„ Der Tod ist nicht endgültig “ – Gedanken zu Algermissen-Predigt

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„ Der Tod ist nicht endgültig “ – Bischof Heinz Josef Algermissen predigte an Allerseelen im Dom, Gedanken zu einem Beitrag auf Osthessennews.de, veröffentlicht am 3.11.2017

„Der Tod ist zwar das Ende der irdischen Existenz, doch er ist nicht endgültig.“ Dies hob Bischof Heinz Josef Algermissen am Donnerstagabend in einem Pontifikalamt zu Allerseelen im Fuldaer Dom hervor.*

Wer behauptet, der Tod sei nicht endgültig, der gibt vor, Dinge zu wissen, die er nicht wissen kann.

Solche Behauptungen bezeichnet man – je nach Absicht – entweder als Dummheit oder als Lüge. Oder beides. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um eine Bankrotterklärung an den menschlichen Verstand.

Das ungeheuerlichste Wort, das auf dieser Welt je gesprochen wurde

Christen vertrauten dem ungeheuerlichsten Wort, das auf dieser Welt je gesprochen wurde: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben“ (Joh 11,25).

Dieses Wort ist tatsächlich ungeheuerlich. Ungeheuerlich fern der irdischen, natürlichen Wirklichkeit. Es bringt zum Ausdruck, wie sehr sich die Menschen damals offenbar durch die ausnahmslos beobachtbare Unumkehrbarkeit des Todes gekränkt gefühlt haben müssen.

Statt sich damit abzufinden, dass der Tod endgültig ist, war das Fürwahrhalten einer hoffnungsvoll scheinenden Illusion und Fiktion wohl das kleinere Übel. Zu dieser Zeit, in der die Menschen noch eher bereit waren, sich das vorgegebene religiös-mythologische Weltbild (praktisch immer das ihrer Vorfahren oder Herrscher) zueigen zu machen, kann man das ja noch nachvollziehen.

Fern der Realität und bar jeder Vernunft

Wenn aber jemand im 21. Jahrhundert nocht mit „ewigem Leben“ aufgrund von Glauben wirbt, dann kann man sich kaum vorstellen, dass sich immernoch Leute finden, die ihm auf den Leim gehen.

Die zitierte Bibelstelle stammt aus dem Text, in den der anonyme Schreiber mit Pseudonym Johannes seiner literarischen Kunstfigur Jesus Christus einen Toten vier Tage nach dessen Tod auferwecken lässt. Um der Menge so seine Macht zu beweisen.

Wie plausibel ist es, dass der Leichnam eines Menschen, bei dem bereits die Leichenfäulnis eingesetzt hat, vier Tage nach seinem Tod wieder herumspaziert? Und wie wahrscheinlich ist es, dass es sich bei dieser Legende nicht einfach nur um eine weitere erfundene Geschichte handelt, wie es zu dieser Zeit unzählige weitere gab? Natürlich auch von anderen Göttern, Geistern, Gottessöhnen?

Ewiges Leben scheitert schon an den Prämissen

Wie absurd die Behauptung von Herrn Algermissen ist wird schon dann klar, wenn man überlegt, welche Voraussetzungen gegeben sein müssten, damit die Vorstellung eines „ewigen Lebens“ zumindest als sinnvolle Hypothese formuliert werden könnte.

Denn dazu müsste eine menschliche Persönlichkeit wie eine Art virtuelles „Backup“ existieren, das auch ohne die zugehörige „Hardware“ in einer nicht näher definierten Sphäre funktioniert. Seriöse Anhaltspunkte oder gar Belege für diese Vorstellungen gibt es bis heute keine.

Die einzigen Kreise, in denen ein „ewiges Leben“ heute noch vorkommt, sind die von Religionen und anderer Esoterik. Und wenn es tatsächlich mal gelingen sollte, den Tod zu überwinden, dann wird dies das Ergebnis menschlicher Anstrengung sein. Und keiner göttlichen.

Der Körper-Seele-Dualismus, wie ihn das Christentum für seine bizarre Belohnungs-Bestrafungskonzeption benötigt, erscheint heute genauso absurd wie die Vorstellung, die Erde sei eine Scheibe, um die sich die Sonne drehe.

Das Reich des Lichts: frei erfunden

Die Christen seien in diesen Tagen mit ihren Lieben verbunden, die heimgefunden hätten in das Reich des Lichtes, der Liebe und des Friedens.

Wieder führt Herr Algermissen sein Publikum (vermutlich gezielt) in die Irre. Das posthume „Reich des Lichtes, der Liebe und des Friedens“ existiert nur in seiner Phantasie. Genauso wie die von Algermissen oft beschworenen „Mächte des Bösen.“

Davon völlig unbenommen ist der Umstand, dass alle Menschen, nicht nur Christen ihre Verstorbenen in liebevoller Erinnerung halten können. Also auch Un- und Andersgläubige, die nach christlicher Vorstellung ja für ihren Un- oder Andersglauben zeitlich unbegrenzt mit Höllenqualen physisch und psychisch bestraft werden.

„Wir haben ihnen viel zu verdanken und können ihre Namen und Gesichter nicht vergessen, und so dürfen wir uns mit der Einsicht des Kirchenvaters Augustinus begründet trösten: ‚Unsere Toten sind nicht abwesend, sondern nur unsichtbar. Sie schauen mit ihren Augen voller Licht in unsere Augen voller Trauer und Tränen.‘“

Diese „Einsicht“ eines psychisch vermutlich Schwerkranken ist ebenfalls keine Einsicht im Sinne von Erkenntnis. Sondern eine reine Behauptung. Die – wen wunderts – jeder Plausibilität entbehrt.

Glaube lähmt

[…] Trauernde seien häufig auch in ihrem Glauben gelähmt.

Ganz im Gegenteil! Der Glaube ist es doch, der sie lähmt! Weil er Dinge als wahr behauptet, die nun mal nicht wahr sind.

Eine vordergründig vielleicht irgendwie tröstlich wirkende Illusion ist und bleibt, was sie ist – eine Illusion. Sie beantwortet keine einzige Frage wirklich.

Die Erkenntnis, dass es sich dabei um ein leeres Versprechen handelt, kommt für gläubige Hinterbliebene zum Schmerz über den Verlust noch dazu. Wenn sie sich dessen bewusst werden.

Große Hilfe?

„Kirchliche Rituale sind in solch traumatischer Erfahrung eine große Hilfe.

Verständlich und nachvollziehbar, dass Menschen in Ausnahmesituationen bereit sind, auch den größten Unsinn als wahr zu akzeptieren, wenn er ihnen irgendwie tröstlich erscheint.

Kirchliche Rituale wie „Aussegnung“, „Rosenkranzbeten“ und Bestattungszeremonien sind Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten. Menschen können genausogut ohne jede religiöse Mythologie Hilfe bei Trauer erfahren. Durch Mitgefühl und Anteilnahme. Denn anders als Götter können Menschen tatsächlich füreinander da sein.

Sie tragen durch die Trauer, buchstabieren den Glauben in Symbolen und Gebeten, halten die Trauer Gott hin.

Hinhalten ist ein gutes Stichwort. Denn auch in dieser Situation reagiert kein Gott auf die die ihm hingehaltene Trauer. Es liegt einzig beim Trauernden, ob er es als tröstlich empfindet, wenn er seinen Gott mit seinem Leid konfrontiert. Mehr passiert nicht.

Symbolische Gesten aus längst vergangenen Zeiten

Wenn die Menschen die Gräber besuchten, wiederholten sie zumeist unbewusst eine Reihe symbolischer Gesten, die in Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte ausgeformt worden seien.

Was nichts daran ändert, dass die Bedeutung dieser Gesten auf einem augenscheinlich fiktiven, irrealen Weltbild beruht.

„Lichter stellen wir auf die Gräber und erinnern uns an die geheimnisvolle Erfahrung der Menschheit, wie aus totem Stein und morschem Holz Feuer und Wärme hervorzugehen vermögen – ein langsam sich formendes Bild für die Gewissheit, so könne es wohl auch mit unserem Leib sein.“

Wir wissen heute doch sehr genau, wie Feuer und Wärme entstehen. Wir wissen um den Energieerhaltungssatz. Und darum, dass auch die menschlichen Bestandteile nach dem Tod wieder Teil der Sternenstaubmasse werden, aus denen unser Planet besteht.

Mit diesem Wissen aus (bio-)chemischen Prozessen eine Gewissheit ableiten zu wollen, von Menschen bliebe mehr als eben dieser Sternenstaub und die Erinnerungen an sie übrig, erscheint mir hanebüchen.

Keine Ahnung von Ewigkeit

Blumenkränze lege man auf die Gräber, wie um zu sagen, dass der Ring des Lebens sich schließe im Tod, doch dass das Dasein nicht damit ende, so wenig wie Blumen, die geschnitten würden.

Auch dieser Vergleich ist schlicht unsinnig. Denn sobald Blumen abgeschnitten werden, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie verrottet sind. Wie schon geschrieben: Dies alles stammt aus Zeiten, in denen die Menschen offenbar noch kein ausreichendes Wissen um die Spielregeln ihrer Existenz hatten. Und deshalb allerhand Fiktionen zusammenfabulierten, um sich die ihnen ansonsten unerklärliche Welt zu erklären.

All diese Bilder sagten einem etwas sehr Tröstliches. „Angesichts des bitteren Todes wird uns eine Ahnung von Ewigkeit geschenkt.“

Diese Ahnung ist keine Ahnung, sondern eine Fiktion. Die Fiktion einer Ewigkeit halte ich für kein bisschen tröstlich, egal wie man sich eine Ewigkeit auch vorstellen mag.

Der Tod ist (bis auf Weiteres) endgültig

Herr Algermissen, bis zum Beweis des Gegenteils ist der Tod endgültig. Ob Ihnen das passt oder nicht. Mit Ihrer Behauptung führen Sie Menschen in die Irre. Warum tun Sie das?

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.
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