Die Botschaft des Frühlings – Das Wort zum Wort zum Sonntag über Vögel und Kreuze

Lesezeit: ~ 5 Min.

Die Botschaft des Frühlings – Das Wort zum Wort zum Sonntag über Vögel und Kreuze, gesprochen von Alfred Buß (ev.), veröffentlicht am 28.4.2018 von ARD/daserste.de

Jetzt zwitschern die Vögel wieder ihr Frühlingskonzert – schon beim ersten Morgenlicht. Einstimmen möchte ich. Jedes Jahr aufs Neue. Seht die Vögel unter dem Himmel an, schaut die Lilien auf dem Felde– sagte auch Jesus. Öffnet euch für Gottes Schöpfung mit ihrem Gesang. Und für eure Mitmenschen.*

Die hier genannten Aussagen des biblischen Romanhelden zielen nicht darauf ab, sich der Schöpfung zu öffnen oder den Mitmenschen. In der biblischen Legende möchte der Endzeitsektenführer seine Anhänger damit dazu anhalten, sich nicht mit so irdischen Belanglosigkeiten wie der Sorge um Essen oder Kleidung aufzuhalten.

Außerdem unterstreicht er damit die herausragende, übergeordnete Stellung, die der „Krone der Schöpfung“ gegenüber allen anderen Lebewesen angeblich von Gott zugesprochen worden sein soll. Von Mitmenschlichkeit ist an dieser Stelle überhaupt nicht die Rede. Deshalb ergänzt Herr Buß das eben einfach noch. Weil es ihm gerade so gut in den Kram passt.

Die Welt ist nicht des Teufels?

Die Welt ist nicht des Teufels.

Ha – fragen Sie mal religiöse Hardliner wie zum Beispiel den Fuldaer Noch-Bischof Algermissen! Der kommt, basierend auf der selben „Heiligen Schrift“ zu einer ganz anderen Einschätzung.

In Algermissens religiös benebelter Phantasy-Welt besteht das irdische Geschehen aus einem ständigen Kampf Gut (=er und die Seinen) gegen Böse (=alle Anderen). Ständig drohen obskure böse Mächte die Überhand zu gewinnen.

Geht man freilich von einem allmächtigen Schöpfergott aus, dann muss auch der Teufel eine göttliche Kreation sein. Und kein wirkmächtiger Widersacher Gottes. In der Bibel finden sich, wen wunderts, passende Stellen für beide Vorstellungen.

Die Welt ist genausowenig des Teufels, wie sie eines Gottes ist.

Die Erkennungsmelodie Christi

Ich lebe und ihr sollt auch leben. Das ist die Erkennungsmelodie Christi. Stimmt in sie ein: Singt! Gern singe ich mit.

Aus meiner Sicht zeugt es von geradezu lächerlicher Naivität, wenn ein erwachsener, ansonsten vermutlich aufgeklärt und vernünftig denkender Mensch heute noch ernsthaft an orientalische Auferstehungsmythen und Märchen von einem postmortalen „ewigen Leben“ glaubt.

Leben lebt so lange, wie es lebt. Wenn es stirbt, hört es auf zu leben. Natürlich können wir uns, solange wir leben (und besonders, solange es uns einigermaßen gut geht) freuen, zu leben. Untote Gottessöhne und/oder fiktive jenseitige Heilsversprechen brauchen wir dazu nicht.

Und verstumme doch bald wieder – ohne zu wissen, was mich am stärksten runterzieht. Der letzte Anschlag, elende Kriege, wegtauende Gletscher, Lug und Trug? Und Jesus? Ist er nicht längst gescheitert? Verspottet, gekreuzigt, begraben. Gibt es noch einen Grund zu singen?

Natürlich gibt es den. Einen Lobgesang auf die menschliche Entwicklungsfähigkeit. Und einen Lobgesang auf diejenigen, die sich für Aufklärung, Humanismus und Säkularismus einsetzen.

Die vermeintlich hoffnungsvolle Illusion vom ewigen Leben

[…] Was diese Vögel uns da pfiffen, ist wie ein Gleichnis auf das Leben Jesu. Am Kreuz schien er am Ende zu sein. Doch dann am Ostermorgen – unglaublich, aber wahr – erklang seine Erkennungsmelodie neu: Ich lebe und ihr sollt auch leben! Seitdem wird diese Melodie gesungen durch die Generationen und Zeiten bis an die Enden der Erde.

Eine Melodie, die seit Bestehen dieser Religion auch für mehr Leid und Elend gesorgt hat als irgendetwas sonst. Durch Generationen und Zeiten bis an die Enden der Erde.

Auch wenn im christlichen Bereich die Hoffnung auf ewige jenseitige Herrlichkeit heute als naive, aber weitgehend harmlose Realitätsflucht bezeichnet werden kann: Bis heute sind gottgläubige Menschen bereit, sich für eben diese hoffnungsvolle Illusion eines „ewigen Lebens“ zusammen mit möglichst vielen Un- und Andersgläubigen in die Luft zu sprengen. Im festen Glauben, damit das Bestmögliche überhaupt getan zu haben, was ein Mensch auf Erden tun kann.

…der versteht was von Vögeln

Was die Vögel im Garten von Herrn Buß angeht: Ein Ornithologe könnte sicher umfassend Auskunft darüber geben, wie das Nachahmen und die Weitergabe von Melodien selbst unter verschiedenen Vogelarten genau funktioniert.

Das von Herrn Buß geschilderte Phänomen (der Beo der Nachbarin imitiert die Bußsche Pfeifmelodie und nachdem der Beo verstorben ist, pfeift eine Amsel die gleiche Melodie) taugt lediglich als Beispiel dafür, dass auch im Tierreich Informationen weitergegeben und „vererbt“ werden können. Wobei nicht mal klar ist, ob die Amsel die Melodie tatsächlich vom Beo aufgeschnappt hatte – oder von Herrn Buß direkt.

Der Vergleich mit der biblischen Auferstehungslegende hinkt gewaltig. Denn dazu hätte der Beo nochmal kurz auferstehen und die Meldie pfeifen müssen. Die Tatsache, dass sich die biblisch-christliche Mythologie seit der Bronzezeit bis heute erhalten hat, macht diese Lehre noch kein bisschen wahrer.

Trotzdem sei es Herrn Buß freilich unbenommen, seine Wahrnehmungen mit seiner religiösen Phantasiewelt beliebig zu vermischen. Das vermeintliche Erkennen und Deuten von „Zeichen“ gehört schließlich zum Standardrepertoire eines jeden Glaubens.  Aber was verspricht sich der Prediger davon, das zahlende Publikum des öffentlich-rechtlichen Fernsehens an seinen mythologischen Vorstellungen und Interpretationen teilhaben zu lassen?

Gottes Gegenwart im Elend der Welt

Nicht um die Welt und ihre Probleme vergessen zu machen. Im Gegenteil: Singen, um Kraft und Hoffnung zu schöpfen. Wie die versklavten Schwarzen in ihren Spiritu als. Im Leiden Christi erkannten sie ihre Leiden wieder und schöpften Hoffnung aus seiner Auferstehung. We shall overcome some day. Das ist Singen im Zeichen des Kreuzes, dem Sinnbild für Gottes Gegenwart im Elend der Welt.

Die christliche Ideologie eignet sich hervorragend, um Menschen so zu manipulieren, dass sie bereit sind, jedes noch so größte Elend, jedes Leid und jede Ungerechtigkeit klaglos zu ertragen. Indem man das widerspruchslose Ertragen von Leid zur frommen, christlichen Tugend erhebt. Die Bibel liefert die passenden Textstellen (Hervorhebungen von mir):

  • Ein jeder bleibe in der Berufung, in der er berufen wurde. Bist du als Knecht berufen, so sorge dich nicht; doch kannst du frei werden, so nutze es umso lieber. Denn wer im Herrn als Knecht berufen ist, der ist ein Freigelassener des Herrn; desgleichen wer als Freier berufen ist, der ist ein Knecht Christi. (1. Kor 7, 20-22 LUT)
  • Denn was ist das für ein Ruhm, wenn ihr für Missetaten Schläge erduldet? Aber wenn ihr leidet und duldet, weil ihr das Gute tut, ist dies Gnade bei Gott. Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; (1. Petr 2, 20-21 LUT)
  • Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Furcht den Herren unter, nicht allein den gütigen und freundlichen, sondern auch den wunderlichen (Schlachter-Bibel: „auch den verkehrten“). Denn das ist Gnade, wenn jemand um des Gewissens willen vor Gott Übel erträgt und Unrecht leidet. (1. Petr 2, 18-19 LUT)

Das ist Singen im Zeichen des Kreuzes, dem Sinnbild für Gottes Abwesenheit, Gleichgültigkeit, Untätigkeit. Oder für Gottes Sadismus. Das Hereinfallen auf ein jenseitiges und somit frei erfundenes Heilsversprechen.

#kreuzgate

Wenn es in Bayern jetzt Pflicht werden soll, Kreuze in Amtsstuben zu hängen, tut Erinnerung not: Gottes Siege werden unten, ganz unten errungen, nicht in der Höhenluft von Macht und Einfluss.

Wenn man unter „Gottes Siege“ die Verbreitung des Glaubens an ihn versteht, dann werden diese Siege sehr wohl in der Höhenluft von Macht und Einfluss errungen.

Denn wer heute an welchen Gott glaubt, ist in allererster Linie keine Frage der Wahrheit oder Überlegenheit der jeweiligen Glaubenslehre. Sondern eine Frage von Macht und Politik. Weltlicher und Klerikaler.

Nicht zum Spaß betreiben die christlichen Kirchen ein beispielloses Lobbynetzwerk, um ihre Macht zu erhalten und um ihre Interessen zu verfolgen.

Und nicht zufällig versuchen die Kirchen mit allen Mitteln, ihre ebenfalls beispiellosen Sonderprivilegien und die umfangreiche staatliche Alimentierung weiter aufrecht zu erhalten.

Todesfolterungsinstrument als Sinnbild für Menschlichkeit?

Christi Kreuz symbolisiert das schiere Gegenteil von Gesten der Dominanz und des Mia san mia. In diesem Zeichen gilt es, Frieden zu stiften unter Widersachern, zu trösten, die da Leid tragen, und satt zu machen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit.

Zur Symbolisierung ausgerechnet des Strebens nach humanitären Zielen bedarf es doch keines unvorstellbar brutalen Todesfolterungsinstrumentes. Im Gegenteil: Wie der aktuelle Fall in Bayern belegt, birgt der Bezug auf das temporäre biblische Menschenopfer die große Gefahr, dass ein Kreuz eben auch von Leuten wie Söder problemlos für deren Zwecke instrumentalisiert werden kann.

Denn die Abgrenzung und Überhöhung der eigenen Gruppe gegenüber allen anderen ist integraler Bestandteil der monotheistischen Glaubenslehre. Wenn nicht sogar einer der eigentlichen Hauptzwecke, zu denen Religionen erfunden worden waren.

Die ethischen Standards und Gesetze offener und freier Gesellschaften basieren nicht mehr auf Göttermythologie. Sondern auf der Würde und Freiheit von Individuen.

Vögel, die gar nicht da sind

Diese Freiheit beinhaltet auch die Gedankenfreiheit. Und so mag sich ein jeder die Wirklichkeit so zusammenbasteln, wie sie ihm gefällt oder erträglich erscheint:

Ja, Glaube ist der Vogel, der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.

Glaube ist die Einbildung des Gläubigen, das Singen eines Vogels zu hören, der gar nicht da ist.

*Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag über Vögel und Kreuze

Deine Gedanken dazu?

Fragen, Lob, Kritik, Ergänzungen, Korrekturen: Trage mit deinen Gedanken zu diesem Artikel mit einem Kommentar bei!

Wenn dir der Artikel gefallen hat, freuen wir uns über eine kleine Spende in die Kaffeekasse.

Bitte beachte beim Kommentieren:

  • Vermeide bitte vulgäre Ausdrücke und persönliche Beleidigungen (auch wenns manchmal schwer fällt...).
  • Kennzeichne Zitate bitte als solche und gib die Quelle/n an.
  • Wir behalten uns vor, rechtlich bedenkliche oder anstößige Kommentare nicht zu veröffentlichen.

7 Gedanken zu „Die Botschaft des Frühlings – Das Wort zum Wort zum Sonntag über Vögel und Kreuze“

  1. > Wenn es in Bayern jetzt Pflicht werden soll, Kreuze in Amtsstuben zu hängen,

    Das ist ja auch so eine Umdeutung, denn lt. Söder soll in öffentlichen Behörden 1 Kreuz hängen und dies im EIngangsbereich.

    Daraus ergeben sich ja auch wieder Fragen, wie z.B.
    – Kann das Kreuz in Amtsstuben, Gerichten, Schulzimmern nun weg, da das Eingangskreuz magische Wirkung auf das ganze Gebäude und sogar die eintretenden Menschen hat?
    – Wenn nein, da diese bay. Kultur auf dem Weg dorthin verloren geht oder vergessen werden kann, was ist dann mit Abstellräumen, Küchen und Kantinen bis hin selbst zum klo? ist es zu verantworten, dass man kulturvergessen putzt, kocht, isst und gar pinkelt oder kackt?

    Antworten
    • Das scheint mir zu kurz gegriffen. Ich glaube, die wahre Botschaft im Wort zum Sonntag ist in christologisch-heuristischer Auslegung diese: Der Reflexionsertrag enthält in aufklärerischer Absicht die Vergeschichtlichung; insofern ist Gott dieser: der Vater des Sohnes, der Sohn des Vaters und der Heilige Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht.

      Antworten
      • Versteht man das Wort zum Sonntag von der Interpretationslinie des Kreuzes her, so ließen beide Interpretationsstränge sich zwanglos in pfingstlich-eucharistischem Aufruf vereinen: Die Entmythologisierung deutet tragischerweise die existenziale Auslegung, was allem Wirklichen als ein Sinngrund innewohnt.

        Antworten
        • Diese Deutung gewichtet den Aspekt der Mehrdimensionalität des Mythos zu gering: Die Hermeneutik des creatio ex nihilo-Glaubens mythologisiert existential die im Weltbegriff gedachte Totalität des Seienden – im Singen, im Beten, im Meditieren. Das kann doch nicht unberücksichtigt bleiben!

          Antworten
  2. Zu den Vögeln: Man versucht ja mittlerweile, die Bedeutung verschiedener Tierlaute zu deuten. Bei den Vögeln ist der Gesang nicht etwa der Ausdruck einer fröhlichen Musikalität, und auch kein Ausdruck grenzenlosen Glücks und Gotteslobs.

    Stattdessen sind es Balzlaute und vor allem grimmige Botschaften an Konkurrenten: „Haut ab! Das ist mein Revier! Verpisst Euch bloß! Ansonsten werde ich Euch die Flötentöne beibringen! Ich kann auch anders!“

    Von diesem biologischen Detail abgesehen finde ich, dass sich das „Wort zum Sonntag“ in letzter Zeit positiv entwickelt. Früher was alles so bieder und theoretisch. Endlich kam mal was mit Vögeln.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar