Mit Jesus auf die Straße – das Wort zum Wort zum Sonntag

Lesezeit: ~ 5 Min.

Mit Jesus auf die Straße – das Wort zum Wort zum Sonntag von Lissy Eichert, veröffentlicht am 2.6.2018 von ARD/daserste.de

[…] Tausende Gegendemonstranten [zur AfD-Demo, Anm. von mir] waren ebenfalls auf den Beinen. Mit viel Musik, bunten Kostümen und fröhlichem Protest zeigten sie, wie eine freiheitliche und tolerante Gesellschaft aussehen könnte.

Aussehen könnte? Noch würde ich sagen: …wie eine solche Gesellschaft aussieht. Wie eine Gesellschaft aussehen könnte, wenn Populisten und Nationalisten noch weiter zulegen, hatte die AfD-Demo gezeigt.

Ein Stück geweihtes Brot

Seit Donnerstag und auch morgen sind viele Katholiken unterwegs. Mit Liedern, mit Musik und mit Gebeten. Gefeiert wird Fronleichnam. In einer Prozession wird Jesus Christus verehrt: in Gestalt eines Stück geweihten Brotes.

Ein Stück geweihtes Brot? Frau Eichert, wieso nennen Sie die (absurden) Dinge nicht beim Namen? Nach katholischer Auffassung handelt es sich bei dieser Backoblate nicht nur einfach um ein ¨Stück geweihtes Brot¨, sondern um den ¨Leib Christi.¨ Verehrt und verzehrt wird nicht ein Stück Brot. Sondern eben dieser Leib itself:

  • Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht esst das Fleisch des Menschensohns und trinkt sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken. Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm. (Joh 6,53-56 LUT) 

Der biblische Romanheld Jesus Christus macht hier zudem deutlich, dass sein Angebot nicht etwa optionaler Natur ist. Im Gegenteil: Wenn ihr mich nicht esst, habt ihr kein Leben in euch. Schlechte Karten also für alle Menschen, die vor Jesus gelebt hatten.

Oder natürlich auch für die, die zeitlebens vor dem christlichen Totenkult verschont geblieben waren. Die werden dafür nämlich zeitlich unbegrenzt durch physische und psychische Höllenqualen bei vollem Bewusstsein bestraft werden (vgl. Mk 16,16). Gleiches gilt für Anhänger anderer Götter…

Nicht nur ein Symbol für Jesus

[…] Gott ist für uns ein Lebensmittel – ein Mittel zum Leben – wie das tägliche Brot. Ich bin froh über das Zeichen, unter dem wir antreten, dieses einfache Stück Brot. Es ist das Symbol dessen, wofür Christen sich stark machen: Jesus schenkt sich selbst – sein Leben – für andere.

Wie gerade schon dargelegt, ist dieses Stück Brot in der katholischen Mythologie eben nicht nur ein Symbol. Sondern Menschenfleisch.

Und einmal mehr stellt sich mir die Frage, was das für ein Gott sein muss, der sich selbst seinen eigenen Sohn (bzw. sein eigenes zweites Drittel) als Menschenopfer (wenn auch nur vorübergehend) zu Tode foltern lassen muss, um so den Menschen, die an ihn glauben, ihre Sünden vergeben zu können, die er ihnen vorher selbst angedichtet hatte.

Ob sich Gott durch dieses, von ihm selbst initiierte Menschenopfer tatsächlich hatte befriedigen lassen und inwiefern diese Hinrichtung eine Veränderung im Verhalten von Gott den Menschen gegenüber zur Folge hatte, ist völlig unklar. Die Kriminalgeschichte des Christentums legt die Vermutung nahe, dass es offenbar noch nicht so wirklich geklappt hatte. Jedenfalls, was das Diesseits betrifft.

Bisher ist mir keine schlüssige, einheitliche Aussage von Christen genannt worden, was die Todesfolterung des vermeintlichen Gottessohns denn nun eigentlich tatsächlich konkret bewirkt oder verändert haben soll.

Unterwegs auf staubigen Wegen

Als Wanderprediger war er oft unterwegs auf den staubigen Wegen seiner Heimat. Viele, die ihm begegneten, änderten ihr Leben. Heilungen geschahen oft en passant – wie es sich so ergab. Ob beim blinden Bettler in der Gosse oder der kranken Frau, die sich durch die Menschenmenge zu ihm durchkämpfte. Jesus lebte unter Leuten und mit ihnen.

Wo hätte er auch sonst leben sollen, als aufrührerischer Endzeitsektenführer und Gelegenheitsexorzist?

Bei allen Aussagen über das, was Jesus angeblich getan oder gesagt haben soll, darf man nicht vergessen, dass es sich dabei nur um biblische Mythen und Legenden handelt, die nicht als verlässliche Quelle betrachtet werden können.

Religionsverkünder erwecken gerne den Eindruck, es handle sich bei den biblischen Geschichten um Tatsachenberichte. Damit schaffen sie sich eine scheinbar geschichtliche Grundlage, auf der sie dann ihre Wunschphantasien weiterspinnen:

Mittenmang unterwegs – in der menschlichen Phantasie

Und heute? Auch heute ist er „mittenmang“ unterwegs. Zugegeben, manchmal sehr inkognito. Aber ich kann seine Anwesenheit spüren, wie den Wind, der mich umweht. Auf den Wegen meines Lebens. Und auf den Straßen Berlins.

Jesus ist heute genauso ¨mittenmang¨ und ausschließlich incognito unterwegs wie Zeus, Benjamin Blümchen® oder Das Fliegende Spaghettimonster.

Die Anwesenheit von Wind, der einen umweht, kann man tatsächlich spüren und erklären. Ganz unabhängig davon, ob bzw. welche Götter man verehrt.

Anders als bewegte Luft kann man sich die Anwesenheit von Phantasiewesen allerdings nur einbilden. Man kann so tun, als ob.

Verständlicherweise würde Frau Eichert nicht davon sprechen, dass sie sich die Anwesenheit eines Menschen, der vor rund 2000 Jahren vielleicht gelebt haben könnte, nur einbildet oder ganz ganz dolle wünscht.

Nein – sie spürt das. Was sie wohl spüren würde, wenn sie zum Beispiel in Kairo oder im Amazonas-Regenwald geboren worden wäre?

Spott und Unverständnis

Außenstehende wundern sich manchmal, wenn sie mit einer Fronleichnamsprozession konfrontiert werden. Auch Spott und Unverständnis gibt es, weil so manch alter Zopf mitgeführt wird. Es ist eben ein historisches, ein traditionsreiches Fest.

Fragt sich nur, wer hier ¨außenstehend¨ ist… Ich halte es für ein Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit. Genauso absurd und bizarr wie andere Totenkulte auch.

Wie sich erwachsene, ansonsten vermutlich vernünftig und aufgeklärt denkende Menschen im 21. Jahrhundert noch solchen Zeremonien hingeben können, ist mir tatsächlich unverständlich.

Spott erübrigt sich, weil es selbstverständlich jedem freigestellt ist, wie er sich seine Wirklichkeit zusammenbastelt.

Karneval der Katholiken

Für manche vielleicht wie ein „Karneval der Katholiken.“

So harmlos verhält es sich leider nicht mit den Katholiken. Solange deren Kirche noch meint, sich mit Hilfe ihres gigantischen Lobbynetzwerkes in das Leben aller Menschen einmischen zu dürfen, ist die katholische Kirche kaum mit einem harmlosen Karnevalsverein zu vergleichen. Auch wenn gewisse Parallelen freilich nicht von der Hand zu weisen sind.

Für mich ist die Fronleichnamsprozession eine erfrischende Alternative, eine „Demo“ für Lebensfreude und Lebensmut.

Lebensfreude und Lebensmut!? Iss dieses Menschenfleisch und trinke dieses Menschenblut, sonst wirst du auf ewig verdammt? Sehr erfrischend…

Fromm, und auch politisch, denn Kirche ist ja keine geschlossene Gesellschaft.

Nein. Die Kirche ist ein Multimilliardenkonzern, der sein Geld mit dem Verkauf von Illusionen, die manchen Menschen hoffnungsvoll erscheinen verdient. Dazu bedient sie sich der Legende von der christlichen Moral.

…und auch politisch

Um an einem politischen Diskurs teilnehmen zu können, fehlt dem Christentum eine entsprechende Grundlage, die dafür Voraussetzung wäre.

Wer da mit biblischer Wüstenmythologie und ¨gespürten¨ Gottessöhnen um die Ecke kommt, kann kaum erwarten, irgendwie ernst genommen zu werden.

Und vielleicht muss man gerade heute für Offenheit und Toleranz auf die Straße gehen.

Was genau hat die katholische Lehre mit Offenheit und Toleranz zu tun? Und war die Gegendemo zur AfD-Veranstaltung nicht gerade ein Zeichen dafür, wo die Toleranz enden muss?

Begegnung mit der Wirklichkeit

[…] Denn nichts verändert mich so sehr wie die Begegnung. Mit Menschen, die das Leben lieben und sich kreativ für bessere Lebensbedingungen einsetzen. So wird – um mit Jesus zu sprechen – Brot gebacken. Als Lebensmittel für alle.

Frau Eichert, ich habe da einen Tipp: Die katholische Kirche verfügt über ein Milliardenvermögen, das sie noch viel kreativer und vor allem umfangreicher für bessere Lebensbedingungen von Menschen einsetzen könnte, statt es zu horten und ständig weiter zu vermehren.

Was meinen Sie, wieviele Brote man schon allein mit einem Promillebruchteil dieses Vermögens backen könnte? Und um wieviel glaubwürdiger die Kirche damit erscheinen würde?

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.

Was meinen Sie damit? Was unterscheidet einen gesegneten von einem ungesegneten Sonntag?

Die als Zitat gekennzeichneten Abschnitte stammen aus dem eingangs genannten und verlinkten Originalbeitrag.

 

 

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