hat je auch nur ein einziges Gebet erhört in dem Sinne, dass er darauf nachweislich ins irdische, natürliche Geschehen eingegriffen und es im Interesse des Beters geändert hätte. Dabei handelt es sich um eine (reichlich arrogante, aber bei Gläubigen freilich weit verbreitete) Einbildung, kultiviert durch einen chronischen, auto-suggestiven Bestätigungsfehler.

Manchmal helfe Gott, ein anderes Mal scheine er nicht zu antworten. Oft suchten Christen die Schuld dann bei sich. Sie meinten, sie hätten nicht fest genug gebetet.

Und dieser Unterdrückungsmechanismus hält Religionen künstlich am Leben, seit sich Menschen ihre allerersten Götter ausgedacht hatten.

Christen sollten auch in solchen Situationen auf Gott vertrauen. „Beten heißt zu rufen, auch wenn ich nicht sehe, dass da jemand da ist.“

Kaum vorstellbar, dass ein erwachsener, geistig gesunder und ansonsten vermutlich vernünftig denkender Menschen sich nicht in Grund und Boden schämt, sowas öffentlich zu verkünden. Aber natürlich sei es jedem selbst überlassen, wie er sich blamiert. Und es wird noch besser. Denn der Sprecher gibt vor, Dinge zu wissen, die er gar nicht wissen kann:

Wenn Gott schon nicht erhört, dann hört er wenigstens – ja und?

Wenn Gott wolle, geschehe das, was keiner für möglich halte. Wie er aber auf Gebete reagiere, liege allein bei ihm, „aber er wird uns hören“.

Pumuckl, Rumpelstilzchen, gnrfgrmblr: „Gott“ kann hier durch jeden beliebigen anderen Phantasienamen ersetzt werden, ohne dass sich am Ergebnis irgendetwas ändert. Die Logik dahinter entspricht in etwa der Volksweisheit: „Kräht der Gockel auf dem Mist, ändert sich’s Wetter – oder es bleibt, wie’s ist.“

Es geschehen ständig Dinge, die keiner für möglich gehalten hätte. Daraus folgt noch lange nicht, dass hier der Wille eines bestimmten Wüstengottes im Spiel ist.

Und wenn es sowieso allein bei Gott liegt, wie er auf Gebete reagiere, dann ist es auch völlig irrelevant, ob er uns „hört“ oder nicht.

Sonst behaupten Religionsdiener ja gerne, Gebete würden von ihrem Gott erhört. Wenn aber die Kluft zwischen religiösem Wunsch und irdischer Wirklichkeit mal zu offensichtlich wäre, dann wird aus dem Erhören eben schnell mal ein Hören. Wen juckt’s.

Gott jedenfalls nicht. Denn auch Jahwe ist es seit jeher völlig egal, was die von ihm bevorzugte Trockennasenaffenart hienieden veranstaltet. Wer etwas anderes behauptet, müsste dies beweisen können, um es von einer Einbildung, einer menschlichen Fiktion unterscheiden zu können.

Some of them want to use you…

Der Vorsitzende der ChristusBewegung „Lebendige Gemeinde“, Dekan Ralf Albrecht (Nagold), rief unter Bezug auf das Veranstaltungsthema dazu auf, die richtige Balance zwischen „Machen“ und „Lassen“ zu finden: „Gott braucht dich nicht. Aber er will dich gebrauchen. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.“

Tatsächlich ein Unterschied wie Tag und Nacht ist der Unterschied zwischen religiösen Hirngespinsten und der natürlichen, irdischen Wirklichkeit.

Natürlich braucht Gott dich. Denn er hört genau in dem Moment auf zu „existieren,“ in dem du nicht mehr an ihn glaubst. Götter sind zu 100% von den Menschen abhängig, die an sie glauben.

Das scheint auch der Christengott zu ahnen. Denn er ist ein eifersüchtiger Gott. Dessen oberstes Gebot darin besteht, dass er den Menschen verbietet, andere Götter neben ihm anzuerkennen. Eine ziemlich seltsame Forderung für einen Monogott. Man könnte fast denken, ein primitives Hirtenvolk aus der Bronzezeit hätte ihn sich ausgedacht. Basierend auf ihren Ängsten, Wünschen und Hoffnungen. Logische Widersprüche scheinen damals noch kein Problem gewesen zu sein…

Je weniger Menschen den Christengott noch durch ihren Glauben am virtuellen Leben erhalten, umso tiefer verschwindet auch Jahwe in der Bedeutungslosigkeit. Wie die vielen tausend anderen Götter auch, die sich die Menschheit schon ausgedacht hat.

Und die, meist parallel zum Ende einer kulturellen oder politischen Epoche, immer mehr verblassten, bis schließlich niemand mehr an sie glaubte. Dieses Schicksal wird auch Jahwe ereilen.

Armseliger Allmächtiger oder sadistischer Allgütiger?

Dekan Ralf Albrecht gibt also vor zu wissen, dass Gott die Menschen nicht braucht, sie aber gleichzeitig gebrauchen will. Dass Gott die Menschen sehr wohl und sogar ganz existentiell braucht, hatte ich gerade erläutert.

Die Idee, es gäbe ein überirdisches allmächtiges Wesen, dass Menschen geschaffen hat, um sie für seine Zwecke zu gebrauchen, halte ich für so bizarr, absurd und unmenschlich, dass ich mich frage, wie jemand auf die Idee kommen kann, solchen Unsinn öffentlich zu verkünden.

Angenommen, es wäre tatsächlich so, wie von Herrn Dekan Ralf Albrecht behauptet: Was wäre das für ein krankes Spiel, dass der Allmächtige da mit seiner Schöpfung treibt? Hat er sich vielleicht trotz Allmacht verschöpft? Oder eben nicht, weil er nämlich in Wirklichkeit ein sadistisches Arschloch ist? Vieles spricht dafür.

Natürlich sei es Herrn Albrecht und seinen Anhängern selbst überlassen, von wem oder was sie sich gebraucht fühlen möchten. Das potentiell Gefährliche dabei ist nur, dass der vermeintliche Wille Gottes völlig beliebig definierbar ist:

„Deus vult“ – „Gott will es“ hat schon Millionen von Menschen das Leben gekostet. Und kein Gott hat je widersprochen. Auch nicht der „liebe Gott“ der Christen. Egal, ob Menschen sich in seinem vermeintlichen Auftrag geliebt oder ermordet haben.

Abgesehen davon finde ich es ziemlich armselig, wenn sich jemand erst ausgerechnet von einem allmächtigen, aber untätigen Phantasiewesen gebraucht fühlen muss um darauf zu kommen, etwas gegen menschliches Leid und Elend zu unternehmen.

Augen auf beim Spenden!

Wer kirchliche Hilfsorganisationen mit Spenden unterstützt muss wissen, dass ein nicht unerheblicher Teil dieses Geldes zur Verbreitung religiöser Ideologie verwendet wird.

Aus Kirchensicht ist Mission der eigentliche, hauptsächliche Grund für soziales Engagement.

Das eigentliche Trauerspiel ist nicht, wieviele Christen die Mission ablehnen. Sondern wieviele Christen die Mission noch betreiben. Vorzugsweise unter dem Deckmäntelchen der zum Großteil mit Spenden finanzierten (Entwicklungs-)Hilfe. Prakisch immer, wenn bei kirchlichen Hilfsprojekten von „Bildung“ die Rede ist, verbirgt sich mehr oder weniger Mission dahinter.

Zum Glück gibt es heute etliche Organisationen, die Menschen helfen, ohne ihnen nebenbei noch eine absurde, unmenschliche Wüstenmythologie unterzuschieben. Einige Beispiele (ohne Gewähr):

Tipp: Menschen über KIVA.ORG unterstützen

Auf ein interessantes Projekt hatte der MGEN-Podcast in seiner letzten Ausgabe aufmerksam gemacht: KIVA.ORG.

Auf dieser Plattform stellen Menschen aus allen Kontinenten ihre Projekte vor. So unterschiedlich wie diese Menschen, sind auch ihre Projekte: Naseem aus Hafizabad, Pakistan benötigt einen Kredit zum Ausbau einer Schule für sozial benachteiligte Kinder. Elena Gabriela aus Manta, Ecuador verwendet das Geld zum Aufbau ihres Ladengeschäftes. Andere nutzen das Geld für ihre Ausbildung oder für lokale Hilfsprojekte.

Diese Menschen kann man dann mit einem Mikrokredit schon ab 25 $ unterstützen. Die Rückzahlungsrate liegt laut Kiva bei 96,9 %. Hat man sein Geld zurück, kann man es erneut als Mikrokredit zur Verfügung stellen – oder es sich wieder zurücküberweisen lassen. Das Procedere ist dank PayPal sehr einfach.

Den Beitrag im MGEN-Podcast über kiva.org gibts hier zum Nachhören.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag von idea.de

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