Grüß Gott! … Gedanken zu NACHGEDACHT (262)

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Grüß Gott! … Gedanken zu NACHGEDACHT (262) von Christina Lander, veröffentlicht am 11.03.18 von Osthessennews

Gerade erst war die Wortkombination [„Grüß Gott“, Anm. von mir] wegen eines angeblichen Verbotes in den Medien, ob „Fake News“ oder nicht möchte ich heute erklären, warum ich diese Art von Begrüßung für unerlässlich halte.*

Es handelt sich bei dieser Meldung tatsächlich um Fake News. Und zwar aus dem Jahr 2011:

  • Dieser Kettebrief bedient sich der Grunderwartungshaltung, dass Deutsche ihrer Traditionen beraubt werden, um das Leben für (in diesem Falle muslimische) Migranten angenehm zu gestalten. (Quelle: Mimikama.at)

Auch wenn es sich bei der Meldung nur um populistischen Scheissdreck Polemik gehandelt hatte: Ein Verbot der Begrüßungsformel „Grüß Gott“ würde ich für unsinnig halten, wenn es jemand tatsächlich fordern würde.

Vielmehr setze ich darauf, dass immer mehr Menschen bewusst wird, wie lächerlich widersinnig und peinlich absurd dieser Gruß eigentlich ist. Und deshalb von sich aus dazu übergehen, Menschen zum Beispiel einen guten Tag zu wünschen. Und wenn nicht, dann halt nicht.

Grüß Göttin

Ich halte die Begrüßungsformel „Grüß Gott“ sehr wohl für erlässlich. Schon allein deshalb, weil niemand sagen kann, wer oder was mit Gott denn nun eigentlich konkret gemeint sein soll.

Denn Gott kann alles Beliebige und das genaue Gegenteil sein. Nicht unterscheidbar von den vielen tausend anderen Göttern. Oder sonstigen Phantasiewesen. Die Feststellung dieser Tatsache empfinden Gläubige mitunter als kränkend. Das liegt aber nicht an der Boshaftigkeit von Menschen, die sie darauf hinweisen. Sondern an der Absurdität und eigentlichen Beliebigkeit ihrer Glaubensgewissheiten.

Gerade der völligen Beliebigkeit des Begriffes „Gott“ hat es dieser Gruß vermutlich zu verdanken, dass er bis heute noch im Gebrauch ist. Denn würde jemand einen anderen explizit eine spezielle, nämlich die von ihm geglaubte Gottheit um einen Gruß bitten, würde es sicher immer wieder zu (im besten Fall nur) Meinungsverschiedenheiten kommen.

Grüß Gott - Grüß Göttin
Grüß Göttin**

So aber kann jeder seinen Gott um einen Gruß bitten. Und jeder kann sich von seinem, möglicherweise ganz anderem Gott gegrüßt fühlen. Solange beide an irgendwelche Götter glauben.

Und solange es sich um männliche Götter handelt. Denn schon bei Göttinnen wären Differenzen vorprogrammiert, wie am Beispiel der Kunstaktion von Ursula Beiler zu sehen war.

Die Künstlerin hatte ein Schild mit der Aufschrift „Grüß Göttin“ an die Kufsteiner Autobahn gestellt. Was die Anhänger eines bestimmten männlichen Gottes gar nicht lustig fanden.

Dabei ging es Frau Beiler gar nicht um eine bestimmte weibliche Gottheit. Sondern vielmehr um die weibliche Seite Gottes. Ihr Gruß gilt „dem Göttlichen“ im Menschen.

Und bei Menschen, die an keine Götter glauben, erweckt ein „Grüß Gott“ wohl eher Mitleid oder Erheiterung. Egal, ob es sich dabei um einen männlichen, weiblichen, näher spezifizierten oder um einen beliebigen geschlechtslosen Universal-Gott handelt.

Blöde Antwort auf Grüß Gott

Man könnte ja blöderweise als Antwort auf den Ausruf „Grüß Gott!“ – „Ja, wenn ich ihn seh!“ sagen. Diese zynische Bemerkung lohnt sich aber nicht, wenn man einmal die Wortherkunft klärt. Die Begrüßung lautete ursprünglich einmal „Grüße dich Gott!“ Oder anders: Es soll dich Gott grüßen! Es ist als demnach nicht als Imperativ zu verstehen, sondern es bezeichnet den Wunsch an ein Gegenüber, dass Gott diesem Menschen begegnen möge.

Wenn wir uns die Frage stellen, ob sich die Entgegnung auf „Grüß Gott“ ein „Ja, wenn ich ihn seh!“ lohnt, dann sollten wir uns erstmal fragen, inwieweit es sich lohnen kann, ein allmächtiges, allwissendes, allgegenwärtiges Wesen um irgendetwas zu bitten:

  • Wenn Gott allmächtig ist, dann ist ausnahmslos alles, was geschieht von diesem Gott genauo so und nicht anders beabsichtigt.
  • Wenn Gott seine Segnung oder eine Begegnung mit ihm davon abhängig macht, ob Menschen ihn darum bitten, dann treibt er ein krankes Spiel mit ihnen.
  • Wäre es dem Allmächtigen ein Anliegen, könnte er sich allen Menschen jederzeit unmissverständlich zu erkennen geben. Offensichtlich möchte er das nicht.

Die Einbildung, jemand könne einen Gott durch Zuruf dazu bringen, einen Menschen zu segnen (was „grüßen“ ursprünglich auch bedeutet) halte ich jedenfalls für viel blöder als die Absurdität einer solchen Einbildung mit einer solchen Antwort bloßzustellen, um die Wortwahl der Autorin aufzugreifen.

Verschone mich vor deinen Göttern…

Und zynisch ist nicht die Antwort. Sondern der Wunsch, dass Gott dem Gegenüber begegnen möge. Zynisch deshalb, weil noch kein einziger Gott jemals irgendeinem Menschen außerhalb dessen Phantasie und Wunschvorstellung tatsächlich begegnet ist. Also in echt.

Wer das Glück hat, ausgerechnet mit dem christlich-biblischen Gott niemals konfrontiert worden zu sein, der wird auch von dessen krankhaften Vergeltungs- und Eifersucht verschont.

Denn die Menschen, die sich diesen Gott ausgedacht haben, stellten ihn sich als einen vor, der Menschen unvorstellbar brutal, grausam und zeitlich unbegrenzt bestraft für das Vergehen, sich nicht von ihm lieben lassen zu wollen. Da versteht Gott keinen Spaß. Wahrlich niemand, dessen Begegnung man sich oder gar jemand anderem wünscht. Sollte man meinen.

Tja, so wird eine kleine freudig ausgesprochene Formel zu etwas Besonderem.

Wer eine solche Formel freudig ausspricht, hat sich die gerade zusammgefassten Gedanken vermutlich noch nie gemacht. Wer meint, „Grüß Gott“ sei etwas Besonderes im Sinne von besonders wünschenswert oder bedeutsam, der kann mit Gott nicht den biblisch-christlichen meinen. Sondern vielleicht einen, den sie nach ihren persönlichen Wunschvorstellungen zusammenimaginiert haben..

Hier gibt es nichts zu sehen…

Hier wird also von einer Gottesbegegnung außerhalb des Himmels gesprochen. Die katholische Lehre greift diesen Glauben in der sogenannten Visio beatifica auf, die Gottesschau.

Grüß GottFrau Lander, hier gibt es nichts aufzugreifen. Eine Gottesbegegnung ist bis zum Beweis des Gegenteils nichts weiter als eine menschliche Einbildung. Gäbe es eine „Gottesschau“ tatsächlich, dann bräuchte niemand mehr an diesen Gott zu glauben. Denn dann könnte ja jeder sehen, dass es ihn gibt. Unabhängig davon, ob er daran glaubt oder nicht.

Nur hat bis heute noch kein einziger Mensch jemals irgendeinen Gott tatsächlich gesehen. In dem Sinne, dass ihn auch jeder andere Mensch in diesem Moment hätte sehen können. Menschen bilden sich ein, in Dingen, die sie tatsächlich sehen, wahrnehmen oder spüren, das Wirken ihrer jeweils geglaubten Götter zu erkennen.

Durch dieses göttliche Versteckspiel kann man allerdings unmöglich sagen, ob es nun Zeus, Anubis, JHWH, Cthulhu oder das Fliegende Spaghettimonster war, das einem in Form eines freundlichen Mitmenschen, eines gefundenen 10-Euro-Scheins oder einer wirksamen Medizin „begegnet“ ist. Sowas kann man sich natürlich ausdenken und einbilden.

Aber warum sollte man das tun? Erleichtert das die Bewältigung der irdischen natürlichen Wirklichkeit?

Absurd. Nicht abstrakt.

Das mag sich jetzt abstrakt anhören, aber von Gott gegrüßt zu werden oder ihn zu sehen, das ist eine Vorausschau dessen, was wir im Himmel spüren können.

Frau Lander, wenn Sie mit „Himmel“ den angeblichen postmortalen Zustand menschlicher Persönlichkeiten meinen: Womit können Menschen Ihrer Meinung nach etwas spüren, spätestens nachdem sich ihre Körper in atomare Einzelteile aufgelöst hat? Natürlich kann man sich sowas ausmalen und zusammenphantasieren.

Man könnte auch nachlesen, wie sich Menschen das vorstellten, die zu einer Zeit gelebt haben, in der man noch über ein vergleichsweise minimales Wissen darüber verfügte, wie die Dinge tatsächlich sind.

Die Annahme, es gäbe einen Zustand, in dem Menschen nach ihrem Tod irgendetwas spüren, ist hochgradig absurd. Der Kabarettist Gunkl bringt es (zwar im Zusammenhang mit Wiedergeburt, aber trotzdem auch hier passend) wie folgt auf den Punkt:

Schon allein zu glauben, irdische Emfpindungen seien der Vorgeschmack auf ein himmlisches Jenseits halte ich für eine Bankrotterklärung an die Vernunft, den Verstand und die eigene intellektuelle Redlichkeit.

Andererseits haben Sie freilich auch vollkommen recht: Von Gott gegrüßt zu werden oder ihn zu sehen, das ist tatsächlich eine Vorschau dessen, was wir im Himmel spüren können. Nämlich nichts. Nada. Niente. Nothing.

Götter grüßen nicht. Götter sind unsichtbar. Und darüber, was Menschen nach ihrem Tod spüren, lässt sich redlicherweise nichts sagen. Aber freilich alles Beliebige behaupten.

Exkurs: Arrrgh statt Grüß Gott

Folgt man zum Beispiel dem Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters (offenbart durch den Propheten Bobby Henderson), dann erwarten die Menschen nach ihrem Tod ein Biervulkan und eine Stripperfabrik.

Woran könnte nun ein Pastafari nun erkennen, dass ein kühles Bier kein Vorgeschmack auf das ist, was SEINE NUDELIGKEIT für ihn im Himmel vorbereitet hat? Sondern ein fröhliches „Grüß Gott“ Ihres Gottes?

Nebenbei ein bisschen interreligiöser Dialog: Die Pastafari, also die Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters begrüßen sich mit piratenmäßigen „Arrrgh“ und einem speziellen Monstergruß:

Die Liebe des christlich-biblischen Gottes ist das Gegenteil von unbedingt

Es ist der Moment der unbedingten Liebe, der Moment, in dem Gott im Leben spürbar wird.

Frau Lander, die Liebe Ihres Gottes ist nicht unbedingt. Wohl keine Liebe ist so dermaßen drastisch, gnaden- und kompromisslos bedingt wie die des biblisch-christlichen Gottes. Der christlichen Glaubenslehre zufolge hat Gott persönlich Menschen dazu inspiriert, sein Wort aufzuschreiben. Und die Zusammenfassung seines „Wortes“ lautet:

  • Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. (Mk 16,16 EU)

Und mit „verurteilt“ ist hier keineswegs eine gerechte, objektive Gerichtsverhandlung gemeint. Sondern Zeitlich unbegrenzte physische und psychische Dauerbestrafung bei vollem Bewusstsein durch brutalste Höllenqualen. Für das Vergehen, sich nicht von Gott lieben lassen zu wollen.

Denn das ist das einzige Vergehen, das Gott der christlichen Mythologie zufolge tatsächlich ahndet. Der biblisch-christliche Gott steht nicht für unbedingte Liebe. Sondern für krankhafte Eifersucht, schizophrenen Größenwahn und abgrundtiefe Menschenverachtung. Details finden Sie in Ihrer Bibel.

Natürlich kann es sein, dass Sie sich Ihren Gott anders vorstellen. Faktisch macht das ja auch keinen Unterschied. Aber warum bezeichnen Sie sich dann noch als Christin?

Es würde mich wirklich und ehrlich mal interessieren, wie Sie, die Sie sich ja als liberal-theologisch bezeichnen, mit der abscheulichen Kehrseite Ihres biblisch-christlichen Gottes umgehen. Ich kann mich nicht erinnern, bisher auch nur ein Wort von Ihnen dazu gelesen zu haben.

Wann wird Gott spürbar – und wann nicht?

Das mag sich auch romantisch anhören, aber Gott wird immer dann spürbar, wenn wir etwas erleben, das sich vom Rest des Lebens erhebt:

Die Vorstellung, Götter spüren zu können, hört sich für mich nicht romantisch an. Sondern reichlich arrogant bzw. wahnhaft. Und es zeigt einmal mehr deutlich, wie der chronische Bestätigungsfehler funktioniert, den Gläubige kultivieren, um ihre Glaubensgewissheit aufrecht zu erhalten:

Erleben sie Positives, ist ihr Gott dadurch für sie spürbar. Alles Schlechte, Negative, das ja ebenfalls vom Allmächtigen direkt oder indirekt verursacht oder gewollt sein muss (zumindest nicht verhindert, sonst wäre er nicht allmächtig), lassen sie bei der göttlichen Zuordnung ihrer Spürung weg. Da sind dann Gottes Wege plötzlich eben unergründlich. Ergründlich sind sie erstaunlicherweise nur, wenn alles läuft wie gewünscht.

Nicht Gott hat die Menschen nach seinem Bilde geschaffen. Menschen schaffen sich ihre Götter nach ihren Wünschen, Ängsten, Hoffnungen, Vorstellungen, Sehnsüchten. Und wenn ich mir die Wirklichkeit um einen solchen imaginären Freund erweitern würde, dann würde ich mir einen anderen aussuchen als ausgerechnet den biblisch-christlichen Gott.

Guten Tag!

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
**Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin Ursula Beiler.

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